Erzähl mir was ... Kollektiv Naiv

MITTWOCH, 4. DEZEMBER 2019

#Erzähl mir was ..., #Heizhaus, #Kollektiv Naiv, #Kolumne, #Lara Sielmann, #Lesung, #Literatur, #Ulf

Seit 2015 tritt das Kollektiv Naiv, das seinen Sitz im Heizhaus hat, immer wieder in Erscheinung: Mal arbeiten und frühstsücken sie in einem überdimensional großen Bett in der Nordkurve oder laden zu theatralen Ritualen ein, wie bei der letzten Liminale. Wer sie genau sind? Unwichtig. Geht es ihnen eben nicht um individuelle Kunst, sondern um die gemeinsame. In ihren Schreibprojekten „Schwarmschreiben“ und  „Schwarmlesen“ adaptieren sie ihre Kollektivstruktur auf die Literatur.

LARA SIELMANN: Liebes Kollektiv Naiv, auf meine Interview-Anfrage habt ihr sinngemäß geantwortet „gerne, wir antworten zusammen“.

KOLLEKTIV NAIV: Das liegt erstmal für uns in der Natur der Sache. Wir sind  in unserer Arbeit permanent im Austausch. Ein Interview mit einer von uns wäre eben kein Interview mit dem Kollektiv. Das heißt wiederum nicht, dass das Individuum zurücktritt, sondern, dass Individuen sich aneinander reiben und diskutieren und dabei etwas entsteht, womit keine von uns gerechnet hätte. Und diese diskursiven Prozesse finden ja auch in Einzelarbeiten statt – behaupten wir. Also, kann jetzt sein, dass wir uns im Laufe dieses Interviews vollkommen uneinig sind, dann kann sich das hier widerspiegeln.

Was ist der Vorteil, kollektiv vorzugehen?

Es ist spannend, sich einem Spiel von Aktion und Reaktion auszusetzen, die Gedanken von anderen weiterzudenken, Impulse der anderen auszuprobieren, und daraus ja auch Erkenntnisse zu erlangen. Manchmal funktionieren wir fast wie ein Spiegelkabinett füreinander und heben uns als Individuen noch mehr hervor.

Und warum macht ihr das „naiv“?

Das ist für uns eine unvoreingenommene offene Haltung zur Welt und grundsätzlich erst mal nicht wertend. Wir machen Sachen, von denen wir erst mal keine Ahnung haben. Wir wissen nicht, wie‘s geht, aber vielleicht geht‘s ja trotzdem. Scheitern ist okay und gehört dazu.

Steckt für euch dahinter ein gesellschaftsutopischer Ansatz à la „gemeinsam ist man stärker“?

Oh, das ist ganz schön groß, „Gesellschaftsutopie“. Kollektivität ist nichts, was wir jemandem verordnen wollen würden. Wir mussten unser Konzept schon abgrenzen gegen – für unseren Geschmack – zuviel Egozentrik und gegen die berechtigte Angst, das Individuum löse sich komplett auf und gebe die Verantwortung auf. Zugleich spielen wir damit, loten die Grenzen des Kollektiven aus und diskutieren das immer wieder. Was dabei passiert, ist uns wert, es weiter zu verfolgen und mit Interessierten zu teilen. Und wir möchten das Kollektive mehr kultivieren als den Egotrip. Das können wir aber nur für uns.

Konkreter: Als Schwarm setzt ihr Formate aus der Bildenden Kunst um, ladet mal zum Frühstück in ein überdimensionales Bett ein oder auch zum gemeinsamen Schreiben – was hat das alles miteinander zu tun?

An dieser Stelle ein Geständnis: In der Zeit, da wir nur gesagt haben, wir machen Sachen, die uns interessieren, war es schwer, Orte zu finden, wo wir diese Sachen machen konnten. Seit wir sagen, es handle sich um Kunst, sagen alle „Ah, okay!“. Wir wiederholen keine konkrete Form. Wir haben meist eine Frage, und der spüren wir nach. Und dann entsteht etwas.

Fester Teil eurer Arbeit sind die Literaturprojekte „Schwarmschreiben“ und „Schwarmlesen“.

Das Schwarmlesen, also als Aufführung, hat erst ein mal stattgefunden und darf noch öfter passieren. Das Schwarmschreiben passiert einmal monatlich. Ein Anfangsimpuls wird gefunden. Jede_r schreibt einen ersten Satz. Sätze werden getauscht, jeder schreibt ohne Absetzen drei Minuten weiter. (geheime Teilnehmerin: Die Stoppuhr.) Danach: Neu schreiben, umschreiben, weiterschreiben mit Schreibimpulsen wie: Schreibe den Text neu (der Erzähler ist nun z.B. Botaniker_in). Lasse eine Figur aus dem Text sich verlieben oder eine Reise machen. Die Form vom Text wird verändert, der Inhalt erweitert, mit dem Vorhandenen wird gespielt. So entstehen Texte, die wiederum umgeschrieben oder weitergeschrieben werden können. Wer mitschreiben will, maile an Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam Bots geschützt, du musst Javascript aktivieren, damit du sie sehen kannst und erhalte alle (ALLE!) relevanten Informationen dazu. Lesen? Wir haben eine Schublade voll mit Handgeschriebenem und eine Publikation, also alles analog. (auch hier: eine Email an uns :)

Das hört sich auch nach sehr offenen Strukturen bei euch an.

