Dem Egers sei Welt #40

MONTAG, 31. AUGUST 2015

#Comedy, #Egersdörfer, #Kabarett, #Kolumne

In dem Oberpfälzer Stadtcafé L. der Stadt S., in dem auch direkt neben der Kuchentheke eine Postfiliale ihr puppenstubenputziges Obdach gefunden hat und zur Krönung zwischen dieser wundersamen Koppelung der diametralen Lebenswelten auch noch ein Turm aus dickbauchigen Glasflaschen ragt, aus dem verschiedenfarbiges Speiseöl gerne gezapft werden darf, liegt über dem wahrhaft deliziösen Blaubeerstreuselkuchen ein zerknülltes Papier.

BEOBACHTUNGEN UND NOTIZEN EINES KLEINKÜNSTLERS

Auf die Frage an die Postbäckereiölsommeliöse, welche Bewandtnis es mit dem geknitterten Bogen auf sich habe, lächelt selbige bemüht und gibt an, dass der „verkrumpelte Fetzen“ dort oben für die Wespen aufliege. Flöge denn eine solche in das multifunktionale Zweckensemble und erspähe die verknüllte Papierkugel, dränge sich der selben die Ansicht auf, dass hier schon fremde Artgenossen wohnen würden, was sie zur Umkehr und sodann zum sofortigem Rückflug animieren würde. Dem dezenten Minenspiel der Frau während dem Gesagten war zu entnehmen, dass sie selbst nur eingeschränkt an die Zweckdienlichkeit dieses Mittels zur Insektenverscheuchung glaubte. Trotzdem, oder deswegen, störte mich keine einzige Wespe in dem kauzigen Etablissement beim Verzehr eines Stückes Streuselblaubeerkuchens.
Im Krematorium in N. gibt es schon seit längerer Zeit ein mehr oder weniger unlösbares Problem: Die Leibesfülle der Toten, die sich nach ihrem Ableben verbrennen lassen möchten, nimmt stetig zu. Das führt dazu, dass des Öfteren die Holzfüße der Särge abgeschlagen werden müssen, um das finale Behältnis überhaupt in die Ofenkammer hineinschieben zu können. Nicht selten steht die Ofentür leicht offen, weil der übergroße Sarg ein ordnungsgemäßes Verschließen vereitelt. Die Mitarbeiter in der Einäscherungshalle flüchten sich auf Grund der ständig entweichenden Dämpfe in die Trunksucht.

Unlängst begegnete mir der moderne Sisyphos in der U-Bahn in M. Er hatte einen größeren, rechteckigen und komplett in ein Betttuch eingenähten Gegenstand vor sich stehen. Es könnte sich um ein größeres Bild gehandelt haben. Sein Gesicht war wächsern bleich. Er wirkte insgesamt ausgezehrt von Krankheit, Überanstrengung, Drogen und Armut oder von allen Unglücken zusammen. Ständig griff er nach dem verhängten Gegenstand, um ein Umfallen zu vereiteln. Dann wischelten seine Finger auf der Oberfläche eines tiefschwarzen und vollständig leeren Handydisplays. Die Schirmmütze rutschte bei der ergebnislosen Anstrengung immer mehr in das verzerrte Gesicht. Seine zitternde Hand versuchte die Schiefstellung notdürftig zu korrigieren. Dann drückte er wieder fast leblos auf dem toten Telefon herum, griff immer wieder nahezu wie im Schreck, oder als sei er im Moment aufgewacht, das eckige Trumm, nur, um gleich darauf das Mobiltelefon tastend zu betupfen. Bei all seinem vergeblichen Tun zog ihn ein offensichtlich sehr schwerer Rucksack allmählich nach hinten und unten. Immer kurz vor dem rückwärtigen Stürzen brachte er sich mit größerer Anstrengung wieder in eine aufrechte Körperposition. Er rückte daraufhin die Mütze wieder zurecht, griff plötzlich zu dem verhüllten Objekt, tastete auf dem funktionslosen Apparat herum, während ihn der Ranzen allmählich wieder nach hinten zog.

