Im Gespräch: Kat Frankie

Dass Kat Frankie eine coole Frau ist, merkt man relativ schnell und das nicht erst, wenn sie einem gegenübersitzt oder auf der Bühne steht. Den meisten bekannt dürfte sie hierzulande durch ihre Kollaboration mit Clueso („Wenn Du liebst“) sein, aber auch bei Olli Schulz saß die gebürtige Australierin schon an der Gitarre. In postfaktischen Zeiten ist ihr mit Get Well Soon aufgenommener Titelsong zur Late-Night-Show „Schulz & Böhmermann“ der hiesigen Internet- und Neo-Gemeinde mit Sicherheit auch schon mal in den Gehörgang geflogen.

Vor rund 15 Jahren verließ Kat Frankie ihre Heimat Sydney, begab sich auf den Spuren Bowies und Pops nach Berlin und trug ihre Leidenschaft auf die Straße der Weltmetropole. Von dieser Zeit zeugt beispielsweise der Dokumentar-Film BerlinSong von Uli M Schueppel, der sie und fünf weitere Musiker sowie die mannigfaltige Songwriter-Szene porträtierte. Mittlerweile ist viel Wasser die Spree hinuntergeflossen, Kat Frankie immer reicher an Erfahrungen und mit Zellephan sogar eigene Indie-Label-Chefin geworden.

Das traurige Mädchen mit der Gitarre ist sie schon lange nicht mehr. Auf ihrem im Februar erschienen Album „Bad Behaviour“ zeigt sich Kat Frankie facettenreich wie nie und kombiniert Soul stilsicher mit Art-Rock, Trip-Hop und sogar ein wenig Gospel. Soll moderne Pop-Musik nun so klingen? Wenn ja, nehmen wir bitte mehr davon!

Vor ihrem Konzert im Ampere trafen wir die umtriebige Australierin zum Gespräch über ihre explodierenden Keyboards, warum München wie Sydney ist und wieso es gut tut, auch mal die Gitarre aus der Hand zu legen.

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Kat, erst einmal vielen Dank für deine Zeit und herzlichen Glückwunsch zu deinem vierten Album. Mit „Bad Behaviour“ ist dir ein unheimlich facettenreiches Album gelungen. Man könnte fast behaupten, du hast dich neu erfunden. War dir das beim Schreiben und den Aufnahmen bewusst?
Ich wusste schon, dass es ein wenig schneller werden wird und sicher auch etwas poppiger. Aber genau das wollte ich auch. Früher habe ich so viele melancholische Lieder geschrieben und ich will mich einfach nicht wiederholen. Ich will ein bisschen Spaß dabei haben! Es war nicht geplant, solche Lieder genau so zu schreiben, aber es gab diese Idee, dass ich einfach mehr Spaß haben und nicht so sehr auf das Emotionale fokussiert sein wollte. Das gibt es zwar auch auf dieser Platte und ich schreibe diese Songs gerne, aber es gibt dadurch diese facettenreiche Mischung, wie du sagst.

Mit „Bad Behaviour“ hast du dir auch ein wenig Zeit gelassen, warst aber in der Zwischenzeit alles andere als untätig. Ist dieses Release spannender und wichtiger für dich als die früheren?
The answer is yes! Ja klar, früher habe ich meine alten Platten selbst auf meiner Plattenfirma herausgebracht. Diesmal habe ich mit Grönland Records zusammengearbeitet und die machen das alles natürlich viel größer und schöner. Es gibt auf jeden Fall viel zu tun, was Promo und Konzerte angeht. Und vielleicht gibt es bei diesem Album einfach auch ein bisschen mehr Erwartungen. Ja, es ist wirklich spannend und es läuft ziemlich gut. Die Tour läuft wunderbar, absolutely!

Absolut kein business as usual, oder?
Ich hoffe natürlich, dass ich kein business as usual gemacht habe. (lacht) Das klingt vielleicht etwas cheesy, aber dann hättest du einfach deine Leidenschaft verloren. Genau dann solltest du aufhören.

