Theobald O.J. Fuchs: Niemand ruht ewig

DIENSTAG, 31. MAI 2016

#Buchvorstellung, #Comedy, #Kolumne, #Theobald O.J. Fuchs

Minutenlang starrte Georg Degenhardt den Schädel mit dem goldenen Backenzahn an, der auf seinem rechten Handteller ruhte. Er dachte an die Kühle des zurückliegenden Morgens. An eine halbdunkle Kühle, die er sich jetzt sehnlich herbeiwünschte, um besser nachdenken zu können. Genauer: um trotz der mörderischen Hitze glauben zu können, was er da sah.

KAPITEL 1 - EINMAL FRIEDHOF QUER DURCH

Minutenlang starrte Georg Degenhardt den Schädel mit dem goldenen Backenzahn an, der auf seinem rechten Handteller ruhte. Er dachte an die Kühle des zurückliegenden Morgens. An eine halbdunkle Kühle, die er sich jetzt sehnlich herbeiwünschte, um besser nachdenken zu können. Genauer: um trotz der mörderischen Hitze glauben zu können, was er da sah.

Sie arbeiteten zu dritt auf dem Friedhof, der das Pech hatte, auf der Strecke zu liegen, entlang derer die Abwasserleitung laufen sollte, die das Kuhdorf an die neu errichtete Kläranlage unten an der Pegnitz anschließen würde. Zwar hatte der Bauingenieur der Nürnberger Firma alles Erdenkliche getan, um so wenig Gräber wie möglich zu tangieren – der längste Teil des Rohres würde unter dem Hauptweg verlaufen –, doch ganz in der entferntesten Ecke, dort, wo seit Jahrhunderten die ungetauften Kinder und die Selbstmörder beigesetzt wurden, besagte der Plan, dass es durch die Grabstelle des Friedrich Bayerlein gehen musste, der sich seinerzeit erschossen hatte. Wegen der Winklerin nämlich, und das wusste jeder im Dorf, auch wenn es nie amtlich gemacht worden war, damals vor sieben Jahren. Der Bayerlein war ein armer Schlucker gewesen, eher ein Künstlertyp, schwärmerisch und melodramatisch, ganz anders als sein Bruder, der inzwischen erster Kommandant der Vorracher Feuerwehr war. Und deswegen hätte auch jeder im Dorf beschwören können, dass der Bayerlein keinen Goldzahn besessen hatte.

Alleine das hätte ausgereicht, um selbst Eiwei, der im Tal nicht gerade als Intelligenzbestie verschrien war, stutzig zu machen. Der hatte nun schon zum dritten Mal Georgs Namen gerufen, ob alles in Ordnung sei und dass er, Eiwei, langsam frischen Aushub in seiner Schubkarre brauchte, zum Wegfahren. Was dem kochenden Hirn des Bauunternehmers jedoch unmöglich eingehen wollte, war die Tatsache, dass der Schädel in seiner Hand vollkommen unversehrt war, kein Kratzer, kein noch so winziges Loch in der knöchernen Stirn war zu erkennen, was man wohl bei einem, der sich eine Pistole an die Schläfe gesetzt hat, hätte erwarten können.
Georg brannte die unbarmherzige Julisonne auf den nackten Kopf, während er reglos dastand und sich mit der linken Hand, in der er zugleich die ausgeblichene Bundeswehrmütze hielt, das lichter werdende Haupt kratzte. Und nicht begreifen konnte, wie leicht so ein Menschenschädel wog, wenn der erst einmal sein Kleid aus Fleisch und Haut abgestreift hatte und sein stummes Memento mori sprach.
Als dann Stefan, der Ferienarbeiter, zu Georg in die Grube sprang, um zu sehen, was los war, erwachte dieser aus seiner Erstarrung und befahl: »Bleibt hier! Fasst nichts an und lasst niemanden in das Loch! Ich bin mal unten im Grünen Baum und telefoniere nach der Polizei.«

[…] Alle rätselten, wem der unversehrte Schädel, der zwischen den Schienbeinknochen des Bayerlein gelegen hatte, wohl gehören mochte. Aber obwohl alle ihr Gedächtnis nach Erinnerungen an den Selbstmord durchsuchten, fand sich doch nicht ein noch so unauffälliger Hinweis auf eine zweite Leiche, die damals etwa neben dem Bayerlein im Dreck gelegen hätte. Die Winklerin war bei bester Gesundheit und führte immer noch ein fröhliches Leben. Und so groß war die Gemeinde beileibe nicht, dass jemand heimlich verschwinden und sich so viele Jahre unbemerkt in einem Grab hätte verstecken können.

Die Polizei kam dann auch schon nach einer guten Stunde und brauchte nicht lange nachzuforschen, um zur Überzeugung zu gelangen, dass hier etwas faul war. Unterstützt von Georg und dem Hilfsarbeiter förderten sie einen großen Haufen Knochen an den Tag, viel mehr Knochen, als man bei einer einzelnen Person erwarten durfte. Gewissheit darüber, dass es sich hier um einen unerhörten Fund handelte, herrschte vollends, als die Überreste eines Damenschuhs ans Licht kamen. Freilich war nur die geschwungene Plastiksohle, die in einem mindestens fünfzehn Zentimeter hohen Absatz endete, übrig geblieben, doch auch ohne Schaft, Kappe oder Oberstoff war sofort klar, dass keine Frau in der Gemeinde jemals ein solches Modell besessen hatte. Ein Nuttenschuh war das, darin waren sich alle Anwesenden, einschließlich des Pfarrers und der Polizisten, einig.
Der Pfarrer war – vielleicht, weil er sich als moralische Instanz dazu verpflichtet fühlte – der Erste, der den einen Gedanken, den alle Zuschauer zugleich dachten, in Worte fasste. »Vor allem: Was hat eine Frau in diesem Grab zu suchen?«, fragte er mit erkennbar ehrlich empfundener Empörung.
[…]


UND WAS MACHT THEO WIRKLICH?
Außer auf dem Sofa herumzuliegen und sich die Eier zu wiegen freut sich Herr Fuchs u.a. auf das SummerBBQ der SHIFTSCHOOL, denn hier wird er einen wilden Vortrag halten. Außerdem geht´s mit seinem Bernsteinzimmer gen Anwanden und sicher wird er das eine oder andere Unkraut aus seinem Garten rupfen. Da kennt er nix! Dann noch die Krimilesungen ... so richtig langweilig wird ihm im Juni wohl nicht.




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