Dem Egers sei Welt #45

MITTWOCH, 2. MäRZ 2016

#Comedy, #Egersdörfer, #Kabarett, #Kolumne

Wenn curt einen Vorzeigekolumnisten hat, dann Matthias „Egers“ Egersdörfer. Matthias wurde von uns durch Nötigung zur Zusammenarbeit überrumpelt und kommt aus der Nummer nun nicht mehr raus. Da hilft ihm auch nicht der deutsche Kleinkunstpreis, und der Tatort erst recht nicht!

SAURE ZIPFEL

Meine Mutter hat mir zu meinem Geburtstag immer einen Topf saure Zipfel gebracht. Das Koch-Repertoire meiner Mutter war, milde gesprochen, überschaubar. Sie war größeren Experimenten eher abgeneigt. Aber zum Beispiel ihr Lesco war von zeitloser Noblesse, so fern sie wegen einer kleineren Ablenkung das Schmorgericht nicht gerade zur Hälfte im Topf anbrennen ließ. Dann musste man beim Essen mit dem Löffel immer aufwendig um die schwarzen Brocken herum manövrieren und es schmeckte ein bisschen, als hätte man die Paprika im Braukessel vom „Schlenkerla“ zubereitet.

In ihrem letzten Lebensabschnitt war sie Stammkundin beim Eismann. Ein netter Herr lud ihr jede Woche die Tiefkültruhe voll. Mein Vater glaubte immer, sie hätte etwas mit dem Kerl. Es war auch eine große Kunst, wie sie mit voller Grandezza die aufgewärmten Fertiggerichte servierte. Einigen Generationen von Enkelkindern konnte sie bis weit hinter die Geschlechtsreife weißmachen, dass sie den Teig zum Elsässer Flammkuchen gerade erst ausgerollt, mit ein bisschen Lauch und Schinkenstückchen beworfen und flott in den Ofen geschoben hätte.
Meine Geburtstagzipfel hingegen waren stets als tadellos zu bezeichnen. Am Wein hat sie bei der Zubereitung nicht gespart. Mit einem leichten essigsauren Hauch waren die Würste verzaubert. Zart und fein hat sie das hingehaucht. Ich mag es nämlich nicht, wenn einem die Essigsäure beim Essen den Mund verzieht. Ein Gedicht zum Essen waren die sauren Zipfel meiner Mutter. Jetzt liegt meine Mutter am Johannisfriedhof und kocht seitdem keinen einzigen Zipfel mehr für mich. Manchmal stehe ich vor dem Grab und versuche das zu begreifen. Wenn es mich zu sehr anrührt, mache ich der Mutter Vorwürfe. Zumindest das Rezept hätte sie mir schon verraten können, bevor sie verschwand.

Deshalb bin ich jetzt gezwungen, die sauren Zipfel an meinem Geburtstag immer selbst zuzubereiten. Unlängst stand der Termin wieder einmal an. Einige Gäste kamen, aßen und lobten im Anschluss sogar Würste und Sud. Vielleicht waren sie alle nur so höflich und wohlwollend in ihrer Beurteilung, weil sie genau wussten, dass die eigentliche Köchin nicht mehr liefern kann. Bevor ich ins Grübeln geriet, trank ich schnell Bier. In kürzester Zeit kam dann auch Schnaps dazu. Bei mir in der Kammer hinter der Küche steht eine Kiste mit halbgefüllten Spirituosen herum. Ich wollte das schon länger nicht mehr mit anschauen und mein Geburtstag schien mir der richtige Moment, die halbvollen Flaschen endlich final auszutrinken. Es waren dabei: ein Bierschnaps aus Gräfenberg, den der Brehmer noch selbst destilliert haben dürfte, ein siebenjähriger Rum aus Gran Canaria, der sogar schon Willy Brandt geschmeckt hat, ein Grappa aus Woweißwoher, ein sehr delikater Holzbirnenbrand aus der Fränkischen.

Es wurden noch weitere Flaschen getrunken, aber da habe ich im Trubel der Nacht die Übersicht verloren. Ich hab mich dann kurz vor zwölf ins Bett gelegt. Es reichte ja auch. Ein Akustik-Metaller aus der Oberpfalz hat mich beim Flaschenaustrinken wacker und angstfrei unterstützt. Der ist dann im Treppenhaus vom zweiten Stock in den ersten Stock gefallen, und zuerst glaubte man, er habe sich das Genick gebrochen, weil er sich nach dem Aufprall nicht mehr rührte. Aber man darf die Oberpfälzer auf keinen Fall unterschätzen. Er hat die Sanitäter noch lautstark angebellt, als die ihn mitnehmen wollten. Das hat er nicht eingesehen, weil die Feier, nach seiner Ansicht, zu dem Zeitpunkt noch nicht zu Ende war. Er wurde aber dann doch noch überredet, und ich finde, wenn man sich die Hand zweifach gebrochen hat, braucht man sich nicht Weichei nennen lassen, nur weil man mal kurz ins Krankenhaus fährt.

