Kino: Home

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17 Jahre verbrachte Marvin Hacks (Jake McLaughlin) im Gefängnis, nachdem er eine Frau getötet hatte. Doch jetzt ist er wieder zurück in seiner alten Heimatstadt Newhall und hofft auf einen Neuanfang. Doch während seine schwerkranke Mutter Bernadette (Kathy Bates), versucht ihn irgendwie wieder willkommen zu heißen, sieht es bei der restlichen Bevölkerung schwieriger aus. Die Menschen haben weder vergessen noch vergeben, was er seinerzeit getan hat. Vor allem der Flintow Clan, zu dem auch die Getötete gehörte, tut alles dafür, um ihn wieder aus der Kleinstadt zu vertreiben. Aber dann lernt Marvin ausgerechnet Delta Flintow (Aisling Franciosi) kennen, die ihre eigene Sicht auf den Ausgestoßenen entwickelt …

Als Schauspielerin ist Franka Potente natürlich einem hiesigen, wie auch internationalen Publikum bekannt. Mit „Home“ folgt nun der erste Langfilm mit ihr als Regisseurin. Dass die Deutsche, die seit einigen Jahren in den USA lebt, sich in ihrem Debüt „Home“ mit dem Thema Heimat auseinandersetzt, ist interessant. Man merkt dem Film auch an, dass er auf vielen persönlichen Beobachtungen und Überlegungen basiert. Der Film ist zudem nicht so amerikanisch, wie es das Setting vermuten ließe. Vieles von dem, was Potente hier erzählt, könnte ebenso gut an anderen Orten spielen.

Die Filmemacherin nutzt dabei die Geschichte von Marvin, um einen Mikrokosmos eines ländlichen Amerikas zu entwerfen. Eine echte Perspektive gibt es hier schon länger nicht mehr. Wer noch da ist, schlägt sich irgendwie durchs Leben, und sei es durch den Diebstahl von Medikamenten, die anschließend an Junkies weiterverkauft werden. „Home“ erzählt davon mit zwar lichtdurchfluteten, oft aber auch blassen Bildern. Vergilbte Fotos einer Welt, für die es heute keinen Platz mehr gibt. Umso stärker ist der Kontrast zu Marvin, der mit seinen roten Haaren immer hervorsticht und fremd wirkt. Überhaupt ist allein schon das Erscheinungsbild des Mannes interessant. Jake McLaughlin hat einen massigen Körper, wirkt dabei aber wie ein Kind. Die großflächigen Tätowierungen scheinen nicht zu dem sanften Typen zu passen, der alles zu erdulden versucht, als Sühne für sein Verbrechen.

 

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Aber ist das genug? Kann der Mord an einem anderen Menschen jemals gesühnt sein? Das Drama spricht sich schon dafür aus, anderen zu verzeihen oder es zumindest zu versuchen. Gleichzeitig macht „Home“ aber auch klar, dass sich das alles toll und einfach und richtig anhören mag. Das heißt aber nicht, dass es realistisch ist. Selbst wenn die Sympathien in dem Film relativ eindeutig verteilt sind, so betont der Film doch auch das Menschliche bei der Gegenseite. Ein geliebter Mensch ist tot. Und daran werden weder die Jahre noch große Predigten etwas ändern, selbst wenn Letztere schon recht didaktisch und moralisierend formuliert sind.

Sehenswert ist das Drama zum einen wegen dieser Fragen, über die im Anschluss viel nachgedacht werden darf. Kann ich als Gesellschaft einen verurteilten Mörder nach seiner Bestrafung wieder integrieren? Und will ich das überhaupt? Gerade auch das Ensemble liefert aber gute Gründe, weswegen es sich lohnt „Home“ anzuschauen. Kathy Bates ist als fluchende und trinkende Mutter das zu erwartende Ereignis. Auch jenseits der 70 hat die Schauspielerin eine Präsenz, von der andere nur träumen können. Eine echte Entdeckung ist jedoch Jake McLaughlin, der nach seiner Zeit beim Militär mehr oder weniger zufällig beim Film gelandet ist. Er verkörpert die Ambivalenz seiner Figur, das Starke und das Schwache, das Raue und das Zerbrechliche, während Marvin nach einem Weg sucht, wieder zurück in die Welt zu finden. Zurück in etwas, das einmal seine Heimat war und das einzige ist, das ihm noch geblieben ist.

Fazit: „Home“ folgt einem Mann, der nach einer langen Haftstrafe wegen Mordes zurück in seine Heimatstadt kommt – was viele auf keinen Fall wollen. Franka Potentes Regiedebüt ist ein sehenswertes, von einer starken Besetzung getragenes Drama über eine perspektivlose Provinz, die Suche nach Heimat und die Schwierigkeit von Vergebung.

Wertung: 7 von 10

Regie: Franka Potente; Besetzung: Jake McLaughlin, Kathy Bates, Aisling Franciosi, Derek Richardson, James Jordan, Lil Rel Howery, Stephen Root; Kinostart: 29. Juli 2021