So ein Theater ...

DIENSTAG, 2. FEBRUAR 2016

#Dieter Stoll

Es ist schon wieder Saison-Halbzeit an den fränkischen Theatern. man kann aber auch von der dritten grossen Premierenwelle reden. Eigene Nürnberger Produktionen der derzeit meist diskutierten Stücke in Deutschland sind dabei (eins von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, eins von Bestseller-Jurist Ferdinand von Schirach), und das Entertainment lässt sich selbst nach Faschingsende nicht von Stammplätzen in den Spielplänen vertreiben. Der Hinweis auf Comeback-Versuche, Gastspiele und Dauerbrenner verhilft obendrein zu sicheren Nummern bei der persönlichen Auslese.


STAATSTHEATER NÜRNBERG

PREMIERE. Das war einst der erste Überraschungsgruß vom Broadway, der an den deutschen Bühnen die gemütliche Operetten-Tradition ins Wanken brachte: Cole Porters Musical-Comedy KISS ME, KATE mit kessen Songs wie dem heutzutage für jede Umweltschutzkonferenz tauglichen „Es ist viel zu heiß“. Drei hausgemachte Produktionen dieser intelligent-übermütigen Theater-auf-dem-Theater-Story um ein verkrachtes Schauspieler- und Liebespaar, das sich auf offener Bühne frei nach Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ fetzt, gab es seither am Opernhaus. Die bislang letzte Kate war Monika Engel. Jetzt folgt Nr. 4 mit Hilfe vieler gelenkiger Spezialgäste aus der Nachwuchsschmiede der Bayerischen Theaterakademie. Regisseur Thomas Enzinger, Frohsinnsfachmann aus Österreich, hat an gleicher Stelle in Nürnberg schon eine fränkelnde „My Fair Lady“, das Wolfgangsee-Schmusical „Im weißen Rössl“ und zuletzt in der Fürther Comödie den Travestie-Evergreen „La Cages aux Folles“ inszeniert. Von dort kommen wieder die am Opernhaus schon öfter zur Kalauer-Nothilfe berufenen Frankenkomiker Heißmann & Rassau, die als Bänkelsänger-Duo im Gangsterlook „Schlag nach bei Shakespeare“ empfehlen – wie das bei der Deutschlandpremiere dazumal die später durchs „Wirtshaus im Spessart“ tingelnden Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller taten. Die kongeniale deutsche Textfassung, die in der ersten Runde dem noch nicht so richtig anglophilen Publikum zuliebe tatsächlich in exakter Übersetzung unter „Küss mich, Käthchen“ gespielt wurde, stammt noch von Günter Neumann, Chefautor der Westberliner „Insulaner“-Kabarettisten. Sophie Berner, die neulich in der Berliner Bar Jeder Vernunft die Sally in „Cabaret“ spielte, und Christian Alexander Müller, bundesweit trainiert als Tony der „West Side Story“ und „Phantom der Oper“, gastieren in den Hauptrollen.
Premiere: 13. Februar. Weitere Termine: 20. und 22. Februar im Opernhaus.

