On the road with: Black Rebel Motorcycle Club

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„If you are lucky and people forgive you for your sloppy ways sometimes you can surround yourself with not just good people, but the right people. Howling hearts bent on living outside of society and the need for speed. Stop saying you’re sorry, cause people like you and I are already sorry enough. Kick, fuck, roll!“  iAN Ottaway

Nicht viele Bands können sich einen Philosophen leisten, und noch wenigere dürften einen zu ihren Freunden zählen können. Doch iAN begleitet seine Freunde bereits seit 20 Jahren nimmermüde, stets on the road und die Zunge spitzer als sein Bleistift. Black Rebel Motorcycle Club, the band that broke the floor, befinden sich derzeit mit ihrem nunmehr achten Studioalbum auf ausgedehnter Europa-Tour. Nachdem Peter Hayes, Robert Levon Been und Leah Shapiro erst vergangenen Herbst eine nahezu ausverkaufte Tournee auf die Bretter gestellt haben, sind sie nach kurzem Heimspiel im Vorprogramm von Depeche Mode wieder zurück auf dem europäischen Festland. Der Festival-Sommer ist in vollem Gang und führt die Band über Russland, die Ukraine, das Hurricane und Southside Festival, das Maifeld Derby und Barcelona bis nach Schottland, ehe ihre „Wrong Creatures“ vorerst gebändigt sind.

Einst als Indie-Sensation gefeiert, steht ihr Acid-getränkter Fuzz-Rock heute unter anderem auch für Americana-geschwängerte Folk-Einlagen und verzerrte Lo-Fi-Exzesse. Ihre Songs erzählen von Eskapismus und inneren Tumulten, stets getrieben von den eigenen Dämonen und garniert mit einzigartigem Instrumenten-Handwerk. Die Farbe Schwarz hat die Band aus der Bay Area selbstverständlich zu ihrem Markenzeichen gemacht, doch anstatt alles in ihr zu ertränken, dient sie vielmehr als Projektionsfläche für die Fans, die Abend für Abend vor den Hallen stehen.

Und so treten wir ein in die Welt des Black Rebel Motorcycle Clubs. Unser Weg hinter der großen Rock-Show führt uns vorbei an monolithisch aufgebauten Verstärker-Wänden und einer Rock’n’Roll-Armory aus Vintage- und Bass-Gitarren. Auf dem engen Gang zum Backstage begegnen wir Guitar-Tech Micah Creel, der zusammen mit Peter Hayes eine Operation am offenen Herzen der legendären roten Gibson SG vollzieht. Hinter der Tür, die der bekannte schwarze Totenkopf ziert, verraten uns die Worte „Band & Crew“, wo zumindest für heute ihr zweites Zuhause ist.

Und so treffen ein paar Bier auf etwas Catering, ehe sich neben kaltem Zigarettenrauch auch ein wenig Nervosität breitmacht. Das Lampenfieber ist selbst im 20. Bandjahr nicht vorüber, verrät uns Peter und Drummerin Leah trommelt sich währenddessen mit konzentrierten Knopfaugen am kleinen Beistelltischchen warm. Zusammen mit Robert Levon Been bilden Leah und Peter die Einheit, die diese Band durch viele Tiefen und Höhen hat marschieren lassen. Es ist jener Black Rebel Motorcycle Club, zu dem neben der Road-Crew auch Freunde wie iAN und an Abenden wie diesen auch wir gehören.

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Nach dem ausladenden Soundcheck, der stets zu einer Art Privatkonzert für all diejenigen wird, die das Glück haben, lauschen zu dürfen, treffen wir im Tourbus auf Robert, teilen ein kühles Getränk und die Leidenschaft für Musik:

Robert, time flies, und euer neues Album ist schon wieder eine ganze Weile da draußen …
Wahnsinn, ja. Man macht es aber auch nie richtig, oder? Entweder es ist brandneu und noch nicht veröffentlicht oder schon wieder uralt. (lacht)

Was für ein Resümee ziehst du bisher? Lief alles nach Plan?
Es läuft natürlich immer alles nach Plan … absolut keine Beschwerden. Nein, ich weiß nicht, ich könnte mich über tausend kleine Dinge aufregen, insofern ist die Frage tatsächlich endlos zu beantworten.