Was zeichnet denn Musik für dich persönlich aus? Warum hast du diese Leidenschaft in dir und das immer noch?
Oh Gott, keine Ahnung … Wo kommt das her? Ich glaube, ich bin einfach von Haus aus neugierig, lerne gerne dazu und erlebe wahnsinnig gern Neues. Weil ich einfach Mensch bin und lebendig? (lacht) Musik ist für mich das beste Ausdrucksmittel, easy as that.

Gerade im Singer-Songwriter-Segment habe ich in letzter Zeit auch andere Stimmen gehört. Viele Künstler tun sich sehr schwer und all die kleinen Sorgen drumherum, was Booking, Label und das eigentliche Geldverdienen angeht, raubt ihnen diese Leidenschaft. Was denkst du als Label-Chefin darüber, die ja selbst quasi von null und in einer fremden Stadt angefangen hat?
Oh ja, das kann ich sehr gut verstehen. Ich habe nur immer das Glück gehabt, mit sehr netten Leuten zusammengearbeitet zu haben. Wunderbare Musiker. Wenn mir mal selbst die Energie für ein paar Dinge fehlt, dann lasse ich mich meistens von den Leuten um mich herum anstecken. Ich denke aber auch, dass es manchmal sehr schwer und anstrengend ist. Doch am Ende des Tages … es ist ein ziemlicher guter Job.

Du experimentierst zunehmend mit deiner Musik und transzendierst auf dem neuen Album auch in Bereiche, die an Soul, Gospel oder sogar etwas Trip-Hop erinnern. Wann wusstest du, dass es mehr für dich gibt als klassische Songstrukturen mit Stimme, Klavier und Gitarre?
Mit der Akustikgitarre habe ich angefangen, weil sie einfach da war. Wenn man eine Ballade auf ihr spielt, ist man automatisch Singer-Songwriter. Aber in meinem Kopf war es das eigentlich nicht so. Über die Jahre habe ich immer mehr Produktion übernommen und gerade die Aufnahmen zur letzten KEØMA-Platte waren lehrreich. Ich habe alle Beats produziert und programmiert und meine Fähigkeiten ausgefeilt. Dieses Skillset habe ich jetzt und kann nun das machen, was ich will.

Du hast schon mit einigen Leuten vor allem aus Deutschland Musik gemacht und es zumindest in meinen Augen geschafft, überall da mitzumischen, wo andere gerne denken, dass gerade die Deutschen einiges nachzuholen haben. Humor, Late Night, Musik. Inwieweit haben dich Menschen wie Olli Schulz oder Clueso inspiriert und konntest du ihnen selbst in einigen Punkten Nachhilfe geben?
Oh my god, Olli … der Mann ist faszinierend. Ich weiß nicht, ob ich ihm etwas beibringen konnte, aber der Typ hat gar keinen Filter. Das ist auch manchmal kein gutes Ding, aber manchmal ist es auch wirklich, wirklich wunderbar. Ich beobachte, wie er arbeitet, und er hat einfach seine Ideen. Es ist ihm wirklich egal, was andere Leute denken, und er macht sein Ding. Das liebe ich! Es ist als Künstler wirklich wunderbar, so zu denken. Wenn man anfängt, die Meinungen anderer miteinzubeziehen, dann weiß man oft nicht mehr, was man eigentlich machen will. Es dürfte in meinen Augen alles etwas purer sein. Ollis Attitüde hat mich definitiv inspiriert.

Und wie war es bei Clueso?
Das letzte Jahr auf Tour mit Clueso war ebenfalls ziemlich bildend. Er hat diese riesige Produktion mit Lichtern, Effekten und Visuals. Das war wirklich toll, dabei zu sein. Allein um zu sehen, was möglich ist. Wenn man das Geld hat natürlich … (lacht) Nein, aber wie man einfach 5.000 Leute zusammenbringt und entertained. Olli hat mich in seine Band eingeladen, weil er wollte, dass ich Gitarre für ihn spiele, sodass er sich etwas mehr bewegen kann. Und das will ich auch! Und jetzt spiele ich keine Gitarre mehr auf meinen Konzerten, weil ich das so toll fand. That’s the best one! (lacht)