Wenn man Sport macht, um dadurch sein Körpergewicht zu reduzieren, entwickelt man dabei schnell und versehentlich einen furchtbaren Hunger. Dann frisst man nach zwei Stunden Joggen auf einmal so viel, dass man vier Stunden gejoggt hätte haben müssen, um wenigstens ein paar Gramm abzunehmen. Am besten betreibt man gar keinen Sport bei einer Diät. Kein Sport, keine Bewegung, flache Gedanken. Es empfiehlt sich auch im Besonderen, nicht an Weiber zu denken. Das macht ebenso schnell hungrig. Nach dem Wichsen oder Ficken überkommt einen ja meistens der Wurstbrothunger. Am besten ist das Liegen. Beim Liegen sich auf das Liegen konzentrieren. Sich auf die Stellen konzentrieren, wo man besonders stark auf der Matratze aufliegt. Dazu noch ein regelmäßiges Geräusch. Sehr gut ist ein ständig tropfender Wasserhahn. Gegenwart spüren. Ab und zu ein Stück Reiswaffel kauen. Ein Hochgenuss.

Die Frau neben mir an der Bushaltestelle spricht sehr lange. Sie hält einen russischen Monolog. Ich verstehe kein russisch. Vielleicht spricht sie gar nicht russisch. Lange redet sie vor sich hin. Dann folgt ein Schweigen. Gleich darauf referiert sie wieder. Ich erfasse kein einziges Wort und frage mich, ob sie vielleicht telefoniert und in ein unsichtbares Mikrofon hineinspricht. Ich wage einen Seitenblick und kann nichts darauf Hindeutendes erkennen. Ein weiterer Mann sitzt neben der Frau und schaut ihr ungeniert beim Sprechen zu. Ich frage mich, ob die Frau verrückt ist und Selbstgespräche führt. Der andere Mann fragt sich bestimmt auch, ob die Frau überhaupt noch zurechnungsfähig ist. Unverhohlen blickt er die Irre an und delektiert sich offenbar an ihrer Geisteserkrankung. Das ist obszön und widert mich an. Aber dann spricht er. Es ist auch russisch oder etwas anderes. Aber es ist offensichtlich die gleiche Sprache wie die der Frau. Er antwortet. Ich bin erleichtert.

Weil ich selten und nur manchmal, aber immer nur abends zur Arbeit gehe, vertreibe ich mir gelegentlich die freie Zeit am Vormittag durch einen Museumsbesuch. Oft wandle ich allein durch die Hallen und betrachte die ausgestellten Objekte, während mich eine Aufsicht dabei beobachtet. So wandeln wir als zufälliges Paar durch die Räume, und es kommt bisweilen vor, dass die Aufsicht offenbar die Lust verlässt oder es nicht mehr für sinnvoll erachtet, mich weiterhin zu beaufsichtigen. In solchen Momenten frage ich mich immer, warum jene Aufsichtsperson weiß, dass ich nichts von den Exponaten zerschlagen werde. Ich weiß es ja selbst nicht genau.



UND WAS MACHT EGERS SONST NOCH IM SEPTEMBER, AUSSER GUT AUSSEHEN?
In Nürnberg und nähere Umgebung nicht viel. Fürs gemeine Bühnenpublikum genau genommen gar nichts. Mit seinem Programm „Vom Ding her“ ist er Ende September nur außerhalb Frankens unterwegs und „Egersdörfer und Artverwandte“ kommen auch erst wieder im Oktober ins KunstKulturQuartier, dann natürlich wie immer präsentiert von curt.
Das Ergebnis seiner Arbeit als CSI Egers kann das Fernsehpublikum erst im nächsten Jahr sehen. In der neuen TV Serie "Sedwitz” taucht der leidenschaftliche Langstreckenschwimmer am 10.9. um 23:30 Uhr in der ARD und 11.9. um 22:45 Uhr im BR als Bruno Patzelt in einer kleineren grandiosen Nebenrolle auf.
Genaueres unter www.egers.de.

 




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Was für ein nicht enden wollender Sommer das heuer gewesen ist. Bis in den Oktober hinein wurde ich immer dringlicher gemahnt: Genieße unbedingt den sonnigen Tag heute! Morgen kommt der Herbst, dann ist alles vorbei. Immer wieder habe ich mich in die Sonne gesetzt und habe die Sonne mit aller Kraft genossen bis zur Langeweile, bis zum vollständigen Überdruss. Das kommt daher, dass ich Befehle stets gewissenhaft und verlässlich ausführe. Da kann man sich einhundertprozentig auf mich verlassen. Meine Zuflüsterer taