Im Kino: Gott existiert, ihr Name ist Petrunya

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Petrunya (Zorica Nusheva) ist Anfang 30, hat einen Universitätsabschluss im Bereich Geschichte in der Tasche … und keinerlei Perspektiven. Von ihrer Mutter (Violeta Shapkovska), bei der sie noch immer lebt, wird sie getriezt. Die Jobsuche führt von einer Demütigung zur nächsten. Da ist es wie ein Geschenk des Himmels, als sie am Dreikönigstag in den eisigen Fluss springt und als erste das heilige Kreuz erreicht, das der Priester zuvor hineingeworfen hat. Das soll Glück bringen! Pech jedoch: Bei diesem alten Ritual sind Frauen eigentlich gar nicht zugelassen. Und so läuft der kleine mazedonische Ort im Anschluss auch Amok und fordert von der Frevlerin das Kreuz zurück. Doch die denkt überhaupt nicht dran, ihren Schatz wieder aufzugeben …

Ein bisschen verwirrt darf man am Anfang von „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ schon sein. Wer nicht gerade vor die Inhaltsangabe gefragt hat, wird sich fragen, warum eine Horde junger Männer halbnackt im tiefsten Winter in den Fluss springt. Genauso irritiert, was danach geschieht. Wieso schreien die alle Petrunya an? Bis wir die ebenso einfache wie unverständliche Antwort erhalten: Weil sie eine Frau ist. Petrunya leuchtet das nicht wirklich ein, den meisten im Publikum dürfte es ähnlich gehen. Wenn sich die Einwohner gegenseitig an die Gurgel geht, nur wegen eines alten Kreuzes, dann ist das so absurd, dass man vor lauter Verblüffung erst einmal vergisst zu lachen.

Regisseurin und Co-Autorin Teona Strugar Mitevska ist sich dieser Absurdität natürlich bewusst. Die Nordmazedonierin nutzt auch jede Gelegenheit, um die Situation auszukosten und sich über ihre Landsleute lustig zu machen. Bemerkenswert ist dabei, dass ihr spöttischer Ton vor nahezu niemandem Halt macht. Ob es nun Petrunyas Familie ist, die Polizei oder der herbeigerufene Priester, eine richtig gute Figur macht kaum jemand. Wobei nur die wenigsten Personen ganz eindeutig einzuordnen sind. Viele haben eine gewisse Ambivalenz, wenn sie sich und andere im Laufe des Films hinterfragen müssen. Und zu hinterfragen gibt es ja eine Menge, selbst wenn das mit der Antwort nicht ganz einfach ist. Petrunya beispielsweise weiß gar nicht so genau, warum das mit dem Kreuz so wichtig ist. Sie wirkt trotz ihres Alters jenseits der 30 Jahre wie ein Kind, das sein wertvolles Spielzeug nicht an andere geben will.

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Diese Ambivalenz ist zum Teil jedoch eine teuer erkaufte. Während Petrunya recht hartnäckig und trotzig bei ihrem Festhalten am Kreuz ist, wird sie doch dadurch definiert, wechseln die anderen zwischendurch immer wieder ihr Verhalten. Im einen Moment bekämpfen sie die wenig heldenhafte Titelheldin, im nächsten sind sie ganz freundlich. Das hätte man auch als Teil einer Taktik aufziehen können, um ihr das Kreuz zu entreißen. Es wirkt hier aber zu willkürlich. Zudem ist das satirische Drama an manchen Stellen auch ein bisschen dicker aufgetragen. Das Publikum wird nicht wirklich angehalten, selbst über etwas nachzudenken. Mitevska teilt schon sehr genau mit, was sie von allem hält: Der Film ist ein Frontalangriff auf alte patriarchische Strukturen und eine systematische Unterdrückung von Frauen.

Dem Unterhaltungsfaktor hat diese Vorgehensweise jedoch nicht geschadet. „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ ist mal witzig, mal erschreckend, zwischendurch auch sehr spannend. Wenn Petrunya in der Polizeistation festsitzt, während draußen der Mob gewaltsam an den Türen rüttelt, dann kann prinzipiell alles geschehen. Der Film flirtet hier sogar mit dem Thrillergenre. Am Ende hat Teona Strugar Mitevska aber vor allem ein Werk abgeliefert über eine Verliererin, die doch zur Gewinnerin wird. Sie wird die Welt nicht verändern, nicht die Gesellschaft modernisieren. Aber sie wird standhalten, lernen jemand zu sein, in einem Umfeld, das sie nicht sieht, nicht sehen will. Und das ist am Ende so ermunternd und hoffnungsvoll, dass man sich auch als Zuschauer*in besser fühlt.

Fazit: In „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ bringt eine arbeitslose Verliererin Anfang 30 ein religiöses Ritual durcheinander und damit den Rest ihres Ortes gegen sich auf. Das satirische Drama ist dabei ein Frontalangriff auch alte patriarchische Strukturen, wechselt von unterhaltsam über schockierend bis zu spannend – aber auch hoffnungsvoll, wenn ein Niemand zu einem Jemand wird.

Wertung: 8 von 10

Regie: Teona Strugar Mitevska; Darsteller: Zorica Nusheva, Labina Mitevska, Simeon Moni Damevski, Suad Begovski, Stefan Vujisic, Violeta Shapkovska; Kinostart: 14. November 2019