Bleiben wir bei Kollaborationen. Im Film BerlinSong, bei dem es um dich und fünf weitere Songwriter in Berlin geht, sprichst du an, dass es gerade das sich gegenseitige Helfen ist, welches zum Erfolg geführt hat. Auf der anderen Seite gestehst du aber auch, ein Kontroll-Freak zu sein, der seine ganz eigenen Ideen hat, wie die Songs klingen sollen. Muss es für dich da nicht ganz furchtbar sein zu kollaborieren?
Ha ha, ja, das kommt natürlich immer auf die Leute an, klar. Früher war es wirklich sehr schwer, aber ich glaube, es ist auch eine Sache des Selbstbewusstseins. Ich dachte immer, ich hätte nicht viel anzubieten. Ich habe ja auch keine musikalische Ausbildung genossen. Als es darum ging, welche Tonart diese und jene sei, wusste ich das gar nicht, ich hatte ja Design studiert. Ich wusste überhaupt nichts von Musiktheorie. Aber jetzt über die Jahre, wenn man auf Augenhöhe ist, ist das alles viel einfacher.

Wäre ein eigenes Label und dein Bandprojekt parallel früher also gar nicht möglich gewesen? Musstest du das alles erst lernen?
Vielleicht wollte ich das eigentlich nicht. Ich bin zwar sehr independend, aber wenn ich eine Sache nicht mindestens einmal selbst gemacht habe, dann lerne ich das nicht. Vieles probiere ich lieber erst selbst aus und habe dann einfach mehr Ahnung davon, was möglich ist.

Ich habe oft den Eindruck, als würde man sich gerade hier in München innerhalb der Szene absolut nichts gönnen, vieles wird als selbstverständlich angesehen, Geld gibt es keines und jeder kämpft für sich oder behält sein Wissen, seine Kontakte und anderes Know-how lieber für sich. Wie siehst du das?
Als ich aus Sydney nach Berlin kam, war das tatsächlich eine Überraschung. In Sydney ist es so, wie du gerade die Situation in München schilderst. Wenn ich Sydney vermisse, dann reise ich gerne nach München. Die Leute tragen fast dieselbe Kleidung, haben eine ähnliche Attitude und sind auch ein bisschen spießig. München ist Sydney ohne Strand, aber die Szene dort ist einfach klein und es gibt nur wenige Clubs. Insofern gibt es dort auch viel Konkurrenz und niemand unterstützt sich gegenseitig. In Berlin war das unglaublich! Ich habe Leute kennengelernt, die mit wirklich vielen Kontakten auf mich zukamen. Brauchst du ein Studio? Hier meine E-Mail! Ich habe einen Freund, der Bass spielt, ruf ihn doch mal an! So war das von Anfang an und total überraschend. Diese Haltung, nichts preiszugeben, bringt dir nichts, es macht wirklich keinen Sinn.

Gibt es eigentlich etwas, was du nach fast 15 Jahren in Deutschland in Sydney am meisten vermisst, wenn du dort bist? Mal andersrum gefragt.
Oh ja, die Bars. Obviously! (lacht) In Sydney schließt alles sehr früh und es gibt sehr viele Regeln. Auch die Strafgelder sind sehr hoch, das ist furchtbar. Insgesamt ist es aber die Offenheit gegenüber Neuem. Die Leute in Sydney würden nie 5 Euro für einen Newcomer um die Ecke ausgeben. Lieber zahlen sie 200 Euro für Bruno Mars im Entertainment Center. Und ich habe nichts gegen Bruno Mars, aber in Deutschland gibt es überall Keller und Plätze zum Spielen. Das gibt es leider in Sydney nicht.