Ich habe von der ganzen Geschichte nichts mitbekommen, weil ich währenddessen damit beschäftigt war, das Bett mehrmalig von oben bis unten vollzukotzen. Meine Frau hat viel geputzt in der Nacht und mich geduscht. Das war sehr freundlich. Aber irgendwie auch schön. Unter der blühenden Rosenhecke sich mit frisch geputzten Zähnen feuchte Küsschen auf die Lippen drücken, ist das Eine. Aber einen vollgekotzten Vollidioten halbverdautes vom Wanst zu duschen, ist für mich schon ein besonderer Liebesbeweis.

Der Rest der Gäste hat dann noch bis etwa halb vier weiter gefeiert. Zwei Herren sollen in der Küche Tango getanzt haben. Unterm Strich ein gelungenes Fest. Die exzessiven Highlights haben sich in Windeseile schon ein paar Tage später bis nach Berlin und Amerika herumgesprochen. Dennoch werde ich in Bälde mal wieder nach Johannis auf den Friedhof spazieren und meiner Mutter Vorwürfe machen. Ganz still werde ich da stehen, und wenn mich jemand dabei beobachtet, wird er sich denken: Schau Dir den Mann an, wie er sich ganz ruhig und zart der Andacht hingibt.



UND WAS MACHT EGERS SONST NOCH IM MÄRZ?
Am Dienstag, den 15. März, lädt sich der fränkische Galan selbst nebst Gästen zu Egersdörfer und Artverwandte in den Festsaal des Künstlerhauses im KunstKulturQuartier von und zu Nürnberg, wie immer präsentiert von curt. Am 22. März ruft er im E-Werk an: Egers Calling! Einen Tag später, am 23. März, geht es zur Aufzeichnung ins „Vereinsheim Schwabing“ nach München. Mit seinem Soloprogramm Vom Ding her tritt er in der Nähe eigentlich nur am 4. März in Roth auf, sonst verdingt er sich in uneigentlicher Ferne. Im März ist er einer der Vorleser der Lesereihe ROY - Literarisches bei Schnaps Wochen im EdelExtra, ebenfalls präsentiert von curt. Kein Aprilscherz ist die Lesung Dreck am Stecken zusammen mit Phillip Moll am 1. April im Katzwanger Kulturzentrum.

Wichtigeres, Genaueres und Weiteres unter www.egers.de.




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#Comedy, #Egersdörfer, #Kabarett, #Kolumne

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Was für ein nicht enden wollender Sommer das heuer gewesen ist. Bis in den Oktober hinein wurde ich immer dringlicher gemahnt: Genieße unbedingt den sonnigen Tag heute! Morgen kommt der Herbst, dann ist alles vorbei. Immer wieder habe ich mich in die Sonne gesetzt und habe die Sonne mit aller Kraft genossen bis zur Langeweile, bis zum vollständigen Überdruss. Das kommt daher, dass ich Befehle stets gewissenhaft und verlässlich ausführe. Da kann man sich einhundertprozentig auf mich verlassen. Meine Zuflüsterer taten immer so, als ob das Himmelgestirn im nächsten Moment unwiderbringlich explodieren würde und man sein Leben fürderhin in lammfellgefütterten Rollkragenpullovern, Thermohosen und grob gestrickten Fäustlingen verbringen müsste – in Zimmern, in denen die Heizung unentwegt auf drei gestellt ist. Aber es hat ja nicht aufgehört zu scheinen. Wenn ich an einem Tag genossen und genossen habe, hat der Leuchtkörper sein blödsinniges Leuchten am nächsten Tag keineswegs eingestellt. Die Dummköpfe aber haben es nicht unterlassen, weiterhin ihre Sonnengenussbefehle auf mich auszuschütten. Die Aufforderungen blieben keineswegs aus, sondern steigerten sich zur Unerträglichkeit. Wenn einer endlich einmal sein dummes Maul gehalten hat, dass ich mich unbedingt bestrahlen lassen muss, hat ein anderer damit angefangen, mich aufdringlich aufzufordern, mein Glück unter dem drögen Kauern unter dem aufdringlichen Glanz des leuchtenden Planeten zu finden. Noch Anfang November saß ich voller Wut auf der Straße und habe Kaffee getrunken und gehofft, dass mir die Sonne ein Loch in die Stirn schmort, dass den Schwachköpfen ihr blödsinniges Gerede leidtut und sie mich um Verzeihung bitten müssen. Die Sonne hat immer weitergeschienen wie ein Maschinengewehr, dem die Patronen nicht ausgehen.  >>
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