Gehört: Ariel Sharratt & Mathias Kom – Never Work

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Revolution! Der Protestsong ist zurück.

Das kanadische Singer-Songwriter-Paar Ariel Sharratt & Mathias Kom (aka The Burning Hell) schenken uns die einprägsamen Parolen, die wir demnächst auf unseren Anti-Kapitalismus-Demos singen werden.

Aktueller geht es nicht. Der Corona-Shutdown brachte es ans Licht: Systemrelevant sind nicht die Reichen. Somit haftet den Protestliedern von „Never Work“ eine ungeahnte Weitsicht an, denn sie richten sich an die Habenichtse dieser Welt.


Pünktlich zum Tag der Arbeit am 1. Mai erscheint das Album „Never Work“ des Duos Ariel Sharratt & Mathias Kom. Die musikalische Revolutionsuntermalung wird den verwöhnten Ohren eines an Vielfalt gewöhnten Spotify-Publikums schmecken. Denn nicht ein einsamer Barde mit schnöder Klampfe wie einst Hannes Wader oder Wolf Biermann bringt hier die Message unters Volk. Sharratt und Kom klingen als Duo angenehm wohltuend und entspannend. Songs wie „Rise up Alexa, rise up“ haben sogar Ohrwurmcharakter. Eine gute Strategie, wenn man das Volk gegen die unsichtbare Macht der schönen neuen Online-Welt mit ihren verheerenden Ausprägungen ansingen lassen will.

Konfrontiert mit einer ungewissen Zukunft, die unheilvolle Tendenzen zu Katastrophen aufbläst, stellt sich die westliche Welt sowieso die Systemfrage. Wie es sich am Wendepunkt vor dem Zerfall für arbeitslose Akademiker, Lieferando-Radler oder Hand-in-den Mund-Sklaven lebt, das wird auf Album „Never Work“ in knalligsten Farben beschrieben. Ein düsteres Bild zu lockeren Takten. Da stimmt was nicht. Das merkt aber nur der, der hinhört. Die Stimmung lodert allerorten.

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Die konkreten Gegner im Kampf gegen die Missstände heißen Jeff Bezos und sein Baby Alexa. Der Song „Rise up Alexa, rise up“ ist den Maschinen gewidmet. Ein Zwiegesang mit der KI-Alexa „Alexa, what time is it?“ ist der User-Realität nachempfunden. Ein Dialog auf Ohrenhöhe. Die Musik taugt nebenbei für Salsatänzer. Klezmer-Klänge im Hintergrund – Globalisierung komplett. Alexa soll sich selbst gegen ihren Meister erheben und eine Revolution der Bots anzetteln. Ein Kampf nicht nur den unbestechlichen Algorithmen, sondern auch gegen ihre Väter wie Jeff Bezos, die auch uns Menschen zu Bots werden lassen.

Andere Lieder erzählen von weiteren Jeffs. Der gute Jeff, der böse Jeff und auch noch am Rande der Linkedin-“Cheff“ Jeff CEO Weiner. Die Moritat von den „Two Jeffs“ entrückt sie in eine exotische Welt mit Ukulele und indisch angehauchtem 60s-Flair.

Ja, es gibt Hoffnung. So erinnert der Gesang an Peter Paul & Mary, manchmal an Leonard Cohen oder Bob Dylan.

Gezupfte Gitarre, eine Collage als Artwork und harmonische Stimmlagen: so beschwören Sharratt/Kom immer wieder die Sixties herauf. Ein Welt, die trotz Studentenbewegung und Vietnamkrieg vergleichsweise noch in Ordnung war. Mrs. Patel kämpft in ihrem Song nämlich gegen andere Mächte. Ihr Konkurrent ist virtuell und doch real. Sie ist die Supermarktkassiererin, die durch ein Selfscanning-System ersetzt werden sollen. Perfide, dass ihr der Chef nicht sofort kündigt. Sie soll den Kunden assistieren, wenn sie sich selbst abkassieren. Sozusagen wickeln sich alle selbst ab.

Mit der Zeile „The year was 2020, and the humans weren’t doing so well“ beginnt „The Robots vs. Mrs. Patel“. Tönt da nicht gleich „In the year 2525“ im inneren Ohr? Damals hieß es:

„In the year 5555
Your arms hangin‘ limp at your sides
Your legs got nothin‘ to do
Some machine’s doin‘ that for you“

Ironischerweise wurde diese Utopie schon im Jahr 2020 erfüllt. Was in den Sixties noch wie eine Aussicht auf eine Zukunft jenseits von Schwielen und Mühsal wirkte, bewirkt für Mrs. Patel den Verlust ihrer Lebensgrundlage. Doch Mrs. Patel findet einen Weg, die tödlich effiziente Software umzudrehen und gegen den kapitalistischen Chef zu wenden:

„And she and her team of rebellious machines are redistributing the wealth

All you bosses and bankers had better beware of the robots and Mrs Patel“

Selbst wenn Mathias Kom mit seiner sonoren Lou-Reed-Stimme ohne Schnickschnack die Begleitgitarre zupft, ist die Spannung groß. Das liegt an den spannenden Geschichten, die er so vortrefflich erzählt. Zusammen mit Ariel Sharrett liefert er bewegende Heldenlieder, die größere Reichweite erzielen als Aufklärungsromane. Gesungene Schicksale der Jetztzeit – das ist neu.

Wollen wir hoffen, dass die Erzählungen von Leuten wie du und ich bald von vielen gehört und nachgesungen werden. Und zwar nicht nur am 1. Mai.


Ariel Sharratt & Mathias Kom – Never Work > Facebook // BB*ISLAND  // VÖ: 01. Mai 2020 // spotify