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Gehört: tiduz. – Milch & Honig

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Kein Bock auf Spargelessen

Mit seiner neuen EP Milch & Honig legt der Wahl-Münchner tiduz. den Finger tief in die klaffenden Wunden der Gesellschaft. Ob als Tagesschau-Moderator im Titel-Track oder mit Liquido auf dem Schützenfest, Lennart Wenner hangelt sich in fünf direkten Ansagen von Alltags-Rassismus und Sexismus zu deutscher Betriebsblindheit, aber auch der eigenen Fehlbarkeit. Den Teppich, auf dem seine reflektierten Bars ins Gehör marschieren, rollt ihm bereits zum zweiten Mal der Beat-Bastler und Sound-Designer MANOO aus. Punktierte System- und Gesellschaftskritik ohne sich selbst von Fehler freizusprechen? Auf Milch & Honig gelingt tiduz. ein spannender Drahtseilakt, der in der Münchner Rap-Szene noch viel zu selten zu hören ist.

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Was es mit dem Titel der EP auf sich hat und wie sich tiduz. selbst wahrnimmt, hat uns er im Kurz-Interview verraten:

Milch & Honig – allein das Cover-Artwork berichtet von einer wesentlich bunteren Welt, als die, von der du auf dieser EP berichtest. Was hat es mit dem Titel auf sich?

Der Großteil der Songs stand eigentlich schon, als ich mich zur EP entschieden habe. Den Track Milch & Honig hatte ich da erst geschrieben, aber die Idee vom geweihten Land, dieses überspitzte Bild, hat mir gut gefallen. Das war griffig und das Cover ist auch extrem bunt und fröhlich, und doch total konträr zu dem, was auf der Platte passiert. Ich mag, dass man sich das Artwork ansieht und eigentlich erstmal etwas komplett anderes erwartet. Das war ein schöner Gegensatz und es ist einfach ein griffiger Titel.

Wer dir ein wenig folgt oder dich sogar schon einmal live gesehen hat, der weiß, dass du auch gerne mal zur Gitarre greifst, aber auch großer Fan von Bands wie den Architects oder Placebo bist. Wie sieht deine musikalische Sozialisation aus?

Meine musikalische Erziehung ist ziemlich konträr zu dem, was dir sonst Leute erzählen. Bei uns im Elternhaus gab es eigentlich gar keine Musik und hat nie eine Rolle gespielt. Das kam eher über Sportvereine. Da wurde ganz viel Iron Maiden gehört, also war ich erstmal  glühender Maiden-Fan und bin es immer noch. (lacht) Anfang der 2000er kam dann Emo-Core bzw. Metal-Core wie Bullet for my Valentine um die Ecke. Das war dann bei uns die Mucke, die wir auch in Bands gespielt haben. Architects, damals noch nicht so krass, aber eben so Metal-Zeug.

Ungewöhnlich aber was hat dich dann doch zum Rap geführt?

Für das Studium musste ich umziehen und dort, wo ich studiert habe, gab es keine Band-Szene. Ich wollte aber unbedingt weiter Musik machen. 2013 habe ich dann angefangen mehr Rap zu hören und dann kam die Frage auf: „Was mach ich jetzt?“ Ich kann nicht singen und habe auch keine Lust, Leute einfach nur auf der Gitarre zu begleiten. Was kann man also allein im Kämmerchen machen? Richtig! Rap-Texte schreiben. Und so bin ich in den Rap reingerutscht. (lacht)

Du bist allerdings nicht mehr ganz allein als tiduz. unterwegs. Sowohl deine letzte EP Der Regen kommt noch (2020) als auch Milch & Honig wurden vom Münchner Sound-Designer MANOO produziert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Kennengelenrt haben MANOO und ich uns bei einem Jam in der Glockenbachwerkstatt. MANOO hat sich damals selbst produziert und wir kamen ins Gespräch. Da habe ich einfach gefragt, ob er einen meiner Tracks produzieren wollen würde. In der Folge haben wir uns immer mal wieder getroffen, irgendwann angefreundet und schließlich letztes Jahr die EP Der Regen kommt noch produziert. Auf dieser guten Zusammenarbeit wollten wir aufbauen und werden wir auch weiterhin.

