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Im Kino: Loving

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Als Richard (Joel Edgerton) und Mildred (Ruth Negga) sich begegnen, ist es sofort um sie geschehen: Er liebt sie, sie liebt ihn. Da auch ihre jeweiligen Familien nichts gegen eine Verbindung einzusetzen haben, steht einer glücklichen Ehe nichts im Wege. Bis auf eines: das Gesetz. In den 1950ern war in Virginia die Beziehung eines Weißen zu einer Schwarzen nicht nur verpönt, sie war sogar strafbar. Als sie dennoch nach Washington fahren, um dort zu heiraten, erwartet sie bei ihrer Rückkehr eine böse Überraschung. Entweder die zwei verlassen für 25 Jahre den Staat oder ihnen droht Gefängnis. Zunächst entscheiden sie sich für die erste Option. Unglücklich über ihr neues Zuhause wählen sie nach einiger Zeit dann aber doch den Kampf und ziehen vor Gericht, um die Rassentrennung juristisch anzufechten.

„Loving“ lautet der Titel von Jeff Nichols’ fünftem Film. Ein Titel, der gleich in zweifacher Hinsicht passt. Zum einen lautete der Nachname von Richard und Mildred Loving. Zum anderen dreht sich natürlich auch in dem Drama alles um die Liebe. Im Zentrum der Geschichte steht nicht die Unterdrückung der beiden, auch nicht ihr Kampf vor Gericht. Vielmehr porträtiert der Amerikaner den Alltag der zwei, zeigt sie als ein ganz normales Paar, das zusammen ein Haus baut und Kinder großzieht. Das ist durchaus effektiv, da Nichols dem alltäglichen Rassismus eine andere Art Normalität entgegensetzt, die einfach nicht mit ersterem zu vereinbaren ist. Heißt: Als Zuschauer fragt man sich die ganze Zeit, wo eigentlich das Problem liegen soll, wenn die beiden zusammen sind.

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Problematisch ist jedoch, dass Nichols wie so oft zwischen den Genres hin und her wandert. Denn natürlich spielt auch der juristische Kampf eine Rolle. Ein bisschen. Zum Ende hin bestimmt der einflussreiche und mutige Prozess das Geschehen, der Film bleibt dazu aber gleichzeitig auffällig stumm. Gezeigt werden nur wenige Szenen, in denen die Lovings Kontakt mit den Anwälten haben, die alles für sie erledigen. Wie genau dieser Kampf aussah, wie lange er dauerte, wer alles beteiligt war – „Loving“ interessiert sich nicht sonderlich dafür. Wer den Film also in erster Linie für die historische Komponente dieses Kapitels interessiert, der geht nahezu völlig leer aus.

Aber auch sonst zeigt sich der Filmemacher völlig gleichgültig gegenüber Kontexten. Von den obligatorischen Schlusssequenz-Infos einmal abgesehen weigert sich Nichols, dem Publikum auch nur minimalste Hilfestellungen zu geben. Da werden plötzlich Jahre im Leben der Lovings übersprungen, ohne dass dies irgendwo kenntlich gemacht wird – nicht einmal in dem Aussehen der zwei. Plötzlich turnen da Kinder herum, von denen nicht gesagt wird, ob es ihre eigenen sind oder sie den Verwandten gehören, zu denen sie gezogen sind. Die meisten fehlenden Informationen erschließen sich mit der Zeit. Unglücklich ist es aber schon, wie man hier immer wieder aus der Geschichte gerissen wird, gerade auch, weil der Alltag keine Gelegenheit bekommt, sich natürlich weiterzuentwickeln. Sehenswert ist das Ganze dann am Ende sicherlich, zumal es auch eine Wohltat ist, wie hier auf Holzhammerkitsch und Melodram verzichtet wird.

Fazit: Der gefeierte Filmemacher Jeff Nichols nimmt sich hier eines historisch bedeutenden Schritts zur Rassengleichheit an und macht daraus etwas ganz eigenes: eine Mischung aus alltäglicher Romanze und Justizdrama. Das ist schön zurückhaltend, teilweise aber schon wieder zu distanziert und unbefriedigend nichtssagend – auch weil „Loving“ grundsätzlich wenig Kontext liefert.

Wertung: 7 von 10

Regie: Jeff Nichols; Darsteller: Joel Edgerton, Ruth Negga; Kinostart: 15. Juni 2017