Deftones Ohms
Deftones Ohms

Gehört: Deftones – Ohms

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I finally achieve balance

Knappe vier Jahre nach ihrem, die Fan-Gemeinde spaltenden, Shoegaze-Ausflug Gore (siehe unser Interview) melden sich die fünf Art-Metaller aus Sacramento zurück. Ohms titelt das nunmehr neunte Studioalbum der Deftones und tatsächlich gelingt ihnen der Spagat aus Altem und Neuem, aus dem sie eine beachtliche Kernfusion machen.

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Gerade noch feierte man den 20. Geburtstag des bahnbrechenden Erfolgsalbums White Pony, da überrascht die Band um Chino Moreno kurzfristig mit Neuigkeiten zu einem neuen Album und einer gleichnamigen Single. Dicht gefolgt von der zweiten Auskopplung Genesis wurde dem eingefleischten Deftones-Jünger schnell klar: Ohms könnte ein Comeback bedeuten! Ein filigranes Synth-Bett auf dem die ganzen neun (!!!) Gitarren-Saiten von Steph Carpenter einschlagen, eine Rythm-Section, die nach Vorne prescht und ein Frontmann, der mit seinen 47 Jahren selten besser klang. Nun ist das Album endlich erschienen und sein Titel ist Programm. Ohms ist ein Spannungsfeld und verbindet die Deftones-typische Gewalt meisterhaft mit ihrer sphärisch schwitzigen Sündigkeit.

Dabei lassen sich die rund zehn Songs, und das somit kürzeste Deftones Album, vor allem als druckvoll beschreiben. Keine Note zu viel, keine überbordenden Intros oder ein ellenlanges Herauszögern des Finales. Mit Genesis und Ohms, dem Alpha und Omega der Platte, hat die Band die Klangwelt dieses Werks bereits abgesteckt. Beide Singles sind die Klammern, die die Wucht, den Schmerz und den Eskapismus der übrigen Songs einfangen. Dass wir es hier mit einer Rückkehr zu alten Tugenden zu tun haben, hat man wohl Terry Date zu verdanken. Denn er war bis 2003 hinter den Reglern schließlich prägend für den Sound der Deftones.

Haben sich Moreno und seine Mannen über ihre Spätphase hinweg als meisterhafte Dirigenten von Atmosphäre und Aufbau gezeigt, schürft man sich mit Songs wie Radiant City oder Error auch endlich wieder die Knie im Skatepark auf, ehe Headless das Pflaster über alle Wunden legt, die das Album bis hierhin gerissen hat. Im Tauziehen aus Schönheit und Brutalität fühlen sich die Deftones am wohlsten, doch mit Ohms scheint auch die Spielfreude zurückgekehrt zu sein, die Chino Moreno mit einer seiner stärksten Stimmleistungen veredelt. Vor allem Sergio Vega am Bass und Abe Cunningham hinter der Schießbude sind angenehm präsent. Und auch Frank Delgado weiß, wie man den Songs eine unheimliche Geisterhaftigkeit einhaucht.

Nimmt man die Lyrics ins Auge, lässt sich ein zugrundeliegendes Thema ausfindig machen. Honig, Gräber, Geister, Asche, Trümmer, Liebe nach dem Tod. Ohms erinnert an eine Geisterreise, die das Verlorene hinterfragt und versucht, den Schwebezustand zwischen Leben und Tod zu unterscheiden. Einfach weiterziehen? Das scheint für das lyrische Ich zumindest keine Lösung zu sein. Ein Song wie This Link is Dead, mag dann auch vielleicht nicht der härteste Song der Deftones sein, mehr Liter Gift spucken kann man jedoch nicht.

Und so muss man den Hut ziehen vor einer Band, die es geschafft hat auch in der dritten Dekade ihres Schaffens zu überraschen und vor allem zu überzeugen. Auf Ohms präsentieren sich die Deftones experimentierfreudig und energiegeladen wie schon lange nicht. Dennoch halten sie an ihrer Erfolgsformel fest. Laut und leise, stark und schwach, die Balance aus Alt und Neu ist perfekt. Wahrlich ein spannendes Album!


Gehört: Deftones – Ohms // Reprise Records  // VÖ: 25. September 2020 > Homepage