Kino: Alkohol – Der globale Rausch

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Die Feiertage sind immer der Anlass schlechthin, um sich ein Gläschen zu gönnen. Wie wäre es mit einem schönen Aperitif, während man mit der Familie zusammen sitzt? Darf es ein kleiner Schnaps zur Verdauung sein, nachdem wir wieder viel zu viel gegessen haben? Ach, und mit Sekt anstoßen müssen wir natürlich auch noch! Dass Ende des Jahres ein gewisser Ausnahmezustand herrscht und man viel mehr durchgehen lässt, das ist Konsens. Ist doch was Besonderes. Oder vielleicht auch nicht. Alkohol gehört zumindest in den westlichen Ländern so sehr zu unserer Kultur, dass wir zuweilen gar nicht mehr merken, wie viel wir zu uns nehmen. Wie selbstverständlich dieser flüssige Begleiter geworden ist.

„Alkohol – Der globale Rausch“ führt uns das wieder vor Augen. Das kommt nicht ganz unerwartet, steckt doch Andreas Pichler dahinter. Und der hatte uns schon in seinem letzten Dokumentarfilm „Das System Milch“ (>> Filmkritik) einen etwas erschreckenden Blick auf ein Konsumgut gewährt, dem wir nicht genug Beachtung schenken. Im Fall von Alkohol ist es jedoch nur zum Teil die Industrie, die sich schuldig macht an etwaigen Verfehlungen. Die gibt es natürlich schon. Wenn kaum ein Industrie-Vertreter bereit war, hierfür vor die Kamera zu treten, dann kommt das nicht von ungefähr. Bevor man sich selbst in kompromittierende Situationen bringt, kann man gleich ganz wegbleiben.

Verstörender ist da die gesellschaftliche bzw. politische Dimension. Wenn jemand aus rein wirtschaftlichem Interesse das Leben anderer zerstört, ist das irgendwo nachzuvollziehen. Doch weshalb verhalten sich auch die anderen so verantwortungslos? Dass Alkohol schädlich ist oder es zumindest sein kann, das ist nicht wirklich ein Geheimnis. Während aber beispielsweise beim Rauchen mit der Zeit eine öffentliche Ächtung stattfand, ist der Konsum von Alkohol weitestgehend verschont geblieben. Werbung, die überall sichtbar ist, vielleicht noch in Verbindung mit Stereotypen oder Sexismus? Klar, warum nicht!

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Pichler geht auch diesen Fragen nach, wenn er durch die Welt reist, verschiedene Formen und Auswüchse des Konsums betrachtet, zudem die jeweiligen gesellschaftlichen Situationen. Mut macht in der Hinsicht das Beispiel Island, das im Rahmen einer parteiübergreifenden Aktion den starken Alkoholismus unter Jugendlichen eindämmen wollte. Das bedeutet im Klartext mehr Beschäftigung mit den jungen Menschen, mehr allgemeine Aufmerksamkeit, mehr Zusammenhalt auch. Die Idee: Wenn wir das allgemeine Szenario gemeinsam ändern, dann werden weniger zur Flasche greifen.

In anderen Ländern ist man nicht so weit, auch weil die Politik davon profitiert, wenn fleißig Alkohol konsumiert wird. Und so lange es kein entsprechendes Stigma dafür gibt Alkohol zu trinken, man sich im Gegenteil teils dafür rechtfertigen muss, es nicht zu tun – siehe Oktoberfest –, wird sich daran nichts ändern. Pichler selbst hält sich mit den Aussagen weitestgehend zurück, gibt am Anfang kleinere private Einblicke, verrät zum Schluss eine erschreckende Statistik. Ansonsten lebt „Alkohol – Der globale Rausch“ von der Vielzahl von Stimmen und Meinungen, die mal einen professionellen Hintergrund haben, mal ganz persönlich sind. Die Doku ist ein sehenswerter Beitrag zu einem Thema, das uns viel mehr angeht und beschäftigen sollte, als wir vielleicht ahnen, und gerade durch das Fehlen eindeutiger Antworten fordert, selbst irgendwo Stellung zu beziehen.

Fazit: Alkohol ist nicht schlimm, den trinkt doch jeder! „Alkohol – Der globale Rausch“ zeigt auf, wie selbstverständlich der Konsum für uns ist, obwohl diverse Risiken damit einhergehen. Aufgrund der Weite des Themas geht nicht alles in die Tiefe, als Einblick von verschiedenen Seiten aus ist der Dokumentarfilm jedoch lohnenswert.

Regie: Andreas Pichler; Kinostart: 9. Januar 2020

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