Emma Ruth Rundle curt München

Im Gespräch: Emma Ruth Rundle

„This woman kows how to quiet a room.“

Spätestens seit ihrem Album „Marked For Death“ kommt Emma Ruth Rundle die Anerkennung zu, die einer begnadeten Gitarristin und bitter ehrlichen Songwriterin zusteht. Tieftraurig und grüblerisch wird ihr Grenzgang zwischen Folk, Post-Rock und Metal beschrieben. Doch gerade ihre sympathische Art und zerbrechliche Grazie gepaart mit großer Virtuosität und technischem Know-How machen sie zu einem weiteren Ausnahmekünstler auf dem Qualitäts-Label Sargent House, das auch Bands wie Russian Circles, Earth, Deafheaven und Chelsea Wolfe den Rücken stärkt.

Dabei wandelt die bescheidene Künstlerin mit dem wilden Haar stets zwischen zwei Welten. Mal laut und leise, mal hoffnungsvoll und traurig, reicht ihre Palette von herzzerreißenden Balladen hin zu mitreißenden Shoegaze-Böen. Emma Ruth Rundles Solowerk findet genau dort statt, wo es wehtut. Immer dann, wenn sie sich vorsichtig und mit fragiler Stimme den Untiefen des Menschseins widmet, wird der Hörer beim nächsten Wimpernschlag unter meterhohen Gitarrenwänden begraben, die monolithisch aufragen und unter ihrer kraftvoll vorgetragenen Klage in sich zusammenbrechen.

Eine ganz besondere Facette ihrer Songs bekam das Publikum diesen Sommer unter anderem auch  in der Augsburger SoHo Stage zu hören. Nach einer Mini-EU-Tour, die rund um die persönliche Einladung von Alice In Chains gebucht wurde – die sich wiederum Rundle explizit in der Akustik-Version im Vorprogramm gewünscht hatten –, ging es ein letztes Mal in minimalster Besetzung und mit einem Minimum an Effekten auf die Bühne. Mit dem Spotlight nur auf ihre Stimme und ihr Spiel gerichtet, präsentierte ERR intimer denn je und dadurch nicht minder eindringlich ein Best-of ihrer bisherigen Songs, nachdem ihr Jaye-Jayle-Frontmann und seit Mai auch Ehemann Evan Patterson mit seiner hypnotischen Noir-Blues-Darbietung ein Meer hoch konzentrierter Ohren geschenkt hatte.

Ihr letzter denkwürdiger Tourabend zu zweit und wie Patterson später attestiert „the favorite, the fifth and the finale“, begann jedoch mit einem gemütlichen Bier im urigen Backstage, bei dem es neben ihrer Solo-Karriere und der Beziehung zu ihrem Label Sargent House, auch um Emma Ruth Rundles just erschienenes Album „On Dark Horses“ (VÖ 16. September) gehen sollte:

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Emma, heute ist der letzte Tag deiner Solo-Tour und es war diesmal in der Tat eine Mini-Tour. Auch heute trittst du solo auf, hattest jedoch auch eine Handvoll Termine mit Chelsea Wolfe auf der Agenda. Was nimmst du jetzt mit nachhause und was war das besondere, gerade im Hinblick auf die doch eher kleinen Städte wie heute Augsburg?

Es war diesmal vor allem sehr schön Orte zu besuchen, an denen ich noch nie war. Auch wenn wir meistens nicht viel Zeit haben, diese wirklich bestaunen. Wir fahren hauptsächlich von einem Ort zum nächsten und verbringen die Zeit eher in stickigen Räumen und aufder Bühne. Aber ja, es war schön neue Promoter kennen zu lernen, neue Venues zu spielen und vor allem neue Fans zu treffen.

Dir wurde auch eine besondere Ehre zuteil, als dich niemand geringeres als Alice In Chains explizit für ihren Auftritt auf dem diesjährigen Montreux Jazz Festival gebucht haben, richtig?

Ja, daran war auch in der Tat die gesamte Tour aufgehängt. Als dann schließlich Chelsea auch noch angefragt hatte, ergab es immer mehr Sinn, eine Weile zu bleiben. Aber es war wunderschön, klein, aber sehr schmeichelhaft. Weißt Du, gerade wenn ich solo performe geht es mir immer ein wenig nahe…

Dein guter Ruf eilt dir jedoch voraus und sowohl in der Metal- als auch in der Post-Rock-Szene kennt man dich bzw. deine beiden Bands Marriages und Red Sparowes sehr gut. Dein Solomaterial geht jedoch in eine ganz andere Richtung und trotzdem wird es sehr positiv besprochen. War da ein Montreux Jazz Festival nochmal aufreibender?

