Im Kino: Vakuum

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35 Jahre sind Meredith (Barbara Auer) und André (Robert Hunger-Bühler) nun schon bald miteinander verheiratet, die Vorbereitungen für die Feier laufen schon auf Hochtouren. Und bisher waren sie auch sehr glücklich. So dachte Meredith zumindest. Doch dann erfährt sie bei einer Routineuntersuchung vor einer Blutspende, dass sie HIV-positiv ist. Nachdem sie zuerst das Ergebnis kategorisch ablehnt und von einem Fehler ausgeht, muss sie sich eingestehen, dass sie nur über André den Virus bekommen haben kann. Aber wie kann das sein? War ihre Ehe eine Lüge? Und wie soll sie mit dieser Krankheit in Zukunft leben?

Viel größer hätte der Kontrast wohl kaum sein können. Nachdem Christine Repond in ihrem Debüt „Silberwald“ von einem rebellischen Teenager erzählte, wendet sie sich hier einem Paar jenseits der 60 zu. Wo die eine am Anfang ihres Lebens stand, da geht es bei Meredith und André um das Ende einer Beziehung. Denn eines ist klar: Die Erkenntnis, vom eigenen Mann betrogen worden zu sein, das markiert einen Einschnitt, nach dem es kein einfaches „weiter so“ geben kann. Aber einfach trennen, nach 35 Jahren? Geht das? Und was genau bleibt von einem, nachdem man sein Leben mit jemand anderem geteilt hat? Das sind einige der Fragen, die Repond hier stellt, mal direkt in Form von Dialogen. Vieles läuft aber auch nonverbal ab. Denn letztendlich weiß keiner hier so recht, was er sagen oder tun soll.

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Ohnehin ist das mit der Kommunikation so eine Sache. „Vakuum“, das ist auch die Geschichte einer Sprachlosigkeit. Wenn André außerhalb der Ehe Sex gesucht hat, dann hat das sicher mit nicht klar kommunizierten Wünschen zu tun. Vielleicht auch nicht klar erkannten, Repond gibt darauf keine eindeutige Antwort. Das wird für manche ein Manko des Dramas sein, vieles wird letztendlich nicht genau erklärt. Es fehlt die erlösende Erkenntnis, was genau vorher falsch gelaufen ist. Denn eigentlich, der Film zeigt das mehrfach, lieben sie sich aufrichtig, begehren sich auch noch.

Das ist durchaus mutig: Wenn zwei Menschen im fortgeschrittenen Alter vor laufender Kamera Sex haben, dann ist das ein in Filmen nur selten gezeigter Anblick. Es entspricht ja auch nicht unserem jugendlichen Schönheitsideal: ein bisschen zu dick, zu faltig, zu haarig. Das will doch keiner sehen! Aber Repond zeigt es trotzdem, schaut trotzdem hin, mutet dem Publikum eine Direktheit zu, die einem Respekt abfordert. Das ist gerade auch der beiden Hauptdarsteller wegen sehenswert. Vor allem Barbara Auer liefert eine fantastische Performance als Frau am Scheideweg ab, die nicht mit, nicht ohne kann. Ihre raue Zurschaustellung zeigt eine Verletzlichkeit in Verbindung mit einer kraftvollen Wut, die einen manchmal versteinern lässt. Weitere Elemente braucht „Vakuum“ nicht, das Drama begnügt sich mit Handkameraaufnahmen, verzichtet auf dramatisierende Musik. Ein schöner Anblick ist das nicht, dafür aber einer, der einen nicht so schnell wieder loslässt.

Fazit: In „Vakuum“ erfährt eine Frau nicht nur, dass ihr Mann ihr untreu war, sondern auch, dass er sie mit HIV infiziert hat. Was sich nach Seifenoper anhört, ist ein sehr raues, intensives Drama, das eng an den Protagonisten bleibt und sowohl ihnen wie auch dem Publikum eine Menge zumutet. Das ist mit vielen Fragen verbunden, etwa zur Identität innerhalb einer langjährigen Ehe, Antworten muss man jedoch selbst suchen.

Wertung: 7 von 10

Regie: Christine Repond; Darsteller: Barbara Auer, Robert Hunger-Bühler; Kinostart: 14. März 2019