Kreator curt München

Gehört: Kreator

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Kreator aus Essen, Jahrgang 1982, sind zweifelsohne die führende Band der deutschen Thrash-Metal Szene – wahrscheinlich sogar der gesamten europäischen. Gemeinsam mit Sodom und Destruction gelten sie als das Dreigestirn des Teutonic Thrash. Ist man großzügig und kratzt die Frankfurter Appler-Vernichtungsmaschinen von Tankard dazu, hätte man ein Pendant zu den amerikanischen Big 4 am Start. Und ähnlich wie bei Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax lässt sich bei unseren Jungs ein gewisses Gefälle erkennen. Haben sich Kreator mit Beharrlichkeit und Mut zur Veränderung an die Spitze der Szene gespielt und können derzeit locker jedes Festival headlinen, lebt der Rest mehr oder wenig von der Vergangenheit.

Sodoms Tom Angelripper hat mal eben die komplette Mannschaft ausgewechselt und den 1990 ausgestiegenen Frank Blackfire reaktiviert. Destruction spielen im Rahmen der Thrash-Anthem-Serie ihre alten Songs neu ein und Tankard haben sich in ihrem Dasein als „Vaddi geht doch Schuften“-Wochenendband ganz gut arrangiert.

Da bleibt es letztlich an Miland „Mille“ Petrozza hängen, die Flag of Hate steil in den Wind zu stellen und kontinuierlich weiterzuknüppeln. Im Jahr 36 des Bestehens sei ihnen eine kleine Zäsur mit dem verklärten Blick zurück gegönnt. Nachdem vor Kurzem die Scheiben aus den 1980er-Jahren remastered wiederveröffentlicht wurden, sind nun die 90er dran. Wir haben es hier mit den Überarbeitungen der vier Alben von Coma of Souls bis Outcast zu tun. Leider steht mir zur Rezension nur das digitale Datenpaket zur Verfügung, daher kann ich über die optische und haptische Wertigkeit des Endprodukts nichts sagen. Vom Sound her gibt es natürlich keinen Rückschritt. Eher das Gegenteil ist der Fall. Es knallt einfach noch mehr. Dazu wurden die Scheiben um diverse Songs ergänzt.

Coma of Souls ist das bis heute meistverkaufte Album der Band. Truer Thrash auf höchstem Niveau. Damals wie heute! Als Bonus hat die Wiederveröffentlichung das komplette Nikolaus-Konzert vom 06.12.1990 (6+6+6) aus Fürth spendiert bekommen. 16 Mal die Abrissbirne. Ohne Miley Cyrus, dafür mit Drum-Solo.

Renewal, Original aus dem Jahr 1992, wurde um schlanke 3 Songs ergänzt. Das Album war nach „Coma of Souls“ schwer verdaulich für die Kuttenträger von Sylt bis Garmisch. Zu modern und trendig war es für viele Dosenbierliebhaber. Den Klopper „Winter Martyrium“ gibt es als Rare Version, „Europe After The Rain“ im Remix und „Trauma“ ist ein bislang unbekanntes Stückt. Die Geschichte von Kreator geht an dieser Stelle zweigeteilt weiter.

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Wir schreiben das Jahr 1995. Thrash Metal ist immer noch in der Versenkung. Industrial und Hardcore erweisen sich als auch nicht wirklich glücklich machend. Die Band hat mit G.U.N. Records eine neue Heimat gefunden und auch stilistisch orientiert man sich wieder ein wenig mehr hin zu den alten Tagen. Cause For Conflict hing damals ein wenig zwischen den Stühlen. Für die alten Hasen immer noch zu experimentell, war es für die jungen Kopfsockenträger nicht mehr getriggert genug. Wobei für mich nur der Übersong „Catholic Despot“ mit seiner rasenden Geschwindigkeit in Erinnerung geblieben ist. Hier gibt es für treue Käufer übrigens drei neue Songs als Bonus on top.

Ähnlich raus aus dem Fokus ist das 8. Studioalbum der Ruhrpöttler. Outcast ist deutlich ruhiger gehalten und enthält einige Midtempostücke. Neu an der Gitarre ist Tommy Vetterli von den Schweizer Technothrashern Coroner. Vielleicht war man damals ein wenig in Ehrfurcht erstarrt vor den Fähigkeiten des neuen Kollegen, denn bis auf „Phobia“ zündet auch heute keiner der Songs so richtig. In Ansätzen lässt sich zwar schon erkennen, was Kreator in Zukunft gerne ausprobieren wollen in Sachen Groove und kompositorischen Flow. Aber 1997 ist man noch nicht so weit. Als Gimmick gibt es einen Mitschnitt des Konzerts vom Dynamo Open Air 1998.

Damit wäre die Geschichte von Kreator aus den 90ern so gut wie nacherzählt. Sicherlich gehört dieses Jahrzehnt nicht zu den stärksten der Band, aber ohne diese vermeintliche Delle hätten sich die Herrschaften vielleicht nie zu neuen Höhen aufgeschwungen. Und – jetzt kann ich es auch sagen – einen geileren Song wie „Winter Martyrium“ haben Kreator bis heute nicht geschrieben.


Kreator – Coma Of Soul / Renewal /  Cause For Conflict / Outcast – Wiederveröffentlichung // ADA / Warner //  VÖ: 23.02.2018 // Homepage