Dann lass es mich anders formulieren: Hast du immer noch dieses Gefühl der Aufregung wie bei, sagen wir, der zweiten Platte? Gibt es da noch Dinge, die dich weiterhin um den Schlaf bringen?
Oh, das ist natürlich was anderes. Aber ich habe da diese Schubladen im Kopf. Jetzt gerade habe ich mein Performance- und Tour-Hirn ausgepackt. Und das weiß nicht, oder sollte vielleicht auch gar nicht erst wissen, was das andere denkt. Insofern behalte ich das alles gut und sicher aufbewahrt und kann jetzt voller Vorfreude sein. Auf diese Weise behindere ich mich nicht weiter. Und es ist auch einfach das Großartigste, live zu spielen und Musik so weit wie möglich ausdehnen zu können. Wir kommen gerade aus Russland und der Ukraine, wo wir noch nicht oft waren. Das war definitiv sehr aufregend für uns. Vor allem in Zeiten, in denen die meisten Menschen nur noch über ihr Smartphone mit Musik connecten.

Jetzt, da du es sagst: „Wrong Creatures“ wurde vor Kurzem erst in einem exklusiven Box-Set veröffentlicht. Darin befindet sich auch eine kleine schwarze Kassette mit unveröffentlichten Songs. Ohne Cover und ohne Tracklist ist diese Kassette wohl die puristischste Form, heutzutage Musik zu veröffentlichen. War das die Idee dahinter?
Die Kassette ist so schwarz, wie sie nur sein kann. Nein, uns wurde gesagt, wir hätten zu viele Songs für ein Album, weil wir einfach nicht aufgehört haben aufzunehmen. Deswegen mussten wir ein paar unserer liebsten Kinderlein vernachlässigen. Die Entscheidung, welches wir behalten und welches wir weggeben sollen, war wirklich schwer. Und, glaub mir, das waren keine hässlichen oder verzogenen Kinder … wir lieben sie alle! (lacht) Aber zu dieser Zeit wollten wir sie nicht einfach als losgelöste B-Sides veröffentlichen. Deswegen haben wir sie in ein ganz besonderes Waisenhaus gegeben oder besser gesagt: in kleine, unbeschriftete Gräber gebettet. Oh Gott, das klingt furchtbar! Nein, ich hoffe, dass sie eines Tages auferstehen und ihr Eigenleben entwickeln. Wir werden sehen …

Immerhin habt ihr dafür gesorgt, dass ich meinen alten Sony Walkman wieder habe auferstehen lassen. Ich musste ihn sogar erst reparieren, um die Songs überhaupt abspielen zu können.
Das war meine Hoffnung, dass die Leute sich wieder etwas mehr mit der Musik beschäftigen. War es denn die Mühe wert? Ich denke, sie ist es, einfach weil wir an diesen Songs genauso lange gearbeitet haben wie an denen, die es am Ende auf das Album geschafft haben. Die Tracks sind wirklich etwas Besonderes und ich hoffe, wir können sie auch irgendwann in unser Live-Set integrieren. Mit „Bandung Hum“ ist uns das ja bei der ersten Tourphase schon gelungen. Die Songs sind sehr treibend und eher aggressiver Rock’n’Roll, der so einfach nicht ganz auf das Album gepasst hat. Es macht also wirklich Sinn, euch mithilfe dieses Tapes zwei Welten, zwei völlig unterschiedliche Settings, zu präsentieren.