PREMIERE. Auf der Spur von Gerichtsthrillern der Sorte „Die zwölf Geschworenen“ ist der dichtende Jurist Ferdinand von Schirach, wenn er nach diversen Romanbestsellern wie „Schuld“ und „Verbrechen“ mit seinem erst zu Beginn der Saison uraufgeführtem Theaterstück TERROR in jeder Vorstellung den Zuschauer zum Schöffen macht. Es geht in der Gerichtsverhandlung um eine spektakuläre Gewissensentscheidung: Darf ein von Terroristen gekapertes Flugzeug voller unschuldiger Passagiere, das als rasende Bombe in ein volles, also mit viel mehr gefährdeten Personen besetztes Sportstadion gesteuert wird, in Abwägung der Verluste abgeschossen werden? Oder muss diese nach Opferzahlen abwägende Schutzaktion aus Prinzip bestraft werden? Am Ende des nervenaufreibenden Prozesses soll der Zuschauer per Hammelsprung entscheiden, ob die Strafe für „164fachen Mord“ fällig ist. Der Autor bleibt eher streng beim Buchstaben des Gesetzes (hier: Staatsanwältin Adeline Schebesch), die Aufführung darf sich dennoch mit dem Verteidiger (hier: Christian Taubenheim) und dem Publikum dagegen verbünden. Dies Urteil von Nürnberg kann also jeden Abend anders ausfallen. Örtliche Theaterfreunde mit Erinnerungsvermögen freuen sich auf den Regisseur: Frank Behnke, Schauspieldirektor in Münster und zuvor ein Jahrzehnt Chefdramaturg der Direktion Klaus Kusenberg in Nürnberg mit Inszenierungserfolgen wie Thomas Bernhards „Alte Meister“ und „Lametta“ von Fitzgerald Kusz, kehrt als Gast zurück. Rund 20 deutsche Theater haben das Werk bereits in ihre Planung aufgenommen – Nürnberg ist gleich beim ersten Durchlauf dabei.
Premiere: 14. Februar. Weitere Termine: 16., 18., 21., 25. Februar in den Kammerspielen.

PREMIERE. Ich war einmal ein Film, dürfte diese Uraufführung mit Recht gegen Verbiegungen klagen, aber von fragwürdiger Adaption oder gar Zweitverwertungsmissbrauch kann keine Rede sein. Denn der jetzige Mitautor und Nürnberger Regisseur Karsten Dahlem schrieb schon das Drehbuch des 2013 zur Berlinale-Eröffnung
gestarteten Streifens von Stephan Lacant.
Nun also FREIER FALL auf der Bühne nochmal neu. Eine Dreiecksgeschichte, in der die beiden Polizisten Marc und Kay (Julian Keck und Stefan Willi Wang, zuvor am gleichen Haus Romeo und Hamlet), die überraschend Gefühle füreinander entdeckt haben, und Karen Dahmen als Bettina, die Freundin (= werdende Mutter) an der Seite von Marc, um ihr „normales Leben“, respektive um Fassung ringen.
Premiere: 17. Februar. Weitere Termine: 21. und 25. Februar in der BlueBox im Schauspielhaus.

PREMIERE. Die ausufernde, in sarkastisch gewundenen Schnörkeln wuchernde Sprache der Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ist von Wut und Ironie gespeist, in der Wucht ihrer Argumentation explodieren die glättenden Regeln des Guten, Wahren und Schönen. Mit DIE SCHUTZBEFOHLENEN mischte sie sich schon in die Flüchtlingsdebatte ein, als deren heutige Aggressivität allenfalls zu ahnen war. Inzwischen gibt es an vielen Theatern die unterschiedlichsten Interpretationen der Vorlage, auch Kombinationen des literarisch neuen Europa mit altgriechischer Aischylos-Klassik über die „Schutzflehenden“. Die Nürnberger Regisseurin Bettina Bruinier – mit Kleists sprödem „Käthchen von Heilbronn“ gelang ihr im Vorjahr die seit langem interessanteste Klassikerproduktion am Schauspielhaus – begibt sich unter Videoflankierung von Clemens Walter mit Acht-Personen-Ensemble auf das Glatteis der Jelinek-Textfläche und muss in diesem weiten Gedankenfeld nun konzeptionell Halt suchen. Nach der außergewöhnlichen, nicht imitierbaren Uraufführung durch Nicolas Stemann (er schickte in Hamburg die Betroffenen selber auf die Bühne und ließ die echten Schauspieler im Chor mit „Wir können euch nicht helfen, wir müssen euch spielen“ in pathetischer Hilflosigkeit deren Klagen beantworten) ist das die vermutlich größte Herausforderung im Schauspielhaus-Spielplan dieser Saison.
Premiere: 20. Februar. Weitere Termine: 21. und 25. Februar im Schauspielhaus.

