Im Gespräch: Boysetsfire

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25 Jahre Bandgeschichte sind ein Grund zum Feiern! Boysetsfire zelebrieren das mit einer großen Tour und beehren am 5. Dezember auch die TonHalle in München. Der große Erfolg der letzten Jahre ist zwar ein Meilenstein für die Post-Hardcore-Band, viel wichtiger ist den Musikern aber ihre Freundschaft. curt sprach mit dem Bassisten Robert Ehrenbrand über Songwriting, Alkohol und Dankbarkeit. Der Münchner ist 2003 zur Gruppe gestoßen und teilt sich seine Zeit zwischen Boysetsfire und Yoga-Coaching auf. Und strotzt nur so vor positiver Ausstrahlung.

Boysetsfire feiern dieses Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum. Seid ihr euch immer treu geblieben?
Als sich die Band vor 25 Jahren in Delaware gegründet hat, gab es zwei klare Prämissen: Die Texte sollten immer Gehalt und für alle eine Bedeutung haben. Anfangs waren die Lyrics sehr politisch, mittlerweile hat sich das auch in Richtung von persönlichen Texten erweitert. Das andere war, dass die Band raus aus Delaware wollte, um Gigs zu spielen und die Musik mit anderen zu teilen. Beides ist bis heute das Rückgrat von Boysetsfire.

Habt ihr nach all den Jahren Angst, euch mit eurer Musik zu wiederholen?
Um ganz ehrlich zu sein, wir sind mittlerweile Meister darin, nichts zu Tode zu denken. Natürlich versucht man als Band, sich nicht zu wiederholen. Bei Boysetsfire hat sich das Songwriting immer weiterentwickelt, ohne dass wir irgendeinen Plan hatten, in welche Richtung es geht. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Immer wenn wir uns gedacht haben: „Das hat sehr gut funktioniert, wollen wir so etwas Ähnliches wieder machen?“, ist es nie so geworden, wie wir uns das gewünscht haben. Mittlerweile können wir die Welt um uns herum und die Erwartungen anderer gut ausblenden. Wir hören nur noch auf unser Herz. Wir haben mittlerweile einen guten Kompass entwickelt, was bei Boysetsfire funktioniert.

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Sind die Live-Shows im Laufe der Zeit anders geworden?
Für mich schon, weil ich vor zehn Jahren aufgehört habe, Alkohol zu trinken. Das hat einen großen Unterschied gemacht. Ich bin damit aufgewachsen, dass Musik ein Grund war, mit Freunden zu trinken. Ich hatte kein Problem mit Alkohol, aber ich wollte keinerlei Drogen mehr in meinem System haben. Das hat ein paar Touren gedauert, bis ich das hinbekommen habe. Mittlerweile hat mir das einen noch intensiveren Zugang zu den Freundschaften verschafft, die auf und neben der Bühne gelebt werden. Aber auch zu den Songs. Das war für mich ein großer Fortschritt.

Und aus Sicht der Band?
Was Boysetsfire angeht, habe ich das Gefühl, dass die letzten Jahre eine Renaissance waren. Die Stimmung war nie besser. Die Festival-Tour letztes Jahr war für mich die bisher schönste. Nach Konzerten bekommen wir oft das Feedback, dass man bei Boysetsfire merkt, dass wir wirklich eng befreundet sind und uns freuen, zusammen auf der Bühne zu stehen. Ich glaube, dass fehlt vielen professionellen Bands. Oft sind das nur so Ego-Dinger oder es wird immer wieder das gleiche Programm abgespult. Das ist auch okay, aber darum geht es bei Boysetsfire nicht. Bei uns geht es wirklich um das Kollektiv.

Du lebst in München, deine Bandkollegen in den USA. Braucht es da immer wieder Zeit, bis ihr warm miteinander werdet, oder ist die Connection zwischen euch immer stark?
Drei meiner Bandkollegen leben Tür an Tür in Maryland und sehen sich jeden Tag. Unsere Gitarristen sind mit zwei Schwestern verheiratet, das heißt, die sind tatsächlich miteinander verwandt. Und Nathan kennt Josh, seitdem sie Babys sind. Da waren die Eltern schon zusammen in einer Band. Die Zusammengehörigkeit ist bei uns also kein Lippenbekenntnis, sondern es ist eine wirkliche Familie. Ich sehe die anderen eher, wenn es ins Studio geht oder wir auf Tour sind. Aber wir haben ständig Kontakt via FaceTime oder WhatsApp. Es fühlt sich nie seltsam an. Es ist immer, wie es sein soll.