Heute spielen auch King Gizzard aus Melbourne in München. Wir sind also gerade im australischen Schwitzkasten, auch wenn die Jungs mit ihrem Psychedelic-Rock ganz andere Musik spielen. Werden wir jemals eine rotzig-rockige Kat Frankie erleben? Der Song „Home“ geht ja schon mal wieder in eine sehr gute Richtung.
Ich weiß nicht. Zwar habe ich mit der nächsten Platte in der Tat schon angefangen, aber es sind noch nicht sehr viele Songs. Auf meiner ersten Platte gibt es ja auch schon rockigere Sachen, zwar mit der Akustik-Gitarre gespielt … Nein, ich habe keine Ahnung. Es kann auch eine RnB-Platte werden, oder eine Country-Platte. Da habe ich viel über die Jahre gespielt, aber nie herausgebracht. Oder vielleicht doch eine ganze Platte auf Deutsch? Nein, es kann im Moment noch wirklich alles werden.

Man hört auf jeden Fall heraus, dass du selbstbewusster und offener geworden bist.
Ich habe das Gefühl, dass melancholische Singer-Songwriter Mitte 20 einfach nur ernst genommen werden wollen, doch jetzt ist es mir egal. Das ist der Unterschied.

Das denke ich auch. Momentan, so kommt es mir vor, sprießen die aus jeder Ecke. Sicher auch befeuert durch YouTube etc., wo jeder sehr schnell publizieren kann. Was macht denn einen guten Singer-Songwriter für dich aus?
Es ist eine Mischung aus allem. Idee, Leidenschaft und Gefühl. Ich denke, es geht um den Song und die Performance. Ein guter Song steht zwischen dieser Spannung aus dem Unerwarteten und dem Unausweichlichen. You didn’t see it coming, but it feels right! Und das sind die besten Songs. Da geht es nicht einmal um das Genre, sondern um alle, die singen oder Songs schreiben. Wenn man das schafft, ist es das Beste auf der Welt.

There we have it!
There we have it! (lacht)

Hast du eine besonders schöne musikalische Erinnerung aus deiner Kindheit oder als du angefangen hast, bewusst Musik zu machen?
Der erste Tag an der Schule. Es gibt dieses Ding an der Schule in Australien – show and tell heißt es. Da hält jedes Kind einen Bericht vor der Klasse und ich habe kein Gedicht vorbereitet, sondern ein Lied gesungen. Das ist aber schon eine sehr alte Erinnerung. Aber warte, nein, ich war 8 oder 9 und meine Schwester hat so ein kleines Casio-Keyboard bekommen. Ein Mini-Ding, vielleicht 20 cm breit. Und es hatte keine Batterien, aber ich wollte, dass es funktioniert. An Weihnachten habe ich dann ein kleines Wissenschaftler-Kit bekommen, mit so Elektro-Zeug, und ich habe versucht, das Keyboard mit dem Hausstrom zu verbinden. Und alles ist explodiert! Ich war schwarz, voller Asche, aber ich wollte Keyboard spielen. Also, I nearly killed myself. (lacht)

Perfekte Geschichte! Zum Abschluss noch eine kleine Frage für all die Laien wie mich da draußen. Wenn ich mir später unser Interview noch einmal anhöre, werde ich meine Stimme schrecklich finden, auch wenn ich sonst sehr happy damit bin. Auf dem Song „Back to Life“ führst du dies ad absurdum. Wie hast du es geschafft, dass deine Stimme immer so klingt, wie du es dir für den jeweiligen Song wünschst?
Ich weiß, was du meinst, aber nein, ich kenne meine Stimme mittlerweile ziemlich gut. Das passiert mir nicht mehr, dass ich erschrocken bin. „Back to Life“ war ein Experiment, was ich ursprünglich ganz normal aufgenommen hatte. Aber es klang zu einfach, zu langweilig. Dann habe ich es fünf Töne höher aufgenommen und wieder runtergepitcht, sodass es wieder zur Tonart passt. Und plötzlich war da eine neue Kat. Über die Jahre habe ich so viel gesungen, da gibt es nicht mehr so viele Überraschungen mit meiner Stimme. Insofern war das eine Entdeckung und … it felt good, and it felt sexy! (lacht)


Kat Frankie – Bad Behaviour// Grönland Records // VÖ: 02.02.2018 // Homepage

Interview: Tim Brügmann > Homepage