Theobald O.J. Fuchs: Schreiberling

SAMSTAG, 25. JUNI 2016

#Comedy, #Kolumne, #Theobald O.J. Fuchs

Bei uns im Haus, im dritten Stock, da wohnt so ein Schreiberling. Das faule Stück. Ist jeden Tag da, arbeitet nichts Gescheites, geht allerhöchstens mal alle drei Tage zur Norma, Schokolade kaufen. Da schaut ja unser Hund öfter vor die Tür. Er, der feine Herr Autor sagt, er könne nur zu Hause schreiben. Sagt, er bräuchte Wände um sich herum, und viele Gegenstände in Reichweite und Krimskrams und Bilder und eine Decke über dem Kopf. Im Garten würde ihm der Wind, sein Erzfeind, die Gedanken aus dem Hirn blasen, sagt er, darüber hätte er sogar schon mal eine Geschichte geschrieben.

„Geschichte“ - wenn ich das schon höre. Geschichten erfinden, das ist doch nichts Besonderes. Nur Narren nennen den Quatsch, den sie Tag und Nacht von sich geben „Geschichten“ und bilden sich auch noch etwas darauf ein. Ein Schriftsteller, das will er sein, mein Nachbar. Der Geck, der alberne. Und weigert sich zu allem Überfluss, sich selbst so zu nennen. Schreibt aber seit Monaten an einem Buch und seufzt jedes Mal, wenn ich ihn im Treppenhaus treffe, und jammert, dass es so unfassbar anstrengend sei, dieses Buch zu schreiben, dass er nicht wisse, ob er es je zu Ende bringe.

Wird wohl nichts Anständiges gelernt haben, meint meine Frau und denkt, das wäre eine Entschuldigung für den Kerl. Ich frage mich, wovon der eigentlich lebt. Mit rechten Dingen zugehen tut das definitiv nicht. Im November hatte ich ihn gefragt, woran er gerade arbeitet, da hatte ich ihn bei den Briefkästen gesehen, im Grunde nur scheinbar zufällig, weil ich wusste, dass wieder ein ganzer Packen Briefe bei ihm drinsteckte. In seinem Briefkasten, meine ich. Da hat er mir gleich von dem Roman erzählt, an dem er arbeitet und der im Mai erscheinen soll. Er jammerte noch darüber, wie ausgelaugt er sei, und dass es die anstrengendste Arbeit sei, die er jemals angegangen sei. Typisch, dachte ich mir, auf dem Balkon wird er sitzen und Dosenbier trinken.

Man kennt ja diese Schriftsteller, verhaute Gestalten, einer wie der andere. Um ihn ein klein wenig zu ärgern, frage ich ihn seitdem bei jeder Gelegenheit, wann denn sein Buch nun fertig sei. Als ob ich mir das nicht merken könne, wiederholt er jedes Mal, nämlich dass es noch bis Mai dauern würde. Ich überhöre das natürlich. Und dann erzählt er irgendein Zeug, dass er nachts von dem Text träumen würde, dass er sich wie schwanger fühlen würde, und dass es wie beim Bergwandern sei, die letzten hundert Meter wären die schwierigsten. Selber Schuld denke ich mir, weil ich ja weiß: Wenn er fertig ist, dann hat er seine Klagen komplett vergessen, aber bis dahin kann er seine miese Laune bei mir parken. Denkt er! Der erbärmliche Jammerlappen! Faselt von Schwangerschaft, und dass er sich vorkäme wie eine trächtige Elefantenkuh, und dass er nun verstehe, wie es sich anfühlen müsse, ein Kind auszutragen, sogar dicker sei er schon geworden. Er redet von monatelanger körperlicher und geistiger Belastung, als ob er eine chronische Krankheit hätte, die sich ständig in den Vordergrund seines Bewusstseins schiebt. Dass er ständig gefragt werde, aber am liebsten kein Wort dazu sagen möchte. Ein steinernes Ei sei sein Buch, groß wie ein Berg, das man in Zeitlupentempo in die Welt hinaus drückt. Und immer noch mehr solches verwirrtes Zeug.

Ich sag's wie's ist: Ein charakterlicher Altglascontainer ist er, eine geistige Brandruine. Wäre er besser Beamter geworden, der Hirnheiner, dann könnte er seine Tage im Amt auf einer Arschbacke absitzen und sich auf eine schöne Rente freuen. Zum Teufel mit der Kreativität! Wenn ich ihm raten könnte, sollte er sofort mit dem Quatsch aufhören und sich überlegen, wie er ordentlich Geld verdienen kann. Das ist das Einzige was zählt, sage ich. Wozu auch diese Schreiberei eigentlich? Ist das eine sinnvolle Beschäftigung für einen Erwachsenen? Um uns herum bricht die Welt, wie wir sie kennen, zusammen. Flüchtlinge, Krieg in Syrien, Russen, die mit Atomwaffen wedeln, die EU implodiert, das Klima erhitzt sich, bis die Kontinente in einer brodelnde Salzlake absaufen – und der Typ schreibt an einer lächerlichen Dorfgeschichte. Wie übel ist das denn?!

Das einzige von den Argumenten, die er mir nannte, das mir ein winziges bisschen einleuchtete, war, dass sein Buch immerhin ein paar Hundert Kilo Kohlendioxid bindet, in irgendwelchen Bücherschränken von Leuten, die den Unfug sowieso nie lesen. Ja – Klimaschutz will er betreiben, aber dass ich nicht lache. Mir kommt die Klimaerwärmung, wenn ich ehrlich bin, sogar ganz recht. Ich liege gerne auf dem Balkon und lasse mir die Wampe bräunen, während der Kerl oben hockt und über den Buchstaben brütet. Seite für Seite kämpft er sich vorwärts, vielleicht vier oder auch nur drei schafft er pro Tag. Das wenn ich bei mir auf Arbeit sagen würde! Da bekäme ich was zu hören vom Chef, mein lieber Scholli!

Aber genug davon. Ich hoffe ja insgeheim, dass er enterbt wird und sich nirgendwo mehr blicken lassen kann, wenn die Leute erst einmal gelesen haben, was er so verzapft. Freilich: ich werde mir eines dieser Bücher besorgen, vielleicht schenkt er es mir ja auch, wenn ich ihn lange genug trietze, und ich lasse ihn darin unterschreiben, vorne, da wo die eine leere Seite ist, mit der, weiß der Teufel warum, alle Bücher anfangen. Denn ich bin ja nicht blöd, und wenn der Typ am Ende wirklich berühmt wird, dann habe ich eine Erstausgabe mit Autogramm, und die ist womöglich sogar ein paar Euro wert. Richtig ernsthaft glaube ich's nicht, aber wer weiß?


Im Bilde. Theo O.J. Fuchs / Foto : Katharina Winter



UND WAS MACHT THEO WIRKLICH?
Während seine Kollegen in der Sommerpause auf dem Sofa herumzuliegen und sich die Eier wiegen, blätterrauscht Herr Fuchs mit Vollgas durch den Sommer. Am 8. Juli zum BBQ in die Shift School, am 14. Juli zum Buchanstich seines neuen Bestsellers in der Galerie Bernsteinzimmer und am 17./18. Juli ins Vereinsheim Schwabing in München




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