curt war da: HEALTH

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Ganze neun Jahre musste das geneigte Isardorf auf die Rückkehr der Noise-Institution HEALTH aus Los Angeles warten. Nach einem abgesagten Gastspiel im KONG war es am 28. Februar dann endlich so weit, als das Trio aus der Stadt der Engel im dichten Nebel aus Synthesizern, Live-Drums, filigranen Vocals und überirdischem Saiten-Geschrammel die ein oder andere neue Synapse aus dem Nichts entstehen ließ.

Doch bevor Jake Duzsik, John Famiglietti und BJ Miller ihr äußerst positiv besprochenes viertes Album Vol. 4: Slaves of Fear auf das nach der HEALTH-Injektion dürstende Publikum losließ, war es Zeit für die Berliner DJane und Produzentin Born in Flamez, die sich ihrerseits auch für den ein oder anderen HEALTH-Remix verantwortlich zeigte. Born in Flamez ist laut eigener Aussage ein transhumanes Experiment jenseits von Gender- und Genrekonventionen und so präsentiert sich der im Großen und Ganzen kühl gehaltene Klangteppich als Ausflug in die Sample-Kultur der 90er, wobei wir auch einen Blick in Richtung Björk oder auf das Projekt iamamiwhoami der Schwedin Jonna Lee wagen. Mit modifizierten Vocals und den Blick durch schwarze Plastikscheiben vor den Augen abgedunkelt, erweist sich Born in Flamez, die lediglich als weißer strahlender Punkt auf der in Dunkelheit getauchten Bühne hinter ihren riesigen Modul-Aufbauten zu erkennen ist, als perfekter Opener für die anstehenden harten Soundcollagen von HEALTH.

 

Zum Gongschlag 10 entern schließlich die Helden des Abends die kleine Bühne und überzeugen ab der ersten Minute. Über die Tracks Victim und Men Today geht es direkt in ihren Hit Die Slow über, den das Trio routiniert und doch mit erhabener Inbrunst vorträgt. Dass Fehlen des mittlerweile ausgestiegenen Gitarristen Jupiter Keyes mag man zu keiner Zeit bemerken, so druckvoll und energetisch präsentieren sich HEALTH im ersten Drittel ihres extrem dicht getakteten Sets. Dabei gelingt es der Band, ihren Kult-Status alle Ehre zu machen und gleichwohl einen gekonnten Spagat aus ihrem bisherigen Œuvre hinzulegen. Die Tracks vom aktuellen Album Vol. 4: Slaves of Fear fügen sich nahtlos in das Gesamtkonzept ein und erweitern den HEALTH-Kosmos um die ein oder andere härtere Tonspur, die vor allem durch die Live-Drums von BJ Miller nichts vom Druck der Studioaufnahme vermissen lassen. Nein, live sind HEALTH nochmal ein ganz anderer Schnack. Surrealer Klang in der dafür vermutlich besten Location – der spartanischen, aber extrem wirkmächtigen Kranhalle – trifft auf unterkühlte Farben und eine visuelle Qualität, bei der vor allem das berühmt-berüchtigte Headbanging von John Famiglietti visuell nachhallt. Filigran und wuchtig, all over the place und doch ganz konzentriert walzen HEALTH durch das Lexikon der Effekte und lassen ihren unverkennbaren Sound wie eine Regenwolke über dem Publikum nieder.

Gut eine Stunde lang haben HEALTH das Publikum mit Songs wie Strange Days, Stonefist und Crusher auf Spannung und im konstanten Mitwipp-Modus gehalten, ehe der Beifall nach fast einer Dekade Wartezeit entsprechend euphorisch ausfiel. Anders hätte es auch gar nicht sein dürfen und dennoch war der Abend des 28. Februar noch viel mitreißender als erwartet.


HEALTH – Vol. 4: Slaves of Fear // Loma Vista Recordings // VÖ: 08. Februar 2019 > Homepage

Fotos: Lukas Steigerwald > Homepage
Text: Tim Brügmann > Homepage