WIEDERKEHR. Irgendwo ins mexikanische Grenzgebiet zur USA ist Laurent Laffargues etwas ungelenke Inszenierung von Bizets populärer, im Ranking der ewigen Musiktheater-Spitzengruppe ganz weit vorn platzierte Spanien-Oper CARMEN verlegt. Warum? Warum auch nicht! Der Interpret aus Frankreich behauptet einfach diesen Ortswechsel für singende Schmuggler mit Anhang. Man könnte die Titelheldin nach Konzeptdetails fragen, denn sie kehrt aus der Premierenbesetzung zurück, nachdem die Produktion vor einer großen Pause längere Zeit ohne sie auskommen musste, und hatte den Regisseur vor vier Jahren noch persönlich kennengelernt. Mezzo-Röhre Jordanka Milkova ist ansonsten zwischen Basel und Essen unterwegs. Drei Hauptrollen und der Dirigent sind 2016 ausgewechselt: Jochen Kupfer, der frisch ernannte „Kammersänger“, tritt im Wechsel mit dem ebenfalls neuen Levent Bakirci als „Auf in den Kampf“-Torero namens Escamillo an, Verdi-Tenor David Yim ist jetzt der betrogene Don José mit der Blume am Herzen und dem Dolch im Gewand, Allzweck-Sopranistin Michaela Maria Meyer fächert ihr atemberaubendes Vielseitigkeitssortiment, das im noch relativ kurzen Nürnberger Engagement schon von Wagners „Meistersinger“-Evchen über die Operettenwirtin vom „Weißen Rössl“ und Mozarts quirliger „Figaro“-Susanna bis Puccinis männerverschlingender Musetta reicht, mit der sanft-dramatischen Lieblings-Schwiegertochter Micaela noch etwas weiter auf. Das spanische Stück des französischen Komponisten in texanischer Kulissenschiebung auf deutscher Bühne – na, wenn das nicht multikulturell ist.
Termine: 5., 14., 17., 21., 23., 28. Februar im Opernhaus.

PREMIERENFRISCH. Das Comeback der im 19. Jahrhundert dominierenden und dann zeitweise aus den Spielplänen verdrängten Grand Opéra läuft nun schon seit etwa 25 Jahren (damals gab es in Nürnberg den ersten erfolgreichen Versuch in Regie von John Dew) – und wird immer noch unter „Abenteuer“ geführt. Große Stimmen, große Gefühle, großes Orchester als Treibstoff für Hochdruckdramatik. Der selbst unter kundigen Abonnenten kaum bekannte Komponist Jacques Fromental Halévy beschrieb mit DIE JÜDIN – LA JUIVE im poetischen Salto rückwärts eine herzergreifende Lovestory vor der historischen Kulisse von Religionswillkür und Rassismus um das Jahr 1415. Regisseurin Gabriele Rech, hier zuletzt mit Verdis „Otello“ befasst, inszenierte die Produktion bereits vorige Saison in Nizza und hat sich dabei mehr für zeitlose Schicksalsschläge als für die gesellschaftspolitische Aktualität des Hintergrunds interessiert. Bei der Nürnberger Neuauflage singt Leah Gordon aus dem Ensemble die anspruchsvolle Sopran-Titelrolle, und für die noch schwierigere Tenor-Partie des Eléazar, in der Lessings weiser Nathan und Shakespeares gnadenloser Shylock ihre Spuren hinterlassen haben, ist der auch an der „Met“ schon aufgetretene Luca Lombardo aus Marseille engagiert. Guido Johannes Rumstadt, neben seiner Kapellmeisterschaft am Opernhaus noch Professor für Orchester und Dirigieren an der Musikhochschule sowie Leiter des Hans-Sachs-Chors, hat das attraktive Kolossalwerk einstudiert.
Termine: 7., 12., 25. und 27. Februar im Opernhaus.

