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Im Kino: Midsommar

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Für Dani (Florence Pugh) bricht eine Welt zusammen, als sie gleichzeitig ihre Schwester und ihre Eltern verliert. Nur zu gerne nimmt sie daher die Einladung ihres Freundes Christian (Jack Reynor) an, gemeinsam mit ihm und seinen Freunden nach Schweden zu fahren. Zusammen mit Mark (Will Poulter), Josh (William Jackson Harper) und Pelle (Vilhelm Blomgren) machen sie sich daher auf den Weg, um in der Provinz mit Pelles Familie die Sommersonnenwende zu feiern. Die Leute sind freundlich, es scheint immerzu die Sonne, die perfekte Gelegenheit, um ein wenig auszuspannen! Doch bald schon beschleicht die Truppe das Gefühl, dass da irgendetwas nicht ganz stimmt.

Auch wenn das Horror-Genre im Laufe der Zeit viele Veränderungen und Trends mitgemacht hat, eins ist doch geblieben: Wenn es besonders spannend werden soll, dann spielt eine Geschichte in der Nacht. Denn sobald die Sonne untergegangen ist und wir kaum noch erkennen können, was um uns herum passiert, dann reichen schon knarzende Holzböden, um uns eine Heidenangst zu machen. Dass es auch ganz anders geht, zeigt uns „Midsommar“. Dort gibt es keine Spukhäuser, Holzböden sind ebenfalls eine Seltenheit. Vor allem aber geht die Sonne niemals wirklich unter, schließlich wird hier das Mittsommerfest gefeiert. Das ist als Szenario für einen Horrorfilm natürlich ungewöhnlich. Lässt sich überhaupt Spannung erzeugen, wenn alles immer sichtbar ist?

Aber um Geheimnisse geht es Ari Aster überhaupt nicht. Der für sein Spielfilmdebüt „Hereditary“ (>>Filmkritik) gefeierte Regisseur und Drehbuchautor macht keinen wirklichen Hehl daraus, was im schwedischen Nirgendwo so vor sich geht. Aufmerksame Zuschauer und Zuschauerinnen werden auf Schritt und Tritt die Vorboten für das finden, was sich später noch alles zutragen wird. Für die amerikanische Truppe gilt das nicht. Die ist viel zu fasziniert, teilweise auch zu berauscht, um zu erkennen, was Sache ist. Dieser Wissensvorsprung ist bei Horrorfilmen immer so eine Sache. Allzu oft führt er zu Ärger darüber, wie schrecklich blöde sich doch alle da auf der Leinwand anstellen.

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Bei „Midsommar“ fällt dieser Ärger aber gering aus. Zum einen sind die Leute der Natur dermaßen ausgeliefert, dass die Optionen ohnehin überschaubar wären. Trotz der weiten Flächen hat das hier immer etwas Klaustrophobisches an sich. Zum anderen ist das Setting auch einfach viel zu verzaubernd, zu seltsam auch. Nicht nur des gelegentlichen Drogenkonsums wegen hat man hier das Gefühl, nie ganz da zu sein. Da spielt auch die audiovisuelle Umsetzung mit rein. Mal sind es eigenwillige Kamerafahrten, die uns aus dem Konzept bringen, befremdliche Musik im Hintergrund, bizarre Symbole, die hier überall angebracht sind. Der Film ist so detailverliebt und kunstvoll zusammengestellt, dass man selbst fast vergisst, welche Gefahren hinter den strahlendweißen Kostümen und dem immergrünen Umfeld warten.

Zwei Eigenschaften des Films hat Aster von seinem vorherigen mitgenommen. Die weniger schöne ist, dass auch der zweite Spielfilm des US-Amerikaners ein gutes Stück zu lang wurde und sich zwischenzeitlich etwas zu oft im Kreis dreht. Äußerst gelungen ist dafür erneut die Figurenzeichnung. Wo bei der Horrorkonkurrenz meist nur Kanonenfutter auf die Leinwand gekarrt wird, da sind hier echte Charaktere unterwegs. Deren Geschichten nehmen einen nicht ganz so mit wie beim letzten Werk des Filmemachers. Auch die fehlenden Überraschungen tragen dazu bei, dass „Midsommar“ etwas weniger Eindruck hinterlässt. Doch auch so bleibt genügend übrig, um Asters Ruf als Lichtgestalt des Horrorgenres zu festigen. Schockmomente sind zwar in der Minderheit. Dafür durfte man sich selten derart schön verstören lassen wie hier.

Fazit: Mit „Midsommar“ beweist Ari Aster erneut, dass er einer der interessantesten Horror-Regisseure unserer Zeit ist. Obwohl fast der komplette Film bei Tag und auf einer offenen Wiese spielt und man schon früh weiß, was passieren wird: Die Geschichte um eine amerikanische Freundesgruppe, die im schwedischen Nirgendwo das Mittsommernachtsfest feiert, ist ein detailverliebter, kunstvoller Albtraum, der trotz gelegentlicher Längen nachhaltig verstört.

Wertung: 8 von 10

Regie: Ari Aster; Darsteller: Florence Pugh, Jack Reynor, William Jackson Harper, Vilhelm Blomgren, Will Poulter; Kinostart: 26. September 2019