Udo Kloos und das Design #7: Das Volksbad

MITTWOCH, 2. MäRZ 2016

#Design, #Kolumne, #Udo Kloos, #Volksbad

Stadtwerke München, statt Stadtwerke Nürnberg: Ein stadtpolitischer Derbykrimi auf dem Rücken des VOLKSBADES. Es zeigt sich: Wo Wille, da Weg. Kein Wille, gleich weg.

Ich dachte, VOLKSBAD - wie langweilig! Wie langweilig, weil lang-atmig, diese Diskussion. Seit 24 Jahren geschlossen. Das muss man sich als Stadt in dieser Lage leisten können! Und im Fokus der Überlegungen nach den Erkenntnissen der neuesten Machbarkeitsstudie stehen wieder mal: die Finanzen. Das langweilt.
 
Ich dachte spontan: ein Plädoyer muss her, sich endlich damit zu beschäftigen, was eine Stadt für Menschen lebenswert macht. Ein Aufruf, ökonomische Erwägungen gelegentlich sekundär zu betrachten. Ich wollte anstiften, Stadtleben zu gestalten! Ich wollte ermuntern, zu überlegen, WIE das Projekt umgesetzt wird (an dem „ob“ führt kein Weg vorbei). Wann lernen Kinder dort im Schulsport schwimmen, ziehe ich meine Runden oder schwitze ich in der Sauna … Denn, unumstritten ist, dass dieses Bad in dem hoch verdichteten Stadtteil benötigt wird. Nicht irgendein Spaßbad, sondern dieses Baudenkmal, ein in Nürnberg einzigartiges Juwel, ein städtebauliches Geschenk aus der Jugendstilepoche. Ich dachte, da muss endlich was passieren. Dachte ich.
 
Nun stehe ich davor und freu mich. Bautafel! Baubeginn! Nur, woher diese plötzliche Dynamik nach dem Stillstand seit 1992? War die lange Zeit rückblickend notwendig, um zu entdecken, dass es sich bei dem Jugendstilbad wirklich um eine Gelegenheit handelte? Neueröffnung Volksbad Ende 2018. Und der curt wurde - mein Glückwunsch an dieser Stelle - zum Mediapartner der „Projektgesellschaft Volksbad ’18 mbH“ gekürt!
 
Während die Öffentlichkeit weiterhin Ergebnisse der Machbarkeits-studien nach Gutdünken interpretiert, steht am Sanierungsobjekt bereits diese Bautafel. Erstaunlicherweise hat die Stadtwerke München GmbH (SWM) mit der Fürther Infra als Partner das Heft in die Hand genommen. Kaum hatte letztes Jahr die Stadt Nürnberg das Sanierungsgebiet-West bis zum Plärrer verlängert, übernehmen die Bayern aus der Landeshauptstadt das Ruder im Bad. Denn sie wüssten aus Erfahrung besser, wie mit EU-Fördergeldern große Projekte umgesetzt werden. Die SWM als Betreiberin des Müller’schen Volksbades an der Isar (übrigens ebenfalls aus der Zeit des Jugendstil) kennt sich aus. Die einen freut´s, die anderen reut´s.
 
Nun haben die Münchner mithilfe der Fürther die bekanntlich letzte Jugendstilperle in Nürnberg gekauft, nachdem mit dem Nürnberger Stadtratsbeschluss vom 1. Oktober 1992 der Verkauf des Volksbades besiegelt wurde. Zu lange wagte es keiner, dem mittlerweile matten Glanz zu trauen? Erfreulich bleibt, dass den Nürnbergern damit ein weiteres historisches Kleinod zugänglich und nutzbar gemacht wird. Das wird die Stadt Nürnberg lebenswerter machen, denn in erster Linie werden die Menschen direkt davon profitieren. Damals hatte OB Maly im Volksbad schwimmen gelernt. Ab Ende 2018 werden wieder Schulkinder dort Schwimmunterricht erhalten, vielleicht ist der nächste Bürgermeister/in dabei? Und die Badekulturwüste zwischen Nordost, Südstadt- und Langwasserbad wird von außerhalb der Stadtgrenzen bewässert. Sicherlich werden Touristen das gut erreichbare Ziel ebenfalls für sich entdecken. Am Plärrer beginnt die Hotelmeile, die sich bis weit hinter den Bahnhof erstreckt. Win-Win. Oder?
 
Wie von Chlorwasser unscharf getrübt, lohnt der nachdenkliche, wenn auch verschwommene Blick auf die Bautafel. Diese überraschende Liaison der SWM mit der Infra Fürth GmbH. Handelt es sich politisch um eine feindliche Übernahme? An der Südseite – oder nennen wir es auf der Sonnenseite des benachbarten, hochgewachsenen N-ERGIE Riegels aus den 50ern – gesellt sich nun das Duo aus SWM und Infra dazu. Nürnberg-Fürth oder München-Nürnberg: im Fußball „Derby“ genannt. N-ERGIE & infra. Mein spontaner Gedanke: Ultras in Polizeibegleitung. Was wird hier ausgefochten? Der Gestalter erkennt: das Logo N-ERGIE (Großbuchstaben) und die infra (alles kleingeschrieben). David gegen Goliath? Wird an dem Fleck an der Rothenburger Straße zugunsten der Bevölkerung Politik gemacht? Die Bayern kaufen den Franken das Volksbad ab und bringen Fürther Energie nach Nürnberg. Der Claim der N-ERGIE „spürbar näher“ entfaltet gänzlich neue Interpretationsmöglichkeiten.
 