WIEDERKEHR. Ein echtes Kammerspiel für den neu ernannten Bayerischen Kammerschauspieler. Nürnbergs Edelkomödiant Pius Maria Cüppers holt sein imposantes Solo EVENT nach dem Text des Amerikaners John Clancy, das im November 2011 mächtig Eindruck und viel Spaß machte, nochmal auf die Bühne. Das ist der Auftritt eines böse funkelnden Entertainers, der das vergeblich auf eine konventionelle Vorstellung wartende Publikum in scheinbarer Lässigkeit mit Scherzen und Zaubertricks bei Laune hält, auch wenn mancher der Späße, sobald etwa die nahe Kantinendepression plötzlich die Stimmungslage zu beherrschen scheint, die Betrachter kurzfristig aus der Gemütlichkeit rempeln. Cüppers mit seiner bis heute besten Leistung spielt im 90-Minuten-Monolog giftspritzend freundlich mit den Zuschauern, holt sie für Momente herein in den geheimnisvollen Dramenkreislauf seines Berufs und entzieht ihnen klamottenselig wieder den Zugang zur betäubenden Magie, indem er sie besinnungslos quatscht. Das muss man sehen! Und es rückt immer näher, denn nach der Premiere im großen Haus und der zweiten Runde in den Kammerspielen tanzt Cüppers seine Pointenpirouetten jetzt zum Greifen nah im Studio.
Termin: 9. Februar in der BlueBox des Schauspielhauses.

HÖHEPUNKT. Die bislang beste Aufführung der Schauspielhaus-Saison sollte man nicht verpassen, solange es sie noch gibt: das neue britische Bühnenstück mit dem Ur-Titel 1984, eine Fortschreibung von Orwells in Buch und Film verewigtem BigBrother-Klassiker der niemals endenden Überwachungs- und Manipulationsbedrohung, ist mit aktueller Gegenwartskenntnis und Zukunftsangst aufgeladen. Was damals 1948 auf 1984 projiziert wurde, bewegt sich nun auf der Brücke von 2015 zu 2050. Regisseur Christoph Mehler, der mit seinem Kreislauf-„Woyzeck“ für kontroverse Diskussionen sorgte, lenkt die Story in seiner herausfordernden Interpretation dank höchst intensiver Schauspielerleistungen raffiniert entlang an Videoinstallation und Wortoper zur aufregenden Kopfgeburt mit Herzschrittmacher.  
Termine: 1., 10., 26. und 27. Februar in den Kammerspielen.

WIEDERKEHR. Dieses Tschaikowski-Ballett von Goyo Montero hat eine lange, internationale Geschichte. Es entstand schon 2006 im spanischen Valencia, machte mehrere Stationen und wurde 2009 zur besten Choreographie des Jahres in Italien gewählt. Danach reihte der inzwischen zum Nürnberger Spartenchef berufene Montero eine weiterentwickelte Version seiner schwarzromantischen Märchendeutung, die er melancholisch und doch temperamentvoll im Rückblick erzählt, ins Opernhaus-Repertoire ein – mit großem Orchester im Graben. Jetzt holt er DORNRÖSCHEN für die weitgehend erneuerte Compagnie aus dem Schlaf zurück in den aktuellen Spielplan. Eine extraordinäre Produktion: Tanztheater-Fans und Ballettomanen haben sich da gemeinsam angesprochen gefühlt wie seither wohl nicht mehr.
Termine: 19., 24. und 26. Februar im Opernhaus.

FASCHINGS-SPECIAL. Wer für die drohenden „tollen Tage“ eine Alternative zu Narhallamarsch und Faschingsprinzen-Ahaaa sucht, darf sich am Schauspielhaus gepflegt durchlachen. Zum Finale von Samstag bis Dienstag sind, verteilt auf die drei Spielstätten am Richard-Wagner-Platz, vier Abende garantiert konfettifrei zwerchfellerschütternd. Da gibt es den etwas breit geratenen, trotzdem ständig ausverkauften Drehbühnenklamauk DER NACKTE WAHNSINN (06.02.), die umso rasantere Karussellfahrt mit wirren Zeitgeistern
= [UNGEFÄHR GLEICH] (06.02.), das längst zum kichernden Kultstück aufgestiegene Hörspieltheater WINNETOU sehr frei nach Karl May mit einer winzigen Duftnote aus dem Schuh des Manitu (06.02.), den britischen Amüsierboulevard mit Verwechslungsenergie vom fließbandfleißigen Pointenfabrikanten Alan Ayckbourn ALLE LIEBEN GEORGE (07.02.), die brillant süffisant nach frühen Hitchcock-Bosheiten wie schwarzweißer Kintopp-Oldie umgesetzten 39 STUFEN (08.02.) und natürlich das schon genannte Cüppers-Solo EVENT (09.02.). Da kann keine Prunksitzung mithalten.

STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg.
staatstheater-nuernberg.de



STADTTHEATER FÜRTH

PREMIERE. Noch ein Jugendroman, der zum Bühnendrama mutiert. Susan Krellers preisgekröntes Buch um das aufmerksame Mädchen Mascha, das ein auffälliges Geschwisterpaar (der Junge ein verspotteter Übergewichtler, seine Schwester am ganzen Körper voller blauer Flecken) retten will, weil die Erwachsenen nicht helfen, sondern wegschauen. ELEFANTEN SIEHT MAN NICHT, von Thomas Stang mit dem überaus einsatzfreudigen Fürther KULT-Ensemble inszeniert, leuchtet den schönen Schein des Vorstadtlebens bis in die dunklen Ecken der Ignoranz aus.
Premiere: 13. Februar. Weitere Vorstellungen im freien Verkauf: 14., 20. und 21. Februar im Kulturforum Fürth.

PREMIERE. Einerseits das zweite Fürther Kapitel für den am deutschen Theaterbetrieb eher in Randbereiche gedrängten französischen Nobelpreisträger Albert Camus, andererseits die Entdeckung eines wiederbelebten historischen Ortes als Spielraum. Nach „Caligula“ im großen Stadttheater setzt das mit acht Akteuren antretende Junge Ensemble von Johannes Beissel in der Kapitalismusattacke DIE GERECHTEN im kleineren Rahmen nach. Es geht um revolutionäre Gewalt, wobei das um den Mordanschlag auf einen russischen Großfürsten von 1905 kreisende Beispiel hier in die Gegenwart geholt wird – wie die Grundsatzfrage, ob Töten ein legitimes Mittel im Kampf um Gerechtigkeit sein kann. Gespielt wird im Goldenen Schwan, dem historischen Fürther Wirtshaus von 1681, das wie ein verfallendes Altstadt-Mahnmal lange ungenutzt leer stand und jetzt nach der Renovierung vom zeitweiligen „Schandfleck“ (Fürther Nachrichten) zum temporären Kulturhaus wird. Das „Bürgerbühnen-Ensemble“ junger Erwachsener, das u.a. mit der Migranten-Schulgroteske „Verrücktes Blut“ im Kulturforum beeindruckte, ist im Großeinsatz. Und das Plakat „Kampf dem Kapital – Wir sind die Gerechten“ verweist schon vorweg auf gemischte Gefühle.
Premiere: 3. Februar. Weitere Termine:  4. und 24. bis 27. Februar im Goldenen Schwan, Grüner Markt, Fürth.

GASTSPIEL. Diese Masken wurden schon bei mehreren Figurentheater-Festivals in Nürnberg, Fürth und Erlangen gefeiert. Das internationale Ensemble FAMILIE FLÖZ verbindet das anonymisierte Gesicht mit explosiver Körpersprache zu einer ganz eigenen Darstellungsästhetik, ungeheuer witzig und dabei hintergründig melancholisch wie ein Film von Jacques Tati. Das Stück HOTEL PARADISO ist der Klassiker dieses Stils, eine rabenschwarze Gastronomiekomödie mit Null-Sterne-Garantie als knatterndes Gagfeuerwerk über dem Aufmarsch kauziger Typen. Monsieur Hulot würde hier jederzeit Ferien machen.
Termine: 21. Februar, 16 und 19:30 Uhr

STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth
stadttheater.fuerth.de



THEATER ERLANGEN

PREMIERE. Spätestens seit Franz Wittenbrink mit „Sekretärinnen“ erfolgreich ein Theaterstück aus lauter bekannten Schlagern zusammenmontierte und der noch hinreißendere Christoph Marthaler seine stimmungsgeladene Soundtrack-Philosophie aus Arien und Chorälen als Inszenierungsstil etablierte, gilt diese Ohrwurm-Dramatik (ob hausgemacht oder nachgemacht) in vielen Varianten als Spielplan-Attraktion. Die Musiker Jan S. Beyer und Jörg Wockenfuß, ständig für den guten Ton im Erlanger Spielplan verantwortlich, wollen es mit Regisseur Eckat Cordes und sieben gesangsbereiten Schauspielern ebenfalls versuchen. Sie nähern sich auf der umgewidmeten „Showbühne“ Markgrafentheater quasi mit offener Kehle dem Saisonthema „Heimat“, das bisher schon großes Welttheater und kleine Nabelschau überwölbte. Nicht weniger als „ein galaktischer Liederabend“ soll HEIMAT ERLANGEN mit dem Verdrängungswettkampf von mobilen Kandidaten auf Suche nach dem neuen Zuhause werden, wobei der angekündigte Blick auf „Heimat, Aufbruch und unendliche Welten“ offenbar keine Grenzen kennt. Möge die Macht mit der Musik sein.
Premiere: 4. Februar. Weitere Termine: 6., 18., 19., 27. und 28. Februar im Markgrafentheater.

PREMIERE. Das ist ein Sonderangebot fürs denkbar jüngste Publikum (ab 3) an der Hand  – oder auch ein diskreter Workshop für deren Eltern am anderen Ende derselben, die offen sind für beiläufiges Betthupferl-Training. Fünf Schauspieler aus dem Ensemble und Regisseurin Marlene Hildebrand präsentieren „Kindergeschichten, neu erzählt“ in zwei 40-Minuten-Portionen unter dem bewährten Seufzertitel ES WAR EINMAL. Die Kultautoren Janosch und Hannes Hüttner werden da auf offener Bühne zu Miniaturdramatikern. Oma, Opa, Mama, Papa und Kind sind als verschworene Phantasie- und Schicksalsgemeinschaft willkommen. Man kann – nach beiden Seiten blickend – durchaus vom begleiteten Träumen sprechen.
Premiere: 14.02. Weitere Termine: 20. + 21.02., im Theater in der Garage.

THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de



TAFELHALLE

PREMIERE. Strawinskys wummernde Attacke „Le Sacre du Printemps“ hat schon die prominentesten Ballettschöpfer zu spektakulärer Gruppendynamik herausgefordert. So wie bei Eva Borrmanns Projekt PLAN MEE, wo das Tanzstück SPRING BREAK mit drei Solistinnen das aufpeitschende Klangtableau für geordnete Massen sozusagen intim bewältigen will, hat es wohl noch keiner probiert. Das russische „Frühlingsopfer“-Ritual wird hier zur amerikanischen Studentenparty mit irgendwie ebenfalls rituellem Ausflippen per Alkohol, Drogen und Sex. Die junge Choreographin, die mit ihrer Kunst auf der Suche nach „den inneren Motoren“, also der Antriebskraft der Menschen ist, hatte mit ihrem ersten Stück „Swipe“ im Künstlerhaus beachtlichen Erfolg und lenkt nun die Schritte in den größeren Rahmen. Als Koproduktion mit der Tafelhalle, unterstützt u.a. auch von der Nürnberger Tanzzentrale und Bayerns Kunstministerium.
Premiere: 19. Februar. Weitere Vorstellungen: 20. und 21. Februar sowie 2. und 3. März in der Tafelhalle.

