Im Gespräch: Achim Bergmann von TRIKONT

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Der Punk von damals mit dem Blick von heute

Hans Söllner, Coconami, Kofelgschroa, Zwirbeldirn, LaBrassBanda, Ringsgwandl, Willi Michl … Schon ein Auszug aus dem Künstler-Repertoire von TRIKONT liest sich wie das Who is Who der bayrischen Musik. Natürlich beschränkt sich der Münchner Musik­verlag nicht auf süddeutsche Interpreten, auch deutsch­landweit hat er über die Jahre eine interessante Mixtur angesammelt.

Achim Bergmann, einer der Köpfe von Trikont, prägt und pflegt seit fast 45 Jahren die Musikszene in und um München und hegt eine ausgeprägte Leiden­schaft für bairische Sprache und bayrische Kultur. curt traf den Westfalen mit dem weiß-blauen Herz zu einem ausgiebigen Nach­mittagsratsch.

Woher kommt deine Begeisterung für den Dialekt und die Musik des Südens?
Der süddeutsche Raum hat in Sachen regionale Sprache besonders viel zu bieten. Als ich nach Bayern kam, war ich fasziniert von der Wirkung dieser Sprache. Ich hab eine Platte von Ludwig Thoma pausenlos auf Kassette im Auto gehört und konnte nicht fassen, mit welchem Selbstbewusstsein, mit welch Lebensfreude die sprechen! Es gab diese wunderbaren Serien („Irgendwie und Sowieso“ etc.), die Filme Achternbuschs … Ich war geflasht von diesem Gebrauch von Sprache!

Für unsere Reihe „Rare Schellacks“ hab ich eigenhändig und über Jahre Songs gesammelt. Ich hab mich mit den größten Spinnern und Neurotikern auseinandersetzen müssen, um an die Musik zu kommen. Der Kraudn Sepp beispielsweise, ein großartiger Wirtshaussänger, mit dem in den 80er-Jahren ein freigeistiger Unternehmer drei Platten gemacht hat. Wir haben sein Gesamtwerk veröffentlicht und ich bin stolz drauf! Einige unserer Künstler studieren das regelrecht und spielen auch das eine oder andere Lied aus der Zeit der Münchner Volkssänger: „So a Gauner hat a Leben“ (Kofelgschroa) oder auch „A Bier will i ham“ (Zwirbeldirn). Es ist quasi der Punk von damals mit dem Blick von heute.

Interessant, dass ein Westfale kommen muss, um den Bayern ihre Musik wieder schmackhaft zu machen …
Vielleicht hat ein Außenstehender einen anderen Blick darauf. Das Gewohnte verliert oft seinen Reiz, scheint weniger besonders. Meine Kollegin Eva Mair-Holmes zum Beispiel kannte viele der Lieder auf den „Raren Schellacks“ noch aus ihrer Kindheit. Ich kannte das nicht – für mich war das großartig!

Wie fing das alles an?
Der Trikont Verlag wurde 1967 gegründet aus einer – wie ich es nenne – radikal-demokratischen Bürgerbewegung. Daraus hat sich 1971 der Trikont Musikverlag entwickelt. Es gab viele Songwriter aus der linken Szene und viele Lieder, bei denen sich keiner traute, die zu machen oder zu veröffentlichen. Damals war es für viele Leute nicht zeitgemäß: Bayrische Liedermacher – das klang verstaubt und miefig. Ende der 60er, Anfang der 70er kamen dann italienische Gastarbeiter nach München und haben uns staunenden Menschen beigebracht, wie man Politik in Lieder verpackt. Die haben ständig gesungen und eigene – natürlich auch radikale – Texte geschrieben und teilweise auf populäre italienische Schlager oder Volkslieder gesungen. Und das mit einer Unbefangenheit, die uns damals fremd war. Hierzulande war es okay, Rockmusik oder eben Rio Reiser zu hören, aber deutsche Volksmusik zu singen, war peinlich. Es waren radikale Typen, Spontis … Daraus entstand die Idee, das auch mit Liedermachern aus Deutschland zu machen. Nur eben sehr viel rotziger, als das bis dahin der Fall war.

Wir mussten lange und immer wieder begründen, warum wir uns mit bayrischer Musik befassen, und haben so immer wieder definiert: Die bairische Muttersprache ist die erste Sprache und Hochdeutsch die erste Fremdsprache. Mit unserer Reihe „Stimmen Bayerns“ stopfen wir es den Kritikern von damals quasi ins Maul zurück.