Dass ihr euch bei Boysetsfire so nahesteht, ist keine Selbstverständlichkeit.
Nee, überhaupt nicht. Ich muss ganz ehrlich sein, für uns ist das 25-jährige Jubiläum schon ein Meilenstein. Ich bin so dankbar, dass es die Band immer noch gibt und für alles, was darum herum passiert ist. Deswegen ist es auch wert, das Jubiläum groß zu feiern. Wir zelebrieren das nicht im egoistischen, sondern im dankbaren Sinne. Denn ich habe mit 41 immer noch die Möglichkeit, mit meinen besten Freunden Musik zu machen.

Ist bei Boysetfire der Erfolg eher Nebensache und geht es mehr um das Kollektiv und eure Freundschaft?
Eine Nebensache ist der Erfolg nicht, aber es ist auch kein Antrieb, irgendetwas zu tun. Wir wissen das sehr zu schätzen, weil in unserem Werdegang so viel passiert ist. Zum Beispiel war das letzte Boysetsfire-Album das erfolgreichste. So etwas ist ungewöhnlich, normalerweise sind die alten Sachen erfolgreicher. Darauf bin ich am stolzesten. Wir haben es geschafft, dass unsere Musik wächst und relevant bleibt. Wir machen so gut wie alles selbst und uns redet niemand rein. Das ist für mich der größte Erfolg.

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Du spielst nicht nur Bass, sondern bist ausgebildeter Yoga-Lehrer. Welchen Stellenwert hat Yoga in deinem Leben?
Neben meiner Frau und Kinder den höchsten. Ich bin schon mit Yoga aufgewachsen und damit meine ich jetzt nicht Turnen, sondern Meditation. Mein Tag beginnt zwischen vier und führ Uhr morgens um erst mal eine Stunde zu meditieren. Der Sinn von Yoga ist für mich, sein Ego nicht durchdrehen zu lassen.

Mit deinem Movement Coaching „Becomingme“ gibst du hauptsächlich in München Stunden. Wie kam es dazu?
Neben der Musik war Kampfsport meine Leidenschaft. Mit Mitte 20 hatte ich dadurch so viele Verletzungen, dass ich mich mit körperlichem Yoga beschäftigt habe, um diese zu heilen. Bald fing es an, dass mich Leute im Kampsport-Umfeld um Hilfe gebeten haben. So bin ich völlig ungeplant zum Unterricht gekommen. Jetzt geht das Ganze schon ein paar Jahre und wird immer größer. Mittlerweile ist das in meinem Alltag auch präsenter als Boysetsfire. In einer „Becomingme“-Stunde lernst du eine Atemtechnik, weil ich das in der heutigen Zeit, in der jeder so nervös ist, ganz wichtig finde. Dann beginnt die Bewegungspraxis und am Ende gibt es immer eine Schlussmeditation. Das ist aus dem zusammengebastelt, was ich im Laufe der Jahre durch meine Erfahrungen gelernt habe. Man soll sich nicht nur körperlich wohler fühlen, sondern sich mental auch bereiter fühlen für die stressigen Sachen im Alltag.

Wie viel Zeit verbringst du mit „Becomingme“, deiner Familie und Boysetsfire über das Jahr verteilt?
Kommt immer darauf an, wie aktiv Boysetsfire sind. Gerade habe ich angefangen, die Setlisten für die Tour Ende des Jahres zu basteln. „Becomingme“ ist 40 Prozent meiner Zeit, die Familie auch und Boysetfire sind 20 Prozent. Ich nehme den Job als Vater und Ehemann sehr ernst. Wir sind in unserem westlichen System komisch konditioniert, was das angeht. Im Job musst du bei Terminen pünktlich sein, deine Kinder sollen aber zu Hause auf dich warten. Das habe ich nie so ganz kapiert.

Gibt’s bald neue Musik von Boysetsfire?
Es gibt sehr gute Ideen, die gerade über den Ozean hin und her geschickt werden. Wann es neue Musik gibt, ist allerdings noch nicht klar. Aber wir schreiben immer. Es ist bei uns ohne Sinn und Verstand, aber mit viel Herz. Wenn wir denken, wir haben genug für die Platte, gehen wir ins Studio.


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