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Foto: Boyd Olthoff

Surfing Wolfratshausen e.V.

Knapp 30 Flusskilometer liegen zwischen der Redaktion von curt und Wolfratshausen, der Stadt, die vielen Ausflüglern als Startpunkt von feucht-fröhlichen Floßfahrten dient. Dazu ein wenig Kajakfahren und wilde Ritte auf dem Isarbrettl, damit hätten sich die Wassersportoptionen im Oberland schon erschöpft. Um eine Attraktion reicher soll das Freizeitangebot von Wolfratshausen ab dem Sommer 2019 werden. Zumindest wenn es nach den Mitgliedern vom Verein Surfing Wolfratshausen geht, die sich seit Jahren für den Bau einer Flusswelle starkmachen. Riversurfen auf der Loisach ist der Traum und das Ziel dieser Initiative.

Eingeklemmt zwischen Bundesstraße und S-Bahngleisen fließt ein kurzes Stück Kanal, das Anfang des letzten Jahrhunderts zur Hochwasserregulierung angelegt wurde. Ein gewisses Maß an Fantasie ist schon nötig, um sich vorzustellen, dass hier einmal ein Surfspot entsteht und wagemutige Wellenritte stattfinden. Wie aus einer fixen Idee, getragen von der Liebe und der Sehnsucht nach der perfekten Welle, ein reales Projekt wurde, erzählt uns Steffi Kastner, die erste Vorsitzende von Surfing Wolfratshausen.

Entstanden ist die Idee, als Steffi und Marcus Kastner im Jahr 2010 von München zurück nach Wolfratshausen gezogen sind. „Marcus ist hier geboren und aufgewachsen und hatte früher sein Isarbrettl genau an dieser Stelle im Wasser. Und jedes Mal, wenn wir über diese Brücke und den Kanal gefahren sind, hat er davon angefangen, dass hier der ideale Platz für eine richtige Flusswelle wäre. Was am Eisbach oder an der Floßlände geht, muss doch auch an der Loisach machbar sein“, erinnert sich Steffi. Die folgenden drei Jahre hat sie sich die sehnsüchtigen Blicke ihres Mannes geduldig angeschaut, bis es ihr zu viel wurde. Vom Träumen und Sinnieren alleine ist noch kein Projekt umgesetzt worden. Nun hieß es konkret werden!

surfing wolfratshausen

Zunächst wurden Argumente für eine Flusswelle gesammelt, Wolfratshausen fühlt sich seinem Wasser schließlich sehr verbunden. Die Stadt nennt sich internationale Flößerstadt, das Wappen zeigt drei Wellen und im Veranstaltungskalender findet sich ein eigenes Flussfestival. Gründe genug, dieser Begeisterung für das Wasser eine weitere Attraktion hinzuzufügen.

Im Mai 2013 wurden die Kastners im Rathaus vorstellig und trafen dort auf Gisela Gleißl von der Stabsstelle Tourismus, Wirtschaftsförderung & Innenstadtmanagement, die sich sofort für die Vorschläge interessiert hat.

„Frau Gleißl war für uns ein echter Treffer. Sie war von unserer Begeisterung für das Projekt so angesteckt, dass sie unsere Idee direkt an den Bürgermeister weitergetragen hat. Spätestens hier hätten wir uns nicht gewundert, wenn wir eine freundliche Absage erhalten hätten“, blickt Steffi zurück. „Aber das Gegenteil war der Fall. So wie in den ganzen Jahren hatten wir immer Glück, zum richtigen Zeitpunkt auf interessierte Menschen zu treffen, die unser Vorhaben einen Schritt weiter gebracht haben.“

Für das Ehepaar hieß es nun, die richtigen Kontakte zu knüpfen und das Projekt auf den Weg zu bringen. Nach einem persönlichen Gespräch mit dem Bürgermeister folgte ein motivierender Vortrag vor einem Stadtratsausschuss, der einstimmig in „Let’s go surfing W’hausen“ gipfelte.

„Ein weiterer Meilenstein war das Zusammentreffen mit Professor Aufleger von der Hochschule Innsbruck. Wir haben den Professor beim ersten Münchner Flusswellenforum im Herbst 2013 kennengelernt. Dass es so etwas überhaupt gibt – ein Forum, auf dem es ausschließlich um den Bau von risikoarmen Wellen in Flüssen geht –, haben wir durch Zufall über die Eisbachconnection erfahren. Der Lehrstuhl von Prof. Aufleger beschäftigt sich mit dem Bau von Flusswellen.

Neben der technischen Umsetzung erstellen die Innsbrucker auch Machbarkeitsstudien. Und eine solche wurde vom Stadtrat für die Loisach in Auftrag gegeben.“ Und während die Experten an ihrem Gutachten werkelten, gab es für die Surffreunde eine weitere harte Nuss zu knacken. Die Welle soll in einem Kanal eingebaut werden, der ein kleines Kraftwerk mit Wasser versorgt. Es galt, den Kraftwerksbetreiber ins Boot zu holen und einen Kompromiss zu finden, dass Surfbetrieb und Stromerzeugung parallel laufen können. „Diese Gespräche zogen sich viele Monate hin und hier gab es schon hin und wieder zarte Zweifel, ob diese Idee überhaupt realisierbar ist“, erinnert sich Steffi, „aber es ging stets irgendwie weiter. Besonders hier hat unsdie Expertise von Herrn Aufleger die nötige Überzeugungskraft gegeben,sodass wir auch diesen Partner mit auf unser Brett holen konnten!“

Wie sah es denn mit weiteren Mitstreitern aus und gibt es denn mehr surfinteressierte Wolfratshauser? „Richtig, bislang lief das meiste über uns. Wir sind immer wieder angesprochen worden, entweder von Surfern oder von Leuten aus der Stadt, die in der Zeitung über uns gelesen haben. Aber wir wollten den Kreis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausweiten. Wir standen ja immer noch ganz am Anfang. Was, wenn plötzlich doch alles platzt?“ Die Verantwortlichen der Stadt wollten es nun doch genauer wissen und forderten die Wellenreiter auf, durch eine Umfrage die Akzeptanz in der Bevölkerung zu ermitteln.