PREMIERENFRISCH. Vor vier Jahren bekam der damals unter Theaterfreunden noch nicht gesetzte Hörspielautor Wolfram Lotz (inzwischen 2015 mit „Die lächerliche Finsternis“ zum „Dramatiker des Jahres“ gekürt) für diese glitzernde Kleingroteske den Kleist-Förderpreis: DER GROSSE MARSCH, eine Mediensatire mit grimmiger Hommage an TV-Show-Elemente aus den 80er-Jahren, als die Mattscheibenspäße noch etwas weniger angestrengt originell, aber auch schon ganz schön gaga waren. Tafelhallen-Premiere war erst am 28. Januar.
Termine: 10. bis 12. sowie 24. und 25. Februar in der Tafelhalle.

WIEDERKEHR. Ein großer Tisch, darauf verschiebbare Miniatur-Figuren und dahinter ein multimedialer Riese, der gleichzeitig als lebende Tonspur einsetzbare Erzähler & Spielleiter – das ist wie ein ganzes Ensemble, jedenfalls mehr als genug für die ELCHJAGD von Thalias Kompagnons. Die ätzende Groteske des polnischen Autors Michal Walczak wirkt als Solo des mit allen Händen, vielen Stimmen und ungezählten Mienen jonglierenden Tristan Vogt als Dramen-Konzentrat aus dem Thriller-Labor. Ein „romantischer Albtraum“, höhnt es verführerisch in der Ankündigung. Da lacht der Täter auf der Blutspur und das Opfer wundert sich.
Termine: 4. bis 6. Februar.

TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nbg
tafelhalle.de



GOSTNER HOFTHEATER

GASTSPIEL. Das Berliner Theater Hardt Attacks tut etwas gegen den neuen Trend zur Senioren-Verschnulzung – und jagt seine Schauspielerinnen sarkastisch flott über Generationsgrenzen. Vier fidele „Omas“ mit mäßiger Rente kämpfen voll krimineller Energie um das Erklimmen der Pflegestufe – und sorgen so für Laufmaschen im Stützstrumpf. Ihr pragmatisches Betrugsprojekt samt Kidnapping der Heimleitung lässt nicht sie, sondern die Sozialordnung alt aussehen. Statt Ruhigstellung gilt Selbstverwaltung bei GOLDEN GIRLS GMBH – AUFSTAND IM ALTERSHEIM. Doch im Paradies der Silberhaare lauern auch zwerchfellerschütternde Missverständnisse. In Berlin fand man das Projekt in aller Frechheit so überzeugend, dass der Senats-Fonds Darstellende Kunst und die Augstein-Stiftung Extrasubvention gaben. Jetzt ist Nürnberger Erstaufführung.
Termine: 19. und 20. Februar im Hubertussaal, Dianastraße 28, Nbg.

GOSTNER HOFTHEATER
Austraße 70, Nbg
gostner.de



DEHNBERGER HOFTHEATER

PREMIERE. Diese Neuinszenierung ist nicht einfach Fummel-Klamauk, sondern quasi ein Hofknicks vor der Mutter des Erfinders, einem gut gelaunten Herrn namens Brandon Thomas. Denn lange vor den gefeierten Geschlechtsgrenzüberschreitungen in „Ein Käfig voller Narren“, „Viktor/Viktoria“ oder „Manche mögen‘s heiß“ stieg nach dem Textbuch des britischen Autors ein mutiger Mann auf Erbschleicherpfad als CHARLEYS TANTE mit ausgestopftem Busen in wallende Gewänder. Von 1893 bis 1897 erreichte die erste Produktion dieses Lustspiels am Rande des guten Geschmacks rund 1.500 Vorstellungen, im halben Jahrhundert danach griffen Großschauspieler vieler Nationen zwischen New York und St. Petersburg nach Pumps und Perlen – sogar Oliver Hardy, als er noch nicht eine Hälfte von Laurel & Hardy war, gab zu Movie-Glanzzeiten der stummen „Tante“ ein vielsagend geschminktes Gesicht. Später ging die Rolle von Werner Krauß (Berlin) über Sir Alec Guiness und Sir John Gielgud (London) bis zu Heinz Rühmann und Peter Alexander (deutsches Kino). Jetzt hat Marcus Everding (ja, der Sohn des legendären August Everding) eine eigene Fassung fürs Dehnberger Hof Theater montiert und inszeniert den nahezu klassischen Tumult der spitzen Schreie auf der Bühne wie im Parkett dort für 2016 im intimen Kleinkunst-Landsitz.
Premiere: 11. Februar. Weitere Termine: 12. – 14. und 17. – 20. Februar.