Ich denke auch, zumal die Aggressivität dieser Extra-Songs sehr gut zur Art ihrer Veröffentlichung passt. Aber lass uns doch bei der Farbe Schwarz bleiben und zu eurem Bandnamen kommen. Der besteht aus vier interessanten Komponenten: der Farbe Schwarz, klar, einer gewissen Art Rebellentum, Motorrädern als Zeichen von Freiheit und einem bestimmten Lifestyle sowie dem Club, dem Kollektiv. Was bedeutet der Name für dich und hat sich seine Bedeutung im Laufe der Jahre geändert?
Wir waren damals sehr verwundert, dass sich noch niemand diesen Namen, der ja eigentlich einem Marlon-Brando-Film entliehen ist, zugelegt hat. Der zweite Gedanke war, ob wir das wirklich so durchziehen können. Es ist ja nicht wirklich das, wonach wir am Ende klingen, und die meisten Leute werden sicher erstmal schmunzeln. Der Name klingt schon sehr heavy und ist bildlich sehr aufgeladen. Jedenfalls projizieren die Leute da draußen sehr viel rein. Insofern mussten wir uns selbst ein wenig abhärten, um dem Shitstorm, der über uns hereinbrach, etwas entgegensetzen zu können. Keiner von uns ist damals Motorrad gefahren und so viele Lederjacken haben wir auch nicht wirklich im Schrank … (lacht) Das waren alles kleine Schritte. Kann man bei drei Leuten überhaupt von einem Club sprechen?

Drei sind schon ’ne Party!
Okay! Auf jeden Fall war das alles eher ironisch gemeint. Vielleicht werden wir auch selbst mal Opfer unserer eigenen Ironie. Selbst schuld, oder? Aber jetzt fahren wir alle Motorrad, tragen Lederjacken und bringen auch noch schwarze Kassetten raus. The joke’s on us, würd ich sagen.

Jedenfalls seid ihr nicht gerade unschuldig daran, dass ich hier mit einer Lederjacke vor dir sitze.
Und du reparierst Kassettenrekorder.

Ihr spielt alle drei nicht nur in eurer eigenen Band. Peter war mit The Brain Jonestown Massacre auf Tour, Leah wiederum saß bei Dead Combo und The Raveonettes hinter den Drums. Du selbst bist derzeit im Fahrwasser der Dandy Warhols unterwegs und auf der neuen Single von Pete’s International Airport zu hören, hast aber auch auf dem Album der Night Beats mitgeholfen. Genießt ihr diese Ausflüge und sucht ihr aktiv nach diesen Projekten?
Wenn sich etwas ergibt, etwas Cooles, dann auf jeden Fall. Ich weiß noch, als Pete mir diesen Song vorspielte und ich sofort Ideen dazu hatte. Das Ding lief also komplett von selbst und die Grundidee war bereits da. Das war sehr inspirierend und ich freue mich sehr, dass ich genau bei diesem Song aushelfen konnte. Es hat einfach alles gestimmt und es wäre eine Schande gewesen, wenn ich zu faul gewesen wäre, mir etwas einfallen zu lassen. Aber irgendwo zwischen zu faul und inspiriert landet die Kunst ja immer. Wirklich gute Dinge brauchen sehr oft ziemlich viel Zeit und meistens sind es die letzten Meter, die eine Idee am Ende doch scheitern lassen. An sich fängt alles im Spaß an, genauso wie bei den Night Beats, woraus schließlich doch ein ganzes Album entstanden ist. Das ging alles sehr schnell und hat sich wie ein Schneeball einfach selbstständig gemacht. Auf diese Weise gibt es ziemlich viele Dinge, die mein Interesse wecken, und manchmal ist es wie eine Game-Show, bei der du einen Track in 30 Stunden schreiben musst. Entweder du gewinnst oder du verlierst.