„Uns war klar, dass wir mehr als zwei Surfin’ Birds an den Start bringen müssen, wenn wir irgendwann in unserer Stadt surfen wollen. Via Facebook informieren wir seit Mai 2014 über den Fortgang des Projekts und als im Mai 2015 der Auftrag für die Befragung an uns rausging, war für uns der ideale Zeitpunkt gekommen, das Team breiter aufzustellen.“ Ein buntes Völkchen aus kreativen Köpfen, begeisterten Wassersportlern und Menschen, die Bock auf ein innovatives Freizeitangebot haben, machte sich an die Arbeit. Eine PR-Kampagne für die Umfrage musste an den Start, professionelle Fotos wurden geschossen, Texte verfasst, Flyer gedruckt und eine Homepage gebaut. „Das Feedback auf die komplette Aktion plus die sensationelle Beteiligung an der Befragung hat uns nochmal so richtig gepusht. Nach Auswertung der knapp 3.000 eingegangenen Umfragebögen war uns klar:

’Hausen ist heiß auf die Welle.“

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Noch einmal gute Nerven musste das Team im Spätherbst 2016 aufbringen. Erneut musste der Stadtrat eine Entscheidung treffen und es wurde konkret. Eine Kalkulation mit verschiedenen Finanzierungskonzepten lag auf dem Tisch. „Als die Entscheidung deutlich pro Welle ausfiel, waren wir schon sehr erleichtert. Was ein geiles Gefühl.“ Und trotzdem ist von einer Welle auf dem Loisachkanal noch keine Schaumkrone zu sehen. Bislang waren alle Beteiligten ehrenamtlich tätig, aber Baufirmen lassen sich nicht mit Enthusiasmus bezahlen. Neben einer finanziellen Beteiligung der Stadt sollen durch EU-Fördergelder sowie eine Eigenbeteiligung der Initiatoren die Baukosten gedeckt werden. Mit der Gründung des Vereins gibt sich Surfing Wolfratshausen einen offiziellen Rahmen und startete eine Crowdfunding- und Spendenkampagne.

Langweilig wird es also nicht, bestätigt Steffi: „Wenn du mirvor fünf Jahren gesagt hättest, dass ich einmal die erste Vorsitzende eines Vereins sein werde, der aus dem Stand heraus den Wert zweier Mittelklasseautos aufbringen muss, dann hätte ich dich für bekloppt gehalten. Rückblickend ist es gut, dass viele Dinge so lange gedauert haben, wir alle gemeinsam in die Sache hineinwachsen konnten. Es steckt viel Arbeit in dem Projekt und nach wie vor besteht die Gefahr, dass wir einen Nackenschlag bekommen und es keine Welle geben wird. Aber daran denken wir alle nicht. Von unserer Seite tun wir alles, damit wir unsere Teile der Abmachungen erfüllen. Wir haben das Crowdfundingziel fristgerecht erreicht. Wahnsinn, vielen Dank an alle Unterstützer.“

Der Verein besteht aktuell aus 12 Leuten und bereitet sich mit der Unterstützung eines Rechtsanwalts auf die Umsetzungsphase des Projekts vor. Eine kleine Charmeoffensive ist noch bei einigen der Anwohner zu starten, die nicht von der Idee begeistert sind, Leben an den Kanal zu bringen. „Lärm, Müll, Parkplätze, Sicherheit und die ein oder anderen Bedenken der Anwohner, damit setzen wir uns nun auseinander. Der Zugang zur Welle wird nicht 24 Stunden an sieben Tagen möglich sein. Wir haben die Auflage, die Welle nur zu bestimmten Zeiten laufen zu lassen. Hier kommt wieder das patentierte Konstrukt von Professor Aufleger ins Spiel. Die Welle kann manuell ein- und ausgeschaltet werden. Auch wird es eine Aufsicht geben, die wir vom Verein garantieren müssen. Aber das sind alles Dinge, um die wir uns im Laufe dieses Jahres kümmern werden. Zunächst warten wir mit Spannung darauf, dass das Genehmigungsverfahren endlich grünes Licht gibt und die Vorbereitung für die Baumaßnahmen im Kanal in Auftrag gegeben werden können.“

Kurz nach unserem Gespräch kam die Meldung, dass sowohl der Förderantrag genehmigt wurde und eine weitere Präsentation im Stadtrat positiven Anklang gefunden hat. Das Ziel, im Sommer 2019 dem Beach-Boys-Klassiker die Zeile „Everybody’s gone surfin’ – Surfin’ Wolfratshausen“ hinzufügen zu können, ist also greifbar nahe.

www.surfing-wolfratshausen.de

Dieser Artikel ist in unserem Magazin #89 erschienen.
Fotos: Boys Olthoff