Glanz, Gesocks & Gloria
Glanz, Gesocks & Gloria

Kino: Glanz, Gesocks & Gloria

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Schonmal von Glanzshorts geträumt? Nein? Dann spätestens jetzt! Mit Glanz, Gesocks & Gloria legt der Fotograf und Filmemacher Gerrit Starczewski den zweiten B-Movie über seine Pottoriginale vor. Zwischen Currywurst, Ballonseide und Ruhrpott-Slang entfacht der laut eigenem Bekunden „beste schlechteste Film aller Zeiten“ dabei eine Leidenschaft für eben jene Originale sowie das alternative deutsche Kino. Ein Kino, das man viel zu selten auf der großen Leinwand erleben darf und welches es jetzt mit viel Charme und Wahnwitz in ausgesuchten Kinos sowie auf DVD zu bestaunen gibt.

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Mit rund zwei Stunden Laufzeit kann es sich kein Film erlauben, ohne einen roten Faden anzulaufen. Doch dank einprägsamer Bilder, dem Draufhalten auf das Kuriose und einer irrwitzigen Idee, entwickelt Glanz, Gesocks & Gloria eine ganz eigene Energie. Gerrit Starczewski, der mit Pottoriginale schon seit einiger Zeit im Netz aktiv ist und 2017 bereits einen ersten augenzwinkernden Roadmovie geschaffen hat, gelingt auch hier eine Punktlandung. Auch sein neuer B-Movie wirkt wie ein spiritueller Nachfolger von Kult-Filmen wie Bang, Boom, Bang.  Dabei kommt er ganz ohne die immer gleichgesichtige deutsche Schauspielriege aus Schweiger, Ferres und Schweighöfer aus. Glanz, Gesocks & Gloria, das sind zwei Stunden Hardcore, echte Gefühle, frei nach Jochen Nickel, vollgepackt mit liebenswert chaotischen Charakteren.

Mit Hochkultur hat dieser Film wenig zu tun, aber das ist auch gut so. Neben massenweiser Originale wie VFL Jesus, Tankwart A.D. und den Westfalia-Herne-Fanatiker B.A. und vielen weiteren Unikaten aus dem Pott weiß der Film mit einem Soundtrack zwischen DJ Hell, Die Selektion und rund 40 weiteren Songs zu überzeugen. Spätestens wenn DJ Hell höchstpersönlich als abgehalfterter Schlagersänger Helmut auf den Plan tritt und die als Next Big Thing gehandelte Sofia Portanet mit ihrem Auftritt in einer örtlichen Dönerbude gefeiert wird, wird klar, dass Regisseur Gerrit Starczewski sich seine Sporen schon vor vielen Jahren in der Musikbranche verdient hat und ihr auf seine ganz eigene Art Respekt zollt. Ja, sogar ein wenig Mod-Kultur und Thrash-Metal haben es in den Film geschafft.

Respekt ist aber auch ein gutes Stichwort, denn Starczewski ist sich seiner Verantwortung als Fan und Menschenkenner bewusst. Glanz, Gesocks & Gloria biegt nicht als trashiger Asi-Voyeurismus um die Ecke, vielmehr nimmt sich der Pottoriginale-Film Zeit für seine Charaktere, die er in die abgefahrensten Szenen schmeißt. Vieles davon ist sogar improvisiert. Da wird entführt und ermordet, da werden Kutten geklaut, Musik-Karrieren aufgebaut und in Supermärkten für Ekstase gesorgt. Und obwohl der Film fast gänzlich durch Laiendarsteller besticht, wartet er mit einer der beklemmenden Mordszenen der letzten Jahre auf. Respekt und eine kleine Standing Ovation an Markus Claus, der mit seinem Faible für Glanzshorts für reichlich Gänsehaut sorgt. Grandios!

Schauwerte hat Glanz, Gesocks & Gloria trotz zweckmäßiger Story ebenfalls einige zu bieten. Gerade, wenn zwei befeindete lokale Fußballclubs zum Duell antreten, die Emotionen, Torschüsse und Fanrituale aufeinander treffen, wirkt der Film trotz turbulenter Dreharbeiten teilweise direkt cineastisch. Doch man muss bei weitem kein Fußball-, geschweige den VFL Bochum-Fan sein, um die Pottoriginale ins Herz zu schließen. Es ist auch die Liebe des Regisseurs zum-B Kino ohne jegliche Förderfonds, die Glanz, Gesocks & Gloria so frei, zeitlos und ehrlich macht. Denn von Schauspielern, die kamen und gingen, Dreharbeiten während einer globalen Pandemie und von Rechtsstreitereien kann Gerrit Starczewski ein Lied singen. So wie die großen Regisseure in Hollywood auch, nur dass die eher selten auf einer laufenden Kino-Tour samt Darstellern im Gepäck frei Schanze und mit goldenen Stiefeletten von all dem Wahnsinn hinter den Kulissen berichten. Karten für einige wenige Termine der großen Glanz, Gesocks & Gloria-Tour in ausgewählten Kinos sind sogar noch zu haben.

Fazit: So wie der Nutri-Score einer Currywurst gen Null tendiert, so auch der Anspruch von Glanz, Gesocks & Gloria. Aber ebenso wie der zum Kraftriegel der Nation auserkorene Imbiss lässt einen dieser Film mit einem breiten Grinsen zurück! Ein Grinsen gegen die Hochnäsigkeit der Hochkultur, aber mit einem großen Applaus für Lokalkolorit, Individualismus und einem Plädoyer für unbekümmertes deutsches Kino ohne bräsige Filmförderungen. Schön, dass es sowas noch geben darf!


Im Kino: Glanz, Gesocks & Gloria // Regie: Gerrit Starzszewski; Darsteller: Tankwart a.D., VFL Jesus, DJ Hell, Klaus Fiehe, Sofia Portanet, Martin Claus, u.v.m // Kinostart: 23. September 2022 // Homepage

Live:
12.11.22 – Karlsruhe, Schauburg
17.11.22 – Wesel, Scala
20.11.22 – Braunschweig, Universum Filmtheater
26.11.22 – Bochum, Metropolis
03.12.22 – Hannover, Apollo Kino
08.12.22 – Essen, Autokino Essen
19.01.23 – Gelsenkirchen, Schauburg