Ihr wart unlängst mit einem ganz schönen Schwergewicht auf Tour: Depeche Mode. Seit fast 20 Jahren seid ihr selbst unterwegs und für manch einen zu Idolen geworden. Ist euch das bewusst, wenn ihr die Leute vor euren Shows Schlange stehen seht?
Puh, ja und nein. Es gibt nicht viele Leute, die diese Wirkung auf mich haben, und das soll jetzt nicht hochnäsig klingen. People are people, im wahrsten Sinne, aber David Gahan ist vom anderen Stern. Manche Menschen haben einfach diese Energie und dieses Image, dieses Mysterium, das über Jahre gewachsen ist. Bei ihm scheint das ein Stück weit Realität zu sein. Es gibt Leute, die sind einfach anders. Iggy Pop ist anders als die meisten Menschen. Neil Young … Es gibt Menschen, die dich einfach überrumpeln. Und da steht er, mit Gel in den Haaren und glitzernden Schuhen, wie Dorothy aus Der Zauberer von Oz mit einem schwarzen Nick-Cave-Anzug. Allein das erwischt einen einfach eiskalt und er ist unheimlich cool dabei. Von innen wie von außen.

Gibt es da etwas, was du noch von ihnen lernen konntest?
Von Bands, die in Arenen spielen, nehme ich immer eine negative Sache mit: Ich hasse Arenas. Es fühlt sich dort einfach nicht wie Rock’n’Roll an. Es wirkt unnahbar und einfach grässlich. Aber es ist wie bei Invasion of the Body Snatchers: Egal, ob die Mädels vom Catering, die Leute am Merch, einfach jeder wird Teil dieses großen Produkts. Und vermutlich würde uns das, wenn wir nur lange genug mitmachen, auch passieren. Aber das Beste an Depeche Mode war Davids grundehrlicher und freier Geist. Schon fast ein bisschen verrückt. Backstage war er auf eine fast religiöse Art und Weise in seiner eigenen Welt. Die Aliens haben noch nicht Besitz von ihm ergriffen und er ist ganz und gar kein Roboter. Das hat mir imponiert und ich habe ihm dabei gern zugesehen. Er macht das schon so viel länger als wir und sie haben ihn einfach noch nicht erwischt. Es ist also möglich.

Was ist eigentlich das Beste an Black Rebel Motorcycle Club?
Puh, in diesem Moment? Ich meine, wir hatten gestern frei und ich fühle mich heute wesentlich besser als die ganze Woche. (lacht) Aber ja, wir haben verdammt viel Glück, was die Leute angeht, mit denen wir arbeiten. Das sind wirklich gute Leute, die uns unterstützen. Und ich muss sagen, dass ich das mittlerweile viel mehr wertschätzen kann. Im Laufe der Jahre ist man wirklich nur so gut, wie die Leute um einen herum. Das macht vieles einfacher. Tatsächlich habe ich mich früher sehr oft bedankt, auch auf der Bühne, aber es nicht wirklich ernst gemeint. Ich habe das früher alles nicht verstanden, aber nachdem man selbst an seine Grenzen gekommen ist und die Dinge auf die harte Tour lernen musste, weiß ich es wirklich zu schätzen. Es klingt wieder richtig, Danke zu sagen. Das ist das eine. Auf der anderen Seite sind es die Songs, die wir spielen dürfen. Wir waren ja schon vor Release auf Tour und jetzt die Chance zu haben, wiederzukommen und diese Songs noch besser zu machen, ist ein Privileg. Ich finde, es wird immer besser und dafür bin ich dankbar. Ich genieße es aber auch allgemein sehr, nicht mehr so viel nachzudenken wie früher. Es wird immer schöner, komplett in der Musik zu verschwinden.

Ein wunderbares Fazit.
Wir sehen uns im Dunkeln!

Und wie jeden Abend spielen Black Rebel Motorcycle Club auch hier sämtliche verschränkte Arme frei und genießen zusammen mit einem Mal hüpfenden, mal träumenden Publikum das Bad in rohen Emotionen, Sehnsucht und einem unverkennbaren Spirit. Und noch lange stehen wir zusammen mit iAN, der Vorband Fremmant und anderen „right people“ leicht angetrunken vor dem Tourbus und schwelgen in Erinnerungen an flackerndes weißes Licht, langsam ausklingende Dissonanz und der Frage, die diese Band bereits 2001 hat unsterblich werden lassen: „Whatever happened to my Rock‘n‘Roll?“

Well, it just happened!

Fotos: André Habermann / NEØLYD > Homepage

Interview: Tim Brügmann > Homepage