Parasite Kino curt München

Im Kino: Parasite

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Schon seit Längerem läuft es bei Familie Kim nicht mehr rund. Arbeit hat keiner von ihnen, Geld sowieso nicht. Eigentlich können sie sich nicht einmal die schäbige Kellerwohnung leisten, in der sie zu viert hausen. Da erhält Sohn Ki-woo (Woo-sik Choi) die Möglichkeit, als Lehrer im Haus der reichen Geschäftsmanns Dong-ik Park (Sun-kyun Lee) und seiner Frau Yeon-kyo (Yeo-Jeong Cho) anzufangen. Das ist schon eine große Erleichterung für die Kims, aber letztendlich nicht genug. Und so tüfteln Vater Ki-taek (Kang-ho Song), dessen Frau Chung-sook (Hyae Jin Chang) und Tochter Ki-jung (So-dam Park) an Möglichkeiten, wie sie auch von dem Reichtum der Parks profitieren können, und zeigen sich dabei ebenso erfinderisch wie skrupellos …

Parasite Kino curt München

Nach seinen beiden internationalen Ausflügen mit „Snowpiercer“ (>>Filmkritik) und „Okja“ kehrt Joon-ho Bong hier in seine Heimat zurück und beleuchtet erneut die Missstände in seinem Land auf seine ganz eigene Weise. Dass die Schwere zwischen Reich und Arm in Südkorea immer weiter auseinandergeht, so wie in den meisten Ländern, das haben natürlich andere Filmemacher bereits vorgeführt. Bong tut das auch, mischt seine Abrechnung aber mit jeder Menge Humor und packt das dann in ein Genregewand. Wie bei so vielen Filmen des Regisseurs und Drehbuchautors kann man hier dann auch kaum sagen, was genau „Parasite“ eigentlich ist. Eine Komödie? Eine Satire? Ein Thriller? All das stimmt und stimmt wieder nicht. Zudem ist die Geschichte auch sehr tragisch.

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Wer hier das erste Mal einen Film von Bong sieht, der könnte sich noch darüber wundern, wie sehr er Grenzen aufhebt, so als hätte es sie nie gegeben. Fans seiner vorherigen Titel werden sich hingegen wie zu Hause fühlen und ahnen, dass das Ganze in irgendeiner Form auch noch eskalieren muss. Da ist er ganz bei Quentin Tarantino, dessen Filme ohne irgendwelche Exzesse nicht vollständig wären. Bei Bong präsentiert sich das jedoch organischer, als logische Schlussfolgerung von dem, was nicht stimmt. Trotz dieser leichten Berechenbarkeit, völlig frei von Überraschungen ist „Parasite“ nicht. Auch wenn man meint, alles vorhersehen zu können, so belehrt einen der Film eines Besseren – nicht ohne Grund bat der Regisseur in Cannes, die Journalisten mögen bitte im Anschluss nichts verraten.

Die Wendungen sind natürlich Teil des Vergnügens. Der Film selbst ist davon aber nicht abhängig, funktioniert beispielsweise auch bei einer wiederholten Sichtung. Vielmehr ist es die clevere Weise, wie inhaltlicher Anspruch mit purem Spaß verbunden wird, die „Parasite“ zu einem derart sehenswerten Werk machen. Nicht nur ist die Idee originell, sie ist auch kunstvoll umgesetzt. Gerade die Bilder sind eine Augenweide und unterstützen die leicht surreale Atmosphäre in dem Haus der Parks. Die Kamera lauert, wohl wissend, dass da bald etwas geschehen wird, irgendwo, irgendwann, ohne dabei schon vorab zu verraten, worauf wir achten müssen. Überall sind Fenster, ist Licht – und doch wird vieles dabei nicht gezeigt.

Auch die Figuren sind ambivalent, nie ganz deutlich. Die Kims geben sich als jemand anderes aus, als sie sind. Aber sind sie deshalb auch die Schuldigen? Sind sie die Parasiten im Titel, wenn sie den Reichtum der Parks ausnutzen, oder nutzen die Parks die Menschen aus, die für sie arbeiten? Kann es überhaupt gerecht zugehen? Stoff zum Nachdenken gibt „Parasite“ also genug, über die eigene Situation oder die der Gesellschaft. Wobei das vermutlich erst nach dem Kinobesuch einsetzen wird. Vorher ist man viel zu sehr damit beschäftigt, über die sonderbaren Vorgänge dieses etwas anderen Thriller-Komödie zu lachen oder zu staunen, die einem gleichzeitig ganz nah ist und dabei doch wahnsinnig grotesk.

Fazit: Mit „Parasite“ kehrt Joon-ho Bong zu seinen Wurzeln zurück und zeigt mit einer Mischung aus Satire, Drama und Thriller eine ungerechte Gesellschaft. Langjährige Fans wissen schon ungefähr, was einen hier erwartet, trotz diverser Wendungen. Dem Spaß tut dies aber keinen Abbruch, die Geschichte um eine Familie, die sich bei einer anderen einschleicht, ist ebenso unterhaltsam wie nachdenklich.

Wertung: 8 von 10

Regie: Joon-ho Bong; Darsteller: Song Kang-ho, Sun-kyun Lee, Yeo-jeong Jo, Woo-sik Choi, Hye-jin Jang, So-dam Park; Kinostart: 17. Oktober 2019