Ein Stück weit ja. Ein wenig angsteinflößend auch, aber im Grunde kommt es immer auf mein derzeitiges Mindset an. Ich hatte erst das Meltdown Festival alleine bestritten, sowie letztes Jahr Roadburn… dennoch hat mich Montreux nochmal eine ganze Spur mehr eingeschüchtert. Gleichermaßen war es aber auch die dankbarste Show. Ich will nicht immer solo unterwegs sein, aber mittlerweile fühle ich mich dabei sehr viel wohler und ich bin zufrieden mit dem, was ich mache. Aber natürlich geht es dabei auch um die Kosten. Meltdown war nur als Solo-Act machbar und Montreux eine persönliche Einladung um bei Alice In Chains‘ Unplugged-Show zu spielen. Das war der Wahnsinn! Und gleichzeitig ist Montreux das, was für meine Musikerfreunde und meine Familie das absolut spannendste ist. Für mich war es das auch und es ist eine große Ehre, die ich unmöglich hätte ablehnen können. Wann passiert das schon? Und es lief wirklich super! Die ganze Crew war sehr nett zu mir, Alice In Chains sowieso und auch das Publikum hat mir gutes Feedback gegeben. Es war wirklich ein kleiner Traum, Teil eines solch legendären und vielfältigen Festivals zu sein.

Deine Songs handeln von Zeit zu Zeit von ziemlich starkem Tobak und du trägst dein Innerstes oft sehr nach außen. Sind es gerade diese Themen, die es dir manchmal schwer machen, vor allem solo auf die Bühne zu gehen? Nacht für Nacht… Und musst du auch beim Schreiben deiner Songs ab und zu eine Bremse zum Selbstschutz einlegen?

Alles wovon du sprichst, trifft zu. Es wandelt sich natürlich jeden Tag und es kann sehr wohl ein kleiner Kampf sein, das jeden Tag aufs Neue durchzuziehen. Manchmal macht es aber auch eine gute Show aus, wenn man die Emotionalität der Songs spüren kann. Und natürlich hofft man, dass es auch zum Publikum spricht. Jedenfalls tue ich das jede Nacht. Das kann einen schon emotional und psychisch mitnehmen. Deswegen habe ich auch „Real Big Sky“ eine ganze Weile nicht gespielt. Der Song hat eine große Bedeutung für mich und ich konnte ihn einfach nicht über die Bühne bringen. Es mag vermutlich bescheuert klingen, dass ich bei meinen eigenen Songs ab und an heulen muss…

Nun ja, du hast ihn vermutlich gerade deswegen geschrieben.

Exakt! Und jetzt geht es auch wieder. (lacht) Nichtsdestotrotz denke ich, dass es am Ende auch diesen Hoffnungsschimmer in meinen Songs gibt.

Als du „Marked For Death“ aufgenommen hast, ging es dir dennoch sehr schlecht und du meintest einmal, dass du diese Zeit gerne hinter dir lassen und positivere Songs schreiben willst. Ist dem noch so und wie wirkt sich das auf „On Dark Horses“, deinem neuen Album, aus? Bist du ans Licht gegangen?

Ich bin sicher nicht ans Licht gegangen, aber habe mich auch nicht in der Wüste wie damals verschanzt. Und das für Wochen. Weiß ich überhaupt, wie man fröhliche Musik macht? (lacht) Ich weiß nicht, ob das je geschehen wird, aber ich denke, dass das Album auf jeden Fall farbenfroher ist. Es hat einfach einen riesigen Unterschied gemacht, dass ich dieses Mal mit einer Band im Studio war und mich nicht isoliert habe. Wir haben das Album tatsächlich als Band aufgenommen. Auf „On Dark Horses“ ist wesentlich mehr Atmosphäre vorhanden, sowie riesige Gitarrenwände zu hören. Es ist definitiv auch wieder mehr Post Rock enthalten, aber auch mehr von dem, was ich beispielsweise mit Marriages gemacht habe. Ich habe es etwas vermisst, in einer Band zu spielen und gerade diese kollaborative Herangehensweise an die Songs ist auf diesem Album zurückgekehrt.

Wo du es ansprichst. Ist neben Emma Ruth Rundle noch Platz für Marriages?

Ich hoffe es! Greg, Andrew und ich wollen auf jeden Fall ein Album aufnehmen. Andrew ist derzeit mit Drab Majesty unterwegs, eine Band, die ich absolut großartig finde und Greg übt sich als Vater. Insofern ist da ein wenig Stillstand, aber wir sind auf jeden Fall noch eine Band.

Das ist gut zu wissen. Die Frage war mir auch ein wenig unangenehm, aber wei du dir vorstellen kannst, wurde ich mehrfach darum gebeten…

Ich weiß, ich weiß! Jeder fragt danach, aber es ist schon witzig… Als wir mit Marriages unterwegs waren, hatte ich nie das Gefühl, dass es wirklich zu den Leuten spricht. Doch auf einmal fragen alle danach, das freut mich.

Dein Label, Sargent House, ist zumindest für uns hier in der Redaktion ein sehr aufregendes Label. Sind doch einige unserer Lieblingsbands wie Russian Circles oder Earth Kollegen von dir. Was kannst du von der Zusammenarbeit mit Sargent House berichten? Ist es dieses cool Zuhause, für das man es so gern halten will?

Es ist definitiv eine Familie. Ich bin seit 10 Jahren bei Sargent House, schon mit Red Sparowes, aber auch mit Marriages und meinen Solo-Sachen. Aber auch Jaye Jayle, die mich unterstützen und die ich ebenfalls als Art „Side-Lady“ supporte. Sargent House reflektiert viele natürlich gewachsene Connections unter den Bands und man könnte vermutlich einen wunderbaren Stammbaum zeichnen. Aber ja, wir sind zu einem Großteil Freunde. Cathy und Mark bedeuten mir die Welt und unterstützen mich, wo es nur geht. Die Musik steht wirklich im Vordergrund, aber gerade Cathy und ich stehen uns sehr nahe.

Deine Eindrücke kann ich auch von der anderen Seite her nur bestätigen. Gerade was die Kommunikation auch für unser heutiges Gespräch und Band-PR im Allgemeinen angeht. Ein großartiger Laden!

Wir waren ja auch schon zu Marriages-Zeiten mit Chelsea auf Tour oder eben Russian Circles. Wir sind wirklich Freunde. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass ich mit Chelsea Pyjamapartys veranstalte und wir uns gegenseitig die Haare machen. Aber da ist immer eine gewisse Kammeradie, bei allem, was wir tun. So waren auch auf dieser Tour ihre Fans sehr respektvoll und ich hätte gern mehr Shows mit ihr gespielt. Es ist immer schön Leute um sich zu haben, denen man trauen kann. Aber wir hängen jetzt nicht jeden Tag zusammen, das passiert gerade nur mit meinem Ehemann. (lacht)

Emma, du gehst gleich auf die Bühne, und während du für einen sehr effektgeladenen Sound bekannt bist, erwartet uns heute eher eine Unplugged-Version. Wann entscheidest du, ob ein Song einen gewissen Bombast braucht oder dieser mit weniger auskommt?

Es kommt immer auf die Art des Albums an. „On Dark Horses“ war von Anfang an als Band-Album gedacht und nicht als Akustik-Platte. Also wirklich nicht unplugged, stripped-down, Nick-Drake-Style, gar nichts davon. Ich bin schon so lange mit Jaye Jayle auf Tour, dass ich einfach diese Chemie einfangen wollte. Und ich glaube, dass ich diese mit noch keiner anderen Band erlebt habe. Dass es so tight gewachsen ist, ist für mich etwas Neues. Wir spielen uns die Bälle gut zu und es wäre eine Schande gewesen, das nicht auf Platte zu bannen. Es ergab einfach Sinn für mich. Ich schreibe meine Songs allerdings auf derselben Gitarre, die ich auch heute spielen werde. Sie starten als sehr rudimentäre Versionen und das, was ich auf dieser Tour gespielt habe ist am ehesten mit den Demo-Versionen meiner Alben zu vergleichen.

Das klingt doch nach einem sehr besonderen Abend.

