Gaddafi Gals
Gaddafi Gals

Im Gespräch: Gaddafi Gals

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Mitsubishi statt Ferarri und mit dem E-Scooter durch New York. blaq tea (alias Ebow), slimgirl fat (ehemals Nalan381) und walter p99 arke$tra – das sind die Gaddafi Gals. Einzeln bereits relativ erfolgreich, geht es seit dem Jahr 2016 nun als Trio den Posern, Chauvis und anderen Arschlöchern an die Gurgel. Ihre EP „The Death of Papi“, aber auch die Single „Fila“ ein Jahr später konnten sich über positive Besprechungen freuen, ihre Konzerte werden als Geheimtipp gehandelt. Über das Gesamtkunstwerk Gaddafi Gals machte letztes Jahr sogar eine eigene Ausstellung unter dem Namen „GG-World“ in München Schlagzeilen, die der künstlerischen Vision und ganzen Bandbreite der Gruppe zusätzlich Ausdruck verliehen. Getreu dem Motto „it’s more than music“ stellen sie diesen Freitag nun ihr langersehntes Debüt mit Namen „Temple“ vor.

Doch ehe wir uns vollends im sündigen Sound aus Future Pop, Cloud Rap und R’n’B verlieren, baten wir Zweidrittel der Gaddafi Gals zum Interview. Live in ihrer alten Heimat sind sie dann am 2. November im folks! club zu erleben.

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Vielen Dank für eure Zeit und erst mal herzlichen Glückwunsch zu eurem „Baby“! Weltmusik aus Bayern titelt da eine Schlagzeile. Was könnt ihr mit diesem Begriff anfangen? Ist das Weltmusik, was ihr da macht?
Walter p99 arke$tra: Puh … Ich spüre spontan eine gewisse Abneigung gegenüber dem Begriff. (lacht) Ne, ich glaube Weltmusik ist kein sonderlich positiv besetztes Label, aber auch etwas, was es in Zeiten des Internets auch nicht mehr wirklich gibt. Für mich ist das so ein 80er-Jahre-Begriff. Heutzutage ist alles Weltmusik und deswegen ist auch der Zusatz „aus Bayern“ gar nicht so relevant. Ich finde, wir klingen auch nicht so, als ob wir aus Bayern kommen.

Slimgirl Fat: Ich finde auch, dass man Musik selten so unterschiedlich verstehen kann. Ich sehe das eher als Genre, bei dem ich Jonas zustimmen muss, dass es aus den 80ern kommt. Dieses Genre der „World Music“. Hieße es „international“, wäre das noch mal was anderes. So hätte man es auch deuten können. Deswegen kann ich mich damit jetzt auch weniger identifizieren.

Das sind vermutlich auch eher die Untiefen von Media Markt und Saturn, wo das zu finden wäre.
Slimgirl Fat: Haha, genau! Nein, damit kann ich nichts anfangen.

Walter p99 arke$tra: Das ersetzt die Reise vieler in exotische Länder.

Informationen über euch zu bekommen, ja auch zu wissen, wann man euch live sehen kann, war nicht immer einfach. Eure Shows werden gerne als Geheimtipp gehandelt und sind noch relativ rar. Tretet ihr mit „Temple“ nun ans Licht?
Slimgirl Fat: Gute Frage …

Walter p99 arke$tra: Wir haben das schon von Anfang bewusst so gemacht. Ich glaube auch, dass wir das ein bisschen beibehalten wollen. Aber uns natürlich auch nicht komplett verschließen.

Slimgirl Fat: Wir wollen da schon gezielt rangehen. Dieses Nebulöse passt auch ganz gut zu unserer Musik. Das Auftreten auch. Es ist natürlich so, dass wir uns nicht verschließen wollen, aber wir halten es gerne etwas dezenter.

Walter p99 arke$tra: Es ist auch so für uns interessant, weil wir in einem Zeitalter leben, wo alle und alles stets verfügbar ist, deswegen halten wir das für ein ganz interessantes Spiel.

Klar, das hatte stets seinen Reiz und so ganz uninteressant ist diese „Schnitzeljagd“ auch nicht. Und siehe da, man kommt euch dann doch auf die Spur.
Slimgirl Fat: Definitiv! Freut uns, wenn nicht nur wir das so sehen.

Heißt das aber auch, dass die Musik im Vordergrund stehen soll? Die Genres, die ihr mitbedient, werden ja sonst eher von großer medialer Präsenz begleitet.
Slimgirl Fat: Das kann man durchaus auch so verstehen, vor allem weil wir auch unsere anderen Projekte haben. Da werden wir teilweise auch anders gelesen und geben uns auch anders, was das Spiel mit der Öffentlichkeit angeht. Da sind die Gaddafi Gals schon eher eine Art Ferienhaus. (lacht) Wir kommen bei diesem Projekt runter, ziehen aber auch gezielt Informationen daraus, die man weiternutzt.

Walter p99 arke$tra: Wir haben schon auch lange und intensiv an der Musik gearbeitet. Wir veröffentlichen da nicht einfach nur eine Playlist, in die man kurz reinhört. Das soll schon ein sehr rundes Ding sein. Ich hoffe, das beantwortet die Frage.