Wer gestaltet und formt das Leben in der Großstadt? Sollte dem Nürnberger Stadtrat mit seinem OB erneut mangelnde Ergebnispolitik vorgehalten werden? Es wird gemunkelt, der einflussreichste Fadenzieher der Projektgesellschaft Volksbad ’18 mbH stünde in enger Beziehung zur einflussreichen Familie Wöhrl. Kürzlich eckte der ehemalige Flugkapitän und spätere Fluggesellschaftsinhaber Hans-Rudolf Wöhrl mit einer, nennen wir es befremdlich erheiternde Außenansicht zur Nürnberger Verkehrspolitik an (Mantra: „no parking, no business“). Schon reißt dessen politisch versierte Dame angesichts dessen drohender Bruchlandung das Steuer an sich: die neue Fahne im Unions-Wind lautet nun: no swimming, no business. Würde das Volksbad mittelfristig nicht wieder eröffnet, so liefe die Stadt – laut deren Einschätzung – Gefahr, einige 100 Arbeitsplätze zu verlieren. Ein etwas arg strapaziertes Argument.
 
An dieser Stelle wird in meiner Wahrnehmung etwas rein Menschliches entlarvt: auch Nicht-Designer möchten gerne Gestalter sein. Einige können ihren Namen gar nicht oft genug in Stein gemeißelt sehen. Aus easy-credit-Stadion wurde Grundig- und nicht Wöhrl-Stadion. Der eigentliche Grund für das auffällige Engagement hinter den Kulissen sei der neue Geschäftszweig: die Wöhrl-Pool AG. Das Volksbad an der prominenten Lage soll den Startblock geben und folglich statt VOLKSBAD den Namen WÖHRL-Pools tragen. Die Untere Denkmalschutzbehörde wird ihre Einwände beherzt vortragen.
 
Ich freue mich, diese Ente zu Bade zu tragen.

[Udo Kloos]



curt macht sich Gedanken ums Design. Glaubhaft ernsthaft, und irgendwie schon immer. darum präsentieren wir in unserem magazin eine Kolumne über Design und gestaltung in unserem alltag ... und im weitesten Sinne.

UDO KLOOS UND CURT.
Udo betreibt den neoos Schauraum. Mit seinem neoos Planungsbüro gestaltete und konzipierte er u.a. die Räumlichkeiten der Mischbar, der BLOK Bar, des glore Stores, die EBL Stores, der Rösttrommel ... alles curt-Freunde.
Mehr dazu: www.neoos-design.com




Twitter Facebook Google

#Design, #Kolumne, #Udo Kloos, #Volksbad

Vielleicht auch interessant...

MAGAZIN  01.12.-24.12.2023
Wir haben ja wirklich viele gute und kreative Designer:innen und Künstler:innen. Wir wissen das. Auch, weil die Plattform FrischesDesign uns dabei hilft, Einblick und Überblick zu bekommen. Selten ist so ein Wissen wichtiger als in der Vorweihnachtszeit, wenn man auf der Suche nach uniquen, regionalen Geschenken ist. Ob am eigenen Stand am Christkindlesmarkt oder im Pop-Up-Store im Neuen Museum: es darf gependelt werden, es darf stilvoll geshoppt werden. Mehr dazu von Christine Lörincz, die das organisiert und ermöglicht hat.  >>
BERLIN. #3 Fortsetzung der Kolumne aus Ausgabe August/September. Teil zwei HIER

Es kann sein, dass sich in meiner Erinnerung diverse Aufenthalte in dieser Stadt vermischen, aber ich bin mir sicher, dass es immer Berlin war. In den 1980er Jahren hatten uns die The-Who-Filme »Tommy« und »Quadrophenia« ganz krass mit der Rockmusik der späten 1960er infiziert. Als 1979 Pink Floyd »The Wall« herausbrachten, mussten wir nicht lange überlegen, ob uns das gefiel. Obwohl wir uns für Dorfpunks hielten, ließ sich die Pink-Floyd-Mucke hervorragend zum Rauch aus gewissen Spaßzigaretten in die Gehörgänge dübeln. Aus heutiger Sicht natürlich kompletter Mainstream und Totalkommerz, aber tscha! War geil.  >>
20240401_Pfuetze
20240401_PolnFilmwoche
20240401_Stadttheater_Fürth
20240401_Staatstheater
20230703_lighttone
2024041_Berg-IT
20240201_VAG_D-Ticket
20240201_mfk_PotzBlitz
20240401_Comic_Salon_2
20240401_Theater_Erlangen
20240401_Wabe_1
20240411_NbgPop_360
20240401_ION
20240401_Idyllerei
20240401_Neues_Museum_RICHTER
20240401_D-bue_600