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Wie wählt ihr eure Künstler aus?
Kunst kommt von ganz normalen Leuten. Es hat ja keiner eine Ausbildung in Schrägheit oder Unabhängigkeit. Und das ist das Wichtige: Es muss aus dir rauskommen. Du musst ein Interesse an deiner Umgebung haben. Ich nenne das „Aufmerksamkeits­leidenschaft“: dass man etwas wichtig nimmt, was vielleicht nicht wichtig ist. Ich will das Echte, das Authentische nicht darauf beziehen, dass man an die Vergangenheit anknüpft oder unbedingt mit seiner direkten Herkunft verbunden sein muss. Aber eben das Studieren einer Musik aus der Region, wie z. B. Kofelgschroa aus Oberammergau: Das macht denen Spaß! Und dann passiert sowas eben.

Leider ist das immer wieder gefährdet durch diese Touristenmusik, Folklore und alles „Volks­dümmliche“. Es gibt inzwischen dieses „andere“ Bayern, Leute, die gerochen haben, dass damit
Geld zu machen ist. Allen voran der Bayerische Rundfunk, spätestens ab LaBrassBanda.
Da kommen sie dann daher und pushen das als Klischeeware, was im Grunde wir und andere
Alter­nativler initiiert haben. Aber es wird schon fast zu viel!

Was ist für dich authentisch?
Wir sagen nicht, dass was wir machen, ECHT ist. Wir sagen: „Das musste gesagt werden!“ Wenn du diesen Anspruch nicht hast, dann brauchst du keine Kunst zu machen. Ich hab nix dagegen, dass eine Helene Fischer Erfolg hat oder dass Leute sie gut finden. Aber da ist alles so ein bisschen angedeutet: ein bisschen sexy, ein bisschen sauber, dann schwebt sie wieder vom Bühnendach wie einst Madonna … Ich weiß nicht, was sie alles ist! Aber das ist alles nur gemacht und gestellt. Leider ist z. B. LaBrassBanda irgendwann selbst in diese Richtung gegangen und hat damit einen Riesenfehler gemacht. Sie haben gedacht, sie müssten irgendwo hin, wollten eine europäische Partyband werden, darum sind sie von uns weg. Aber innerhalb von zwei Jahren waren sie weg vom Fenster. Der große Hype ist vorbei, es gibt zig Bands, die das Schema, den Rhythmus nachmachen. Das Leben besteht aus vielen Dingen: aus Liebe und Tod, aus Leid und Freude und wo Musik keine Bandbreite mehr hat, da wird es schnell flach. Da hast du keine lange Lebensdauer.

Es geht darum, was der eigentliche Inhalt ist. Spielt man nur den Bayern oder betreibt man traditionelle Forschung und spielt das dann? Gerade im „witzigen“ Genre ist das Bayrische sehr in.
Ich will nicht sagen, das ist alles scheiße, aber es ist so eine Welle! Ich krieg die Krise, wenn ich ‚dem Interpreten anmerke, dass er in sich reingrinst, weil er denkt, das klingt jetzt schon witzig,
weil bayrisch, das findet beim Publikum Gefallen und darum spielt er’s. Da bin ich weg! Wenn jedoch die Nami (von Coconami) z. B. „Azzurro“ von Adriano Celentano vorliest! Als Text, ganz ruhig und getragen … Und am Ende hört man sie leise sagen: „Azzurro“ … dann fängt sie an zu spielen. Besser kann man’s nicht machen! Plötzlich wird dieser Song zur Volkskultur!

Würdest du Trikont als dein Lebenswerk sehen? Dieses Pathos darin hab ich gar nicht. Aber
wenn man will, ist es natürlich schon irgendwie so. 470 Platten in 44 Jahren. Die Zeit ist schnell vergangen. Viel Arbeit, viel Begeisterung. Ich hab wahnsinnig viel zurückgekriegt, sonst hätte
ich’s längst gelassen!

Ich bin formal gesehen ja Pensionist, wenn ich auch kaum Rente krieg’. Es ist die Art von Kunst,
die aus den Leuten kommt, die mich bewegt. Josef Beuys hat mal gesagt: „Wir sind alle Künstler.“ Da ist was dran. Meistens treffen wir die Leute in dieser Phase, wo ein bestimmtes Interesse,
eine Begabung, Begeisterung vorhanden ist, wo sie sich mitteilen wollen. Das ist oft kompliziert, manchmal auch aufreibend. Aber ich kann nichts anderes! Wir wollen nichts anderes.

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Das Interview ist in unserer curt Ausgabe #83 erschienen. // Text: Petra Kirzenberger, Fotos: Stefanie Giesder

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