Auf jeden Fall! Könnt ihr mir ein wenig den Werdegang von der EP zum Album beschreiben? Es hat ja doch noch ein wenig gedauert.
Walter p99 arke$tra: Die EP ist innerhalb von fünf Tagen entstanden. Da haben wir jeden Tag einen Song gemacht. Dann haben wir relativ zackig mit dem Album angefangen. Doch im Grunde muss man die beste Veröffentlichungsplattform finden oder schaffen und deswegen hat es auch etwas gedauert. Währenddessen haben wir aber auch weiter am Material gefeilt. Wir hätten natürlich auch schneller sein können …

Slimgirl Fat: Genau. Wir hätten schon früher releasen können, aber was wir auf jeden Fall wussten, war, dass wir uns Zeit nehmen wollten. Die Sachen haben wir innerhalb einer Woche recorded und waren dreimal im Studio. Davor gab es aber eine Art Work-Session bei mir zu Hause in Berlin. Da hat sich jeder für sich an die Sachen gesetzt und vorgearbeitet. Auf jeden Fall wollten wir es aber auch ein paar Monate auf uns wirken lassen. Es hat ein Weilchen gedauert, aber wir sind sehr zufrieden.

Walter p99 arke$tra: Das nächste Album wird nicht ganz so lange dauern! (lacht)

Die Zeit hat sich definitiv gelohnt und jetzt wollen wir uns erst mal an „Temple“ festbeißen. Ihr drei macht ja nicht erst seit gestern Musik. Die Dritte (Ebow) in eurem Bunde war selbst erst auf ihrer ersten Headline-Tour unterwegs. Was nehmt ihr aus euren jeweiligen Projekten mit und was macht die Arbeit an den Gaddafi Gals für euch zu etwas Besonderem?
Walter p99 arke$tra: Sehr viel. Wir arbeiten ja auch an den anderen Projekten im Grunde zusammen. Für mich sind Gaddafi Gals aber schon das Königsprojekt.

Slimgirl Fat: Oder Königinnenprojekt.

Walter p99 arke$tra: Genau!

Well played!
Walter p99 arke$tra: Genau, das Königinnenprojekt, bei dem dann das Beste zusammenkommt. Wenn wir an den anderen Projekten arbeiten, dann ist meistens die Person und deren Projekt, z.B. das Ebow-Album, in charge. Bei den Gaddafi Gals hat jeder dieselbe Stimme und wir entscheiden alles zusammen. Aber teilweise entstehen die Sachen auch gleichzeitig.

Wie entscheidet ihr in dem Fall, was zum einen und was zum anderen passt? Ist das eine Art Intuition?
Walter p99 arke$tra: Das ist schon von vornherein klar. Da besteht gar keine Überschneidung. Wir sind dann wirklich weitestgehend auf die Gaddafi Gals fokussiert. Ich erstell dann beispielsweise unterschiedliche Ordner mit Beats, die dann auch sehr unterschiedlich, aber extra für das Projekt sind. Das ist im Prinzip die Vorgehensweise. Es gibt eine sehr klare Linie, wie die Gaddafi Gals für uns klingen sollen, auf jeden Fall.

Die Fachpresse ist schon seit einer Weile begeistert, Diffus kürt euch zum Highlight des Jahres und auch die New York Times war voll des Lobes. Erhöht das den Druck im Zuge des Debüts?
Slimgirl Fat: Meiner Meinung nach gar nicht. Ich achte gar nicht so sehr auf die Presse oder was die davon denken könnte. Die Erwartungshaltung ist auf uns gerichtet und wir wollen stets das Beste herausholen. Immer und für jeden Zeitpunkt. Solange wir das Ganze stimmig finden und für toll befinden, dann kommt das auch gut an. Das ist so meine Philosophie, aber ich glaube auch die von Jonas und Ebru.

Auch über die Musik hinaus, habt ihr einiges in petto. Was war da letztes Jahr nochmal los in München?
Walter p99 arke$tra: Das war im letzten September einen Monat lang. Die GG-World in der Artothek in München. Da wir eigentlich alle auch in anderen Kunstrichtungen arbeiten, hat das einfach Sinn gemacht. Und wir wurden eingeladen, den Ort zu kuratieren. Wir haben den ultimativen Gaddafi-Gals-Fanshop gebaut, der sehr rosa war.

Slimgirl Fat: Der war im Farbton unserer EP gestrichen. Das haben wir extra anmischen lassen und inklusive Decken auch alles selbst gestrichen. Die EP war quasi das Augenmerk, an dem wir uns ausgerichtet haben. Dreidimensional gebaut. Da gibt’s leider nicht viel Bildmaterial dazu.

Und da haben wir es auch schon wieder mit dem Nebulösen. Ärgerlich, wenn man das verpasst hat.
Slimgirl Fat: Auf der Vernissage haben wir auch ein Live-Konzert gegeben. Alles for free und ein richtig schönes Ding.

Die Gaddafi Gals als Gesamtkunstwerk zwischen 90er-Nostalgie und Female Empowerement. Wichtig und doch ästhetisch. Was können wir von der Tour und euch über dem Album hinaus erwarten?
Walter p99 arke$tra: Eine Ausstellung ist erst mal nicht geplant. Das war viel Arbeit und die Zeit haben wir gerade nicht. Aber wir machen alles am Album selbst und arbeiten auch seit Monaten an der visuellen Umsetzung. Auch an der filmischen und konzeptuellen wie politischen Ausrichtung des Projekts. Das muss reichen! (lacht)

Alle Augen auf für die Tour! Wir freuen uns sehr drauf und wünschen euch alles Gute!
Walter p99 arke$tra: Vielen Dank!

Slimgirl Fat: Geil, sehr gerne!


Gaddafi Gals – Temple // 3-Headed Monster Posse / RecordJet // VÖ: 27. September 2019
curt präsentiert: Gaddafi Gals > Homepage // 2. November 2019 // folks! club