Na ja, wenn alles gut geht, dann ja. (lacht) Bei „Marked For Death“ war es jedoch ein wesentlich experimentellerer Prozess. Da hatte ich die Songs so gut wie fertig geschrieben und für 10 Tage habe ich mit Andrew von Marriages die Songs Stück für Stück aufgebaut. Vor allem die Drums geben meiner Meinung nach exakt vor, wie sich der Song entfalten wird. Vielleicht auch zu welchem Genre er gehört. Ist es eine Ballade? Ein Rock-Song? Wir haben von „Hand Of God“ vermutlich fünf Versionen aufgenommen und einige davon waren echt nicht gut. Aber auch von „Real Big Sky“ gibt es eine Ambient-Brian-Eno-Version… die habe ich aber weggeworfen. Die kriegt ihr heute nicht zu hören.

Verdammt!

(lacht) Dafür gibt es auf diesem Album Songs zu hören, die wesentlich mehr straight-foward sind. Wir sind einfach als Band ins Studio und haben die Songs so aufgenommen, wie wir auch die Songs von „Marked For Death“ mittlerweile als Einheit spielen. Ich bin sehr stolz auf „On Dark Horses“, aber auch auf alle meine Bandmitglieder.

Du erwähntest mal in einem Interview, dass du das Album in Europa und nicht in den Staaten aufnehmen wolltest. Das hat jetzt nicht wirklich geklappt, oder?

Oh je, da hast du mich erwischt! Ich bin tatsächlich wieder heim. Das habe ich letztes Jahr gesagt, oder? Ich wäre gern in ein Schloss in Frankreich gegangen, in dem mein Tour-Manager bereits aufgenommen hat. Jedes Mal, wenn ich hier bin, will ich nicht zurück zu dieser Shitshow in den Staaten. Das Touren in Europa ist einfach so viel besser.

Sowie das Bier?

Ohja! (lacht) Das liebe ich auch sehr! Nein, ich bin nach Louisville Kentucky und wir haben relativ kostensparend aufgenommen. Das ist das erste Emma-Ruth-Rundle-Album, das ich wirklich in einem richtigen Studio aufgenommen habe und das hört man auch. Aber es ist auch sehr viel von Louisville zu hören.

Auch die Pressemitteilung macht keinen Hehl mehr daraus, dass ihr mittlerweile verheiratet seid, doch welchen Einfluss hatten Jaye Jayle und vor allem dein Ehemann Evan Patterson auf „On Dark Horses“?

Er hat eine extrem unterstützende Rolle eingenommen. Vor allem wie er Gitarre spielt, imponiert mir sehr. Einige der Parts auf „On Dark Horses“ sind aus einer Kollaboration entstanden und ich hatte diverse Gitarren-Spuren im Kopf, die er spielen sollte. Aber auch er hatte einige Ideen, die mich begeistert haben. Wir haben jedoch einen ähnlichen Style und es gibt tatsächlich Stellen auf dem Album, bei denen ich nicht mehr weiß, ob die am Ende von mir kamen oder von Evan. Er und Jaye Jayle haben definitiv viel zum Album beigetragen, sowie auch ich mich auf seinem Album ein wenig einbringen konnte.

Ihr seid schließlich beide nicht gerade untalentierte Gitarristen…

Oh Dankeschön! Aber so kam auch eins zum anderen. Als wir begannen zusammen live zu spielen, dachte ich mir nur: „Holy shit!“. Das war wild und so ein Gefühl hatte ich noch nie bei jemanden. Dieses Verständnis und dieser Style. Wir ergänzten uns wirklich gut, doch genau diese Form der Zusammenarbeit hat mich zunächst stutzig gemacht. Ich will es nicht leugnen, aber einen Mann auf meinem Album spielen zu lassen? No way! Das war im ersten Moment hart für mich, da ich es gewohnt bin, sämtliche Gitarren-Parts selbst einzuspielen und zu perfektionieren. Dieses Loslassen und Evan sein Ding machen zu lassen war schwer. Aber auch das war am Ende unheimlich lohnenswert und ist hoffentlich auf dem Album zu hören.


curt präsentiert: Emma Ruth Rundle > Homepage // Support: Jaye Jayle > Homepage // 21. Oktober 2018 // Milla // Beginn 20 Uhr // VVK 16 EUR zzgl. Gebühren

Unsere Verlosung ist beendet, die Gewinner wurden informiert.

Interview: Tim Brügmann > Homepage