DEHNBERGER HOF THEATER
Dehnberg 14, Lauf an der Pegnitz.
dehnbergerhoftheater.de



THEATER PFÜTZE

WIEDERKEHR. Lisa Sophie Kusz und Helwig Arenz, die auch in der Tafelhalle in „Der große Marsch“ spielen, kehren mit dem bei der Bayerischen Theatertagen 2014 zurecht preisgekrönten Komödienspaß DIE BUSFAHRERIN zurück ins „Pfütze“-Quartier der Sebalder Höfe. Das ist eine fein ausbalancierte Aufführung, die aufklärerisch und grotesk zugleich wie ein Roadmovie abläuft und auf wundersame Weise die Generationen (grantige Titelheldin erobert neugierige Kinder, oder umgekehrt) vereint. Eine dieser besonderen Vorstellungen, die man am besten als Familienausflug bucht.
Termine: 20. Februar 19:30 Uhr, 21., 26., 27., 28. Februar um 15 Uhr.

THEATER PFÜTZE
Äußerer Laufer Platz 22, Nbg
theater-pfuetze.de



THEATER SALZ & PFEFFER

WIEDERKEHR. Zwei schrullige alte Damen auf der Spur des Verbrechens. Agatha Christies Senior-Detektivin Miss Marple hat schwesterliche Nachahmungstäter im Duo gefunden, denn Wally (mit Hütchen) und Paul (mit Perücke) Schmidt, das Nürnberger „Salz & Pfeffer“-Duo, schlüpfen im schönsten Oma-Outfit in die „Lady gegen Killer“-Rolle und lassen in ihrer monströsen Puppenwelt DIE MAUSEFALLE zuschnappen. „Deutsche Sprache mit englischem Spaßfaktor“, heißt das in der Selbstbeschreibung. „Mottensicher bis zur nächsten Vorstellung“, kicherte der Kritiker vor sechs Jahren nach der Premiere über geblümte Riesendamen und blutiges Miniaturhackebeil. Es ist an der Zeit, das zu überprüfen.
Termine: 26. bis 28. Februar.

THEATER SALZ+PFEFFER
Frauentorgraben 73, Nbg
salzundpfeffer-theater.de


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FÜR CURT: DIETER STOLL,
THEATERKRITIKER UND LANG-JÄHRIGER RESSORTLEITER „KULTUR“ BEI DER AZ.
Als Dieter Stoll nach 35 Jahren als Kultur-Ressortleiter der Abendzeitung und Theaterkritiker für alle Sparten in den Ruhestand ging, gab es die AZ noch. Seither schreibt er weiterhin, zum Beispiel überregional für Die Deutsche Bühne und ddb-online (Sitz Köln) sowie für nachtkritik.de (Sitz Berlin). Außerdem veröffentlicht er monatlich im Straßenkreuzer seinen Theatertipp.
Und nun dürfen auch wir uns über ihn freuen. DANKE!

 




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#Dieter Stoll

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STAATSTHEATER. Wenigstens die Premiere kommt noch vor dem zweiten Lockdown. So hatte sich das Nürnberger Staatstheater seinen Besetzungs-Coup sicherlich nicht vorgestellt, trotzdem ist die Regiearbeit von René Pollesch in Nürnberg natürlich das Highlight der Saison. Am Freitag feiert Take the Villa and Run! Premiere, am Samstag, 31.10., ist das Stück ein zweites Mal zu sehen. Theaterkritiker Dieter Stoll schreibt im Vorfeld:   >>
20240401_Pfuetze
20240401_Staatstheater
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