Wir sind grundsätzlich offen für neue Gesichter und Gehirne, die Lust haben, sich auf unsere Arbeitsweise einzulassen und zu erproben und zu erweitern (auch hier Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam Bots geschützt, du musst Javascript aktivieren, damit du sie sehen kannst ) (Wenn wir überhaupt irgendwas begründen wollen, dann doch eher, warum andere nicht mitmachen können sollten.)

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Unsere Kolumnistin LARA SIELMANN, geboren und aufgewachsen in Berlin, arbeitet als Kulturschaffende und Journalistin in Nürnberg und Berlin. Lara freut sich über themenbezogene Fragen, Anregungen und Tipps – einfach per E-Mail an Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam Bots geschützt, du musst Javascript aktivieren, damit du sie sehen kannst e senden!


Lesungen von Lara ans Herz gelegt:

Lesung + Musik  
BESINNLICHKEITS-PUNK:
SUPPKULTUR PRÄSENTIERT JUAN GUSE

FR, 13.12., 20:00 UHR / BUCHHANDLUNG JAKOB / VVK 10,-
Juan S. Guse hat eines der Bücher geschrieben, die im Jahr 2019 für Aufsehen gesorgt haben. Das liegt nicht nur daran, dass Guses Buch dick ist wie ein SUV-Reifen, es knallt auch noch rein wie eine Plastiktüte voll Uhu. MIAMI PUNK probiert das Szenario: Der Atlantik vor der Küste Miamis hat sich zurückgezogen, die Wirtschaft der Stadt bricht zusammen. Und trotzdem reist eine Gruppe Deutscher Zocker zu einem Counter-Strike-Turnier genau dort hin. Juan Guse hat ein hochkomplexes Gewirr entworfen, das sich auf seiner Intellektualität aber nicht ausruht, sondern sein Szenario immer spielerisch behandelt. Die SuppKultur lädt zur Lesung mit Jazz & Suppe. Bringt Geschenke mit (maximal 3 Euro teuer)!

Lesung + Musik
KUSCHELN MIT WEINEN:
A BLURRED VIEW + CLAUS CARAUT + TOBI T
+ MARKUS MAI (DIE JAPANISCHE CLUBJACKE)
+ DJ MICHAEL (SAD SONGS FOR DIRTY LOVERS)

MI, 18.12., 19:30 UHR / MUZ
Die Programmgruppe der Musikzentrale Nürnberg lädt zum dritten Mal zu Absacken bei Musik, Literatur und warmen Erdbeeren fürs Herz ein. Singer/Songwriter Tobi T. hat Lieder über Kneipe und Alltag im Gepäck. Claus Caraut schreibt und liest Gedichte darüber, morgens aufzuwachen. Markus Mai bricht mit seinem Set oNe laSt daY zu einer Reise durch Neoklassik, Noise und Soundkollagen auf und nimmt uns mit. Post(rock)-Duo A Blurred View verzichtet auf ein großes Spiel, sie erklären in schlichter Manier und intimer Verbundenheit die Trostlosigkeit zum Trost: es geht um innere Distanz, das Weggehen und die Suche, und all die Gegensätze. DJ Michael lädt zur ausgelassenen Tristesse ein. Diese Klänge und Zeilen reihen sich ein in die Vision, die die MUZ-Programmgruppe nun zum 3. Mal Wirklichkeit werden lässt.

Lesung
MAX GOLDT LIEST
SA, 28.12., 20:00 UHR / HUBERTUSSAAL
„Dass Max Goldts Werk sehr komisch ist, weiß ja nun jeder gute Mensch zwischen Passau und Flensburg. Dass es aber, liest man genau, zum am feinsten Gearbeiteten gehört, was unsere Literatur zu bieten hat, dass es wahre Wunder an Eleganz und Poesie enthält und dass sich hinter seinen trügerischen Gedankenfluchten die genaueste Komposition und eine blendend helle moralische Instanz verbergen, entgeht immer noch vielen, die nur auf Lachen und Pointen aus sind. Max Goldt gehört gelesen, gerühmt und ausgezeichnet.“ (Daniel Kehlmann)
Tickets gibt es hier im Shop »


Lesung
ANJA RÜTZEL LIEST AUS „TAKE THAT“
SO. 29.01., 20:00 UHR / Z-BAU
Anja Rützel schreibt für SPIEGEL Online über das Dschungelcamp und andere Phänomene des Trash-TVs, macht Hühnerdressurkurse, sucht für Reisereportagen das Monster von Loch Ness und schreibt Bücher. Im Herbst 2019 erschien mit „Take That“ (KiWi Musikbibliothek) eine Hommage an ihre alte Lieblingsband. 1996 musste Anja Rützel zwei Mal bitterlich weinen: um ihr eingestelltes Lieblingsmagazin Tempo – und um ihre aufgelöste Lieblingsband Take That. Aus ihren Liedern hatte sie alles gelernt, was man über das Suchen und Erfinden der Liebe wissen muss. Aus der Trennung und der glücklichen Wiedervereinigung lernte sie dann alles über Hass und Versöhnung. Und über würdevoll cooles Erwachsenwerden im Pop und anderswo.
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