REISE INS UNGEWISSE – ALS BLINDER PASSAGIER IN DER KUNSTHALLE NÜRNBERG
#Ausstellung, #Installation, #Kunst, #Kunsthalle, #Oliver van den Berg, #Review, #Silvan Wilms
Gastreview von Silvan Wilms. In der Kunsthalle Nürnberg präsentiert der Konzept- und Installationskünstler Oliver van den Berg in den nächsten Monaten eine umfangreiche Auswahl seiner Werke der letzten 25 Jahre.
Gleich im ersten Raum der Ausstellung findet sich die titelstiftende Arbeit: „Blinder Passagier“, die täuschend echt wirkende Nachbildung eines Flugschreibers, einer Black Box, die übrigens überhaupt nicht schwarz ist, sondern in knallig leuchtendem Orange daherkommt. Ansonsten haben wir da einen Wäscheständer ohne Gitter, verknitterte Weltkarten, die scheinbar vor der Wand schweben, eine Lache, die nicht flüssig ist…
Es tun sich Fragen auf.
Es kann einen das Gefühl beschleichen, dass die gewohnten Naturgesetze hier ein bisschen anders funktionieren. Vielleicht kommt man sich auch selbst vor wie so ein blinder Passagier, der noch nicht ganz sicher ist, wohin die Reise geht.
Es ist eine Wanderung durch insgesamt sieben Räume, sieben Stationen, sieben verschiedene Kulissen, und ständig ist es ein Spiel mit dem „Als ob“. Van den Bergs Skulpturen sind gegenständlich, häufig Imitationen von technischem Gerät und meistens aus Holz. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn in großen farbigen Buchstaben, ganz im Stile einer Neon-Reklame, die Worte „Electronic Land“ an der Wand hängen, während keines, aber auch gar keines der im gesamten Raum ausgestellten Exponate elektrisch funktioniert. Der Schriftzug selbst ist aus lackiertem Holz. Daneben findet sich ein Cluster tauber, da hölzerner Mikrofone, die sich aufdringlich den Betrachtenden entgegenstrecken. Sie tun gar nicht so, als würden sie tatsächlich funktionieren, und doch fühlt man sich irgendwie angesprochen, als müsse man jetzt was sagen. No Pressure!
Man entdeckt Arbeiten, die irgendwo zwischen angedeuteter Illusion und offensichtlicher, unverhohlener Dysfunktionalität rangieren, die eben „nur so tun, als ob“. Häufig mit dezentem Augenzwinkern, aber nie ohne eine gewisse Erhabenheit, insbesondere etwa bei der Imitation eines Sternenprojektors, wie er in Planetarien eingesetzt wird, oder auch bei den ebenfalls hölzernen „Stoßzähnen“, die frappierende Ähnlichkeit mit echtem Elfenbein besitzen.
Die Kunstwerke sind sehr viel mehr als nur Zitat, Nachahmung, Mockup oder Modell, sondern beinahe vielleicht wie überdimensionierte Marionetten in unterschiedlichem Grad der Verkleidung. Nur eben nicht mit humanoiden Zügen, sondern als gegenständliche, meist technologische, dabei aber erstaunlich lebendige Gestalten, die in genauem Bewusstsein über ihre Materialität ausgestellt sind. So zeigt das vom Künstler viel verwendete Nadelholz teilweise allein durch seinen charakteristischen Geruch unleugbare Präsenz, die weder durch das optische Bild relativiert wird, noch umgekehrt dieses stört.
Der Künstler schenkt uns sieben Räume, die Grundlagen für verschiedene Erzählungen und Imaginationen geben, alle ihre eigene sehr individuelle Wirkung haben und doch entlang eines Wegs gemeinsam auftreten. Neben den großen, raumgreifenden Arbeiten gibt es ab und zu auch ganz kleine Elemente zu entdecken, die den großen aber in ihrem Selbstbewusstsein um nichts nachstehen und sicher auch den Charme der Ausstellung tragen.
So kann man sich hier tiefsinnigen Wirkerfahrungen und ernsthaften Überlegungen hingeben, man kann sich aber eben auch schmunzelnd amüsieren, oder beides gleichzeitig, ohne dass sich hieraus ein Widerspruch ergeben würde.
---
Bis 4. Juni
BLINDE PASSAGIERE - OLIVER VAN DEN BERG
KUNSTHALLE, Lorenzer Straße 32, Nbg.
---
Oliver van den Berg, geboren 1967 in Essen, studierte ab 1988 Malerei und Bildhauerei an der HdK Berlin. Sein Studium schloss er 1994 als Meisterschüler ab. Seine Arbeiten wurden u.a. in zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen gezeigt. Er lebt und arbeitet in Berlin.
#Ausstellung, #Installation, #Kunst, #Kunsthalle, #Oliver van den Berg, #Review, #Silvan Wilms