Also ein fließender kreativer Prozess, den ihr kultiviert habt?

Wir arbeiten getrennt voneinander. Meistens habe ich schon einen Track geschrieben und erkläre ihm dann, was ich mir so vorstelle. Aufgrund dieser Basis probiert er dann einfach rum. Oder er produziert einfach ins Blaue hinein und schickt mir die fertigen Beats. Für Milch & Honig habe ich bis auf einen tatsächlich auch all seine Beats genommen, die er mir geschickt hat. Bei Die Mitte und Liquido wollte ich zum Beispiel unbedingt sofort beide haben. Einer von uns hat also immer etwas und darauf bauen wir auf.

Hört man dir zu, ist man verleitet den Begriff Conscious Rap in den Mund zu nehmen. Du stehst mit einigen Dingen auf Kriegsfuß, seien es Probleme im eigenen Land, aber auch Themen wie Rassismus und Sexismus. Beides auch Themen, die im modernen Rap nur allzu oft zelebriert werden … Willst du einen bewussten Gegenentwurf zu dem schaffen, was in den Charts läuft?

Das passiert ganz unterbewusst. Das will ich mir auch gar nicht anmaßen. Es gibt ja auch viele Rapper/innen, die da wesentlich mehr reinstecken und wesentlich politischer sind. Ich will kein Gegenentwurf sein, aber meine Musik ist eben sehr nah an meiner eigenen Person. Das sind Themen, die mich beschäftigen und Songs darüber zu schreiben, ist eben eine Form des Outlets und der Verarbeitung. Da steckt kein System dahinter. Es wird immer Teil meiner Musik sein, weil es nah an meinem Charakter ist. Aber eine Mission habe ich mir nicht auf die Fahne geschrieben. Im besten Fall machen die politischen Tracks tatsächlich auf die Probleme aufmerksam und weisen auf die Opfer von Sexismus oder Rassismus hin. Das wäre schön.

Ein edles Ansinnen! Seit nun über einem Jahr leben wir in zwangsläufig komischen Zeiten. Wie fühlt sich der Release von Milch & Honig im zweiten Jahr der Pandemie an?

Aufregend ist der Release nach wie vor, aber grundsätzlich ist es etwas unbefriedigend, einfach nur Sachen ins Internet reinzuhauen. Ohne die Möglichkeit, dem etwas folgen zu lassen, wie Auftritte … komisch. Ich liebe es auf der Bühne zu stehen und will auftreten! Da schließe ich mich auch Ed Sheeran an, der meinte, ein Album rauszubringen, ist wie die Visitenkarte, aufgrund der Leute aufs Konzert kommen. Ich hab jetzt meine Visitenkarte abgegeben und würde gerne einen Schritt weiter gehen. Der Prozess ist also durchaus etwas unbefriedigend, aber nichtsdestotrotz ist der Release super spannend für mich!

Mit dem Format einer EP hast du eine vor allem im Rap sehr gängige Release-Taktik gewählt. Kurze Ansagen über einen längeren Zeitraum verteilt: Heißt das, wir kriegen dieses Jahr noch mehr von dir zu hören?

MANOO und ich haben definitiv noch ein paar Songs in der Pipeline, die wir finalisieren werden. Recht zügig wollen wir dann auch nachlegen, aber ich weiß noch nicht, in welchem Format. Ob als EP oder Playlist als konstanten Output über das Jahr? Das weiß ich ich noch nicht, aber wir wollen uns definitiv die Zeit nehmen und in Richtung Album gehen. Das ist der Wunsch von uns beiden.


Gehört: tiduz. Milch & Honig // VÖ: 9. April 2021 > Homepage

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Foto: bonaparte renaissance