The Sisters Brothers Kino curt München
The Sisters Brothers. Day 26.

Im Kino: The Sisters Brothers

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Richtig kompliziert ist der Auftrag eigentlich nicht. Die beiden Brüder Eli (John C. Reilly) und Charlie Sisters (Joaquin Phoenix) wurden beauftragt, einen Mann namens Hermann Warm (Riz Ahmed) festzunehmen, im Zweifel auch zu töten. Das tun sie häufiger mal, die zwei sind schließlich gefragte Kopfgeldjäger, haben Unzählige schon um die Ecke gebracht. Doch irgendwie will das dieses Mal nicht so klappen. Ihr Kontaktmann Morris (Jake Gyllenhaal), der den Mann im Auge behalten soll, ist nämlich selbst verschwunden. Zusammen mit Warm. Außerdem müssen sie feststellen, dass sie nicht die Einzigen sind, die ihm auf der Spur sind, denn der unscheinbare Zivilist soll im Besitz einer äußerst wertvollen Sache sein.

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Wie bitte? Ausgerechnet Jacques Audiard dreht einen Western? Der französische Regisseur, gefeiert für harte Dramen wie „Der Geschmack von Rost und Knochen“ (>> Filmkritik) oder „Dämonen und Wunder – Dheepan“(>> Filmkritik)?  Das dürfte viele etwas überraschen.  Doch das Ergebnis spricht für sich. Der Film mag nicht mehr viel mit dem gemeinsam haben, was wir von ihm erwarten. Es hat aber auch nur wenig mit dem gemeinsam, was wir von einem Western erwarten. Es gibt sie natürlich, die Cowboyhüte und die Knarren, die Schießereien und Besuche von Saloons. Es gibt auch die große freie Landschaft des Wilden Westens, durch die unsere tapferen Recken zu Ross unterwegs sind. Aber es gibt gleichzeitig noch sehr viel mehr. Und irgendwie auch weniger.

Zunächst einmal sind die Figuren nicht so ganz das, was uns Hollywood einst gelehrt hat. Sicher, solange die Brüder mit dem so unmännlichen Nachnamen Sisters mit ihren Revolvern hantieren, da wirkt alles noch normal. Doch sobald sie den Mund aufmachen, wird es schnell komisch – in mehr als einer Hinsicht. Hier gibt es kein Pathos und große Reden, aber auch nicht das ernste Schweigen, das Männer im Wilden Western gerne mit sich bringen. Stattdessen unterhalten sie sich über Nichtigkeiten, zwischen banal und absurd. Später wird es auch eine Passage geben, die Elis begeisterte Entdeckung der Zahnbürste zeigt. Ein Mann, der nicht nur hier irgendwie völlig fehl am Platz wirkt.

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John C. Reilly ist für eine solche Figur natürlich eine ideale Besetzung. Sinn und Unsinn liegen bei wenigen Darstellern so schön beisammen. Wobei auch die anderen drei fabelhafte Szenen haben, die mal kurios, mal warmherzig, manchmal auch dramatisch sein können. Vieles dabei ist seltsam, etwa Warms Träume einer utopischen Kommune mitten in Texas. Und das von einem Mann, der so offensichtlich fremder Abstammung ist – der Brite Riz Ahmed hat pakistanische Wurzeln. Das sollte im Wilden Westen der 1850er irgendwie eine Erwähnung wert sein, wird aber ebenso wenig zu Wort gebracht wie die angedeuteten homoerotischen Momente zwischen Warm und Morris.

Aber auch die eigentlichen Herzstücke eines Westerns – etwa Schießereien und Landschaftsaufnahmen – kommen seltsam kurz. Zu sehen sind sie, Audiard und sein Kameramann Benoît Debie scheinen sich dafür aber nicht so recht zu interessieren. Wo andere diese Momente groß in Szene setzen würden, da sind sie hier einfach nur irgendwie da. Das kann man dann großartig finden, auch hier eine Unterwanderung von Erwartungen. Andere wird es eher frustrieren. Doch davon sollte sich niemand abhalten lassen, vor allem nicht bei einer Vorliebe für ungewöhnliche Genreinterpretationen. Auch wenn das hier alles nicht dieselbe Relevanz hat wie die vorherigen Werke von Audiard, es ist doch ein vergnüglicher Aufbruch zu neuen Ufern – selbst wenn diese in der verstaubten Vergangenheit liegen.

Fazit: Mit „The Sisters Brothers“ zeigt der gefeierte französische Regisseur Jacques Audiard, dass er auch das uramerikanische Genre des Westerns beherrscht – obwohl oder weil er sich nicht um dessen Gesetze schert. Vieles hier ist anders, ein wenig komisch, zumindest aber unerwartet. Freunde ungewöhnlicher Filme sollten diesen hier auf jeden Fall im Auge behalten, nicht zuletzt wegen der hochkarätigen Besetzung.

Wertung: 7 von 10


Regie: Jacques Audiard; Darsteller: John C. Reilly, Joaquin Phoenix, Jake Gyllenhaal, Riz Ahmed; Kinostart: 7. März 2019