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Jon Savage – Sengendes Licht, die Sonne und alles andere. Die Geschichte von Joy Division

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Nachdem letztes Jahr mit Face it die beachtliche Biographie der Pop- und Stilikone Debbie Harry (Blondie) erschienen ist, legt Heyne Hardcore jetzt noch einen drauf. Auf rund 400 Seiten haucht der renommierte Journalist Jon Savage (u.a. the Observer, Mojo) der Geschichte von Joy Division neues Leben ein. Entstanden ist eine Oral History rund um eine Band, die es trotz gerade mal zwei Alben, zu Kultstatus gebracht hat. Um die wohl einflussreichste Band des Post-Punk ist nicht zuletzt aufgrund ihrer legendären Liveauftritte und einer elektrisierenden Melange aus Dark Wave, Indie und Gothic Rock ein Mythos entstanden. Der war vor allem dem früh verstorbenen Frontmann Ian Curtis geschuldet.

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Genau vierzig Jahre ist es her, dass sich Ian Curtis mit nur 23 Jahren am 18. Mai 1980 das Leben nahm. Vierzig Jahre, die das Erbe von Joy Division trotz allem ungebrochen fortbesteht. Viel wurde über die vier Jungs geschrieben, berichtet, kolportiert, verklärt und zementiert. Höchste Zeit also, dass sich mit Jon Savage eine Ikone des britischen Musikjournalismus und ein steter Wegbegleiter der Herren Curtis, Sumner, Hook und Morris an ein umfassendes Werk zur Verewigungs macht. Savage war dabei, als Augenzeuge, Beobachter und Archivar. Eingebunden in edle dickwandige Pappdeckel legt er mit The Searing Light, the Sun and Everything Else: Joy Division ein langerwartetes Opus über jenes Band-Phänomen vor. „The most powerful live group I’ve ever seen“, wie er bescheiden zugibt.

Savage, der Zeit seiner Tätigkeit als Redakteur für Outlets wie Mojo, the Oberserver, Melody Maker und viele mehr etliche Stunden mit dem Thema Joy Division verbracht hatte, gewährt mit dieser Oral History einen fundierten Einblick in die Zeit, als vier junge Männer der stadtgewordenen Tristesse namens Manchester entflohen sind und binnen kürzester Zeit zu einem Leitstern des Indie-Rocks wurden. Anstatt sich selbst die Finger wund zu schreiben, lässt er all die erzählen, die Joy Division am nähesten standen. Zu Wort kommen die, die dabei waren, beim Aufstieg und jähem Ende der Band. Dabei beleuchtet Savage mit gebührendem Abstand auch die Umstände, die zu Ian Curtis’s tragischen Tod geführt haben. Die schlechte medizinische Versorgung, der Druck und wie schlecht es ihm in seinen letzten Tagen wirklich ging – Savage geht in sich und dreht jeden Stein um. Auch um sich selbst und den Fans von einst ein wenig Seelenfrieden zu verschaffen.

Und doch steht die Faszination für jene Zeit und die ganz besondere Aura im Vordergrund, die Joy Division auch heute noch zu einer Legende machen. Alte Freunde, weitere Journalisten und Bandkollegen, liefern mit ihren Erzählungen wertvolle Puzzleteile für all diejenigen , die damals nicht live dabei waren. Unvermeidlich ist es aber auch, dass es dabei zu Ungereimtheiten und Widersprüchen kommt. Doch viel mehr ist es das Gefühl Joy Division, dem Jon Savage auf den Grund geht. Er ordnet seine eigenen Eindrücke – zum Teil auch seine eigene Biographie – gedanklich neu, gewährt Einblicke und neue Perspektiven auf die Band und ihr damaliges Umfeld.

I do feel that I’ve got a greater understanding of what happened then and why it’s continued to nag away at me until now, so Savage. Seine Oral History erhebt nicht den Anspruch komplett zu sein, doch sie macht den Mythos Joy Division auch rund 40 Jahre nach der Veröffentlichung der Über-Alben Unknown Pleasures und Closer greifbar. Vor allem von Außen ein absoluter Blickfang, wäre eine reichere Bebilderung einer der wenigen offenen Wünsche an diese äußerst gelungene Aufarbeitung. This Searing Light, the Sun and Everything Else ist purer Fan-Service, Nostalgie und Vision zugleich. Es ist aber auch die Geschichte von Dämonen, die uns unsere größten Künstler oftmals viel zu früh rauben können.


Gelesen: Jon Savage – Senges Licht, die Sonne und alles andere. Die Geschichte von Joy Division // Heyne Hardcore // Hardcover // 384 Seiten // 20,00 EUR // VÖ: 27. April 2020