FREITAG, 22.05.2015 / 17.00 Uhr
Große und kleine Ensembles aus dem gesamten Freistaat zeigen knapp drei Wochen lang in 43 Stücken einen Querschnitt aus ihren Programmen. Bis zum 23. Mai ist von Klassik bis Moderne für Jung und Alt alles dabei.

Die Bayerischen Theatertage wurden 1983 von Professor Alfred Everding, damals Generalintendant der bayerischen Staatstheater, und Ernst Seiltgen, damals Intendant des Theaters Ingolstadt, ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die Vielfalt der bayerischen Theaterlandschaft jedes Jahr an einem anderen Ort zu konzentrieren und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Was mit elf Inszenierung in Nürnberg begann, hat sich mittlerweile zum größten Theaterfestival in Bayern entwickelt. Nirgendwo sonst kann man in so kurzer Zeit soviel hochwertiges und vielfältiges Theater an einem Ort erleben!

Gastgeber der 33. Ausführung, und damit zum sechsten Mal, ist das E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg, daher werden dort in diesem Jahr 29 Ensembles aus ganz Bayern ingesamt 43 Stücke präsentieren. Von den lokalen Theatern der Region sind das Theater Erlangen, das Stadttheater Fürth, das Gostner Hoftheater, Theater Mummpitz, Theater Pfütze und das Staatstheater Nürnberg mit insgesamt zehn Auswärtsspielen vor Ort in Bamberg. Wie immer durften die gastierenden Theater selbst entscheiden, welche Stücke sie aufführen und können so ohne konzeptionelle Vorgaben ihre individuellen Produktions-, Inszenierungs- und Spielweisen zeigen. Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deswegen, bestätigt das Programm erneut die Lebendigkeit und Farbigkeit des aktuellen bayerischen Theaterschaffens. Die Pallette reicht von den klassischen Klassikern  über die modernen Klassikern bis zu den Klassikern von morgen.

Das Festival startet am 3. Mai mit einem "Warm-up" zur Einstimmung mit der Pilot-Folge des "Kulissengeflüster", der täglich fortgesetzten Seifenoper der Impro-Gruppe des E.T.A.-Hoffmann-Theaters. Zu Livemusik von der Kreß Gang wird außerdem die Festivalgastronomie vorgestellt und der Publikumspreises erklärt, denn die Zuschauer haben die Möglichkeit, die Aufführungen auf Stimmzetteln mit Schulnoten zu bewerten.
Die feierliche Eröffnung findet am Montag, 4. April, statt, musikalisch um-rahmt von dem Saxophon-Quintett Five Sax aus Wien. Im Anschluss lässt es sich das E.T.A.-Hoffmann-Theater nicht nehmen, als erste Bühne das Festival mit dem Stück "Wie im Himmel" nach Kay Pollaks Musikfilmdrama "theatralisch" zu eröffnen. Ein Stück für mehr Achtsamkeit und Respekt im Umgang mit anderen und sich selbst. Ein guter Start ins Festival.

An den folgenden Tagen gibt es fast drei Wochen Theater satt. Für den vollständigen Überblick empfiehlt sich die Lektüre der Website oder des Programmheftes. Hier aber schon mal vorab ein kurzer Auszug:
Die Sparte der klassischen Klassiker belegt das Theater Erlangen mit den beiden Vorzeigedichtern und -denkern Schiller und Goethe und zeigt "Die Jungfrau von Orleans" und "Die Leiden des jungen Werther". In der Gesamtwertung liegt Goethe ein Stück vorne, denn unter dem Titel "Junger Klassiker − Faust Short Cuts" führt das Mainfranken Theater Würzburg eine eigenwillige Inszenierung des Fausts auf: Ein Mann protestiert gegen die Absetzung des Fausts, kampiert deswegen auf der Bühne und spielt, um Überzeugunsarbeit zu leisten, seine ganz persönlichen Höhepunkte aus dem Faust nach.

Bei den modernen Klassikern harren Estragon und Wladimir in Samuel Becketts "Warten auf Godot" vergeblich aus. Die Welt des klugen, aber bedauernswerten Erbsenessers "Woyzeck" gerät im gleichnamigen Stück von Georg Büchner aus den Fugen und lässt ihn aus Eifersucht zum Mörder
werden. "Des Teufels General" von Carl Zuckermayer wird in einer doppelbödigen Show entlarvt mit begleitendem Soundtrack zwischen Jazz, Klezmer, deutschem Volkslied und hollywoodschem Audiofaschismus aus digitalen Sounds, Geräuschemacherei und klassischem Klavier. Heiner Müller hat den Auftrag, an eine Revolution zu erinnern ("Der Auftrag") und dem bayerische Dramatiker Franz Xaver Kroetz drängt es nach Frustration und Lust ("Der Drang").
Vertreten sind auch viele literarische Adaptionen. "Michael Kohlhaas" nach Heinrich von Kleist gibt dem Publikum wieder ein Paradebeispiel von Selbstjustiz zum Besten, nimmt die Gerechtigkeit selbst in die Hand und wird so zum Raubmörder und glaubt sich damit im Recht.  

