Im Kino: Golden Twenties

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Ihr Studium hat sie erfolgreich abgeschlossen, jetzt müsste für Ava (Henriette Confurius) doch so langsam mal das richtige Leben anfangen. Dachte sie. Doch irgendwie will das mit der Jobsuche so gar nicht klappen. Also heißt es erst einmal wieder zurück in ihr altes Zuhause und wieder bei Mama Mavie (Inga Busch) wohnen. Immerhin, eine Hospitanz beim Theater hat sie gefunden. Dafür gibt es zwar kein Geld, außerdem muss sie dauernd irgendwelche doofen Arbeiten für die Regieassistentin Franzi (Franziska Machens) vollrichten – von den Launen des Regisseurs ganz zu schweigen. Aber das ist immer noch besser, als nur noch daheim zu hocken. Außerdem gibt es dort ja auch den süßen Schauspieler Jonas (Max Krause), der ein Auge auf sie geworfen zu haben scheint …

Die jungen Menschen von heute haben so viele Möglichkeiten wie keine Generation vor ihnen! Die Türen zu der ganzen Welt stehen ihnen hoffen! Heißt es. Schaut man sich diese jedoch etwas genauer an, handelt es sich oft dann doch nur um welche, die auf die Fassade gemalt wurden, ohne dass ein Weg hindurch führte. „Golden Twenties“ zeigt dies schon zu Beginn sehr deutlich, wenn Ava nicht einmal ein Praktikum bekommt, weil sie ja schon fertig ist mit dem Studium. Ohne ein Praktikum gibt es aber keine Arbeit. Und wer keine Arbeitserfahrung hat, der findet auch keine andere Arbeit. „Kommen Sie doch wieder, wenn Sie welche gesammelt“ haben, muss sie sich anhören, um den Hohn noch ein wenig stärker zu machen.

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„Golden Twenties“ ist jedoch nicht allein ein Film über die beruflichen Schwierigkeiten der berüchtigten Generation Praktikum. Vielmehr zeigt Regisseurin und Drehbuchautorin Sophie Kluge in ihrem Spielfilmdebüt, wie furchtbar kompliziert die Welt für einen Menschen in den 20ern sein kann. Das kann sich auch auf das Private beziehen. Ob es nun ihre Familie ist, die schon sehr lange kaputt ist, oder die sich anbahnende Romanze mit Jonas: Irgendwas ist da immer. Tatsächlich gleicht bei Kluge die gesamte Welt einem Irrenhaus. Denn jeder, der in ihrem Film auftaucht, hat irgendwelche Macken, tut etwas Komisches, sagt etwas Komisches. Ihre Mutter, die seltsame Phobien entwickelt, ihr junger Freund, aus dem man nicht schlau wird. Und das Theaterumfeld ist ohnehin ein einziger Brutplatz von Neurosen.

Vieles funktioniert hier dann auch nicht, sei es im Zwischenmenschlichen oder in anderer Hinsicht. Kluge baut eine Vielzahl von Irritationen ein, die mal auf die Protagonist*innen abzielen, mal auf das Publikum, mal auf beides, Schlüssel, die nicht mehr passen, Kisten, die im Weg herumstehen, Beziehungen, die sich von einer Szene zur nächsten verändern, ohne dass man wüsste warum. Manchmal meint man gar, dass Kluge die Leute auf den Kinosälen verärgern will, wenn sie wichtige Informationen vorenthält. Fehlen diese in Filmen und damit sinnvolle Übergänge, dann ist das oft ein Zeichen von schlampiger Arbeit. „Golden Twenties“ tut dies aber auf eine so konsequente und gleichzeitig beiläufige Weise, dass der Film einen ganz eigenen Reiz entwickelt. Eben weil hier vieles nicht so wirklich verständlich ist, drückt die Tragikomödie die Lebenssituation der Orientierungslosen aus.

Fazit: Das Studium ist rum … und jetzt? In „Golden Twenties“ stolpert eine junge Frau durchs Leben, findet aber weder beruflich noch privat Halt. Das ist mal komisch, mal traurig, sehr lebensnah und doch auch skurril – auch weil Regiedebütantin Sophie Kluge immer mal wieder interessante Irritationen einbaut, über die alle stolpern dürfen.

Wertung: 7 von 10

Regie: Sophie Kluge; Darsteller: Henriette Confurius, Inga Busch, Max Krause, Hanna Hilsdorf, Anton von Lucke, Reinout Scholten van Aschat, Franziska Machens; Kinostart: 29. August 2019