Besonders interessant ist auch das Stück "Fabian" nach dem Roman "Fabian − Die Geschichte eines Moralisten" von Erich Kästner. Während die meisten Kästner nur mit Kinder- und Jugendbücher in Verbindung bringen, dürfte "Fabian" Kästners Hauptwerk sein und einer der Gründe, weswegen seine Bücher von den Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 verbrannt wurden. "Fabian" spielt im Berlin der 30er Jahre im Strudel von Nationalsozialisten und Kommunisten, erzählt von einer Liebesgeschichte, von Enttäuschung, von Schicksalschlägen und dem Problem eines Moralisten, mit der allgemeinen Unmoral zu leben.
"Der Weg zum Glück" der deutschen Autorin Ingrid Lausund nimmt sich dem Thema Glück an in unserer Welt, in der sich Depression und Burnout-Syndrom den ersten Platz der Volkskrankheiten teilen. Komödiantisch und auf teilweise groteske Art und Weise begeben sich die Darsteller auf die Suche nach dem Gefühl des Glücklichseins.

Ein Klassiker von morgen ist vielleicht auch "bash – Stücke der letzten Tage" vom amerikanischen Dramatiker Neil LaBute. In drei kurzen Monodramen stellt Neil LaBute die Frage „Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt?“, zeigt menschliche Tragödien und Grausamkeiten und legt damit das Banale des Bösen frei.

Wie schnell ein liberales, intellektuelles Ambiente bei einem Abendessen kippen kann, stellt man in der schwarzen Komödie "Der Vorname" der beiden französischen Dramatiker Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte fest, als ein werdender Vater im Spaß den möglichen Vornamen seinen Kindes bekannt gibt. Adolphe soll es heißen. Na klingt's? Die Stimmung kippt und eskaliert. Nichts ist mehr heilig. Skuril, bösartig und tiefschwarz.
Im Programm sind auch einige musikalische Stücke wie Operetten und mit "Kanaan - The Story of Abraham" sogar eine Heavy-Metal-Oper. Einen starken Block bilden auch die Kinder- und Jugendtage vom 17. bis 19. Mai. Speziell im Jugendbereich sind einige Literatur-
adaptionen zu sehen. Zum Beispiel "35 Kilo Hoffnung", eine inszenierte Lesung nach Anna Gavalda. Oder die Stücke "Ausgebüxt", einem Crossover zwischen Musik und Theater nach Tom Sawyer, Jack Londons "Ruf der Wildnis" oder "Das hässliche Entlein" von Hans Christian Andersen. Beachtenswert ist auch "Tschick", nach dem immer noch aktuellen Bestseller des 2013 verstorbenen Schriftstellers Wolfgang Herrndorf.

Zu vielen Stücken gibt es Nachgespräche, bei manchen auch Einführungen. Neben den Theaterstücken finden im Rahmenprogramm auch Konzerte, ein Theaterquiz oder ein italienischer Abend statt. Es wird eine Live-Radioshow mit Late-Night-Talk zwischen Schauspielern und Theaterleuten der gastierenden Ensembles geben und mit dem "Kulissengeflüster" eine täglich fortgesetzte Seifenoper der Impro-Gruppe des E.T.A.-Hoffmann-Theaters.

Den Schlusspunkt der Theatertage setzt die große Abschiedsveranstaltung mit Verleihung des Publikumspreis am 23. Mai im Festzelt, das während der Theatertage vor dem Theater aufgestellt ist. Wer bis dahin die Auswärtsspiele der heimischen Theaterbühnen in Bamberg verpasst hat, dem seien natürlich auch die Heimspiele auf den hiesigen Bühnen an Herz gelegt.

33. Bayerische Theatertage
3. bis 23. Mai 2015, E.T.A.-Hoffmann-Theater, Bamberg.
Tickets: Es gibt Mini-Abos, die den Besuch drei frei wählbarer Vorstellungen entweder im Studio oder im Großen Haus ermöglichen.

www.bayerische-theatertage.de


E.T.A.-HOFFMANN THEATER

E.T.A.-Hoffmann-Platz 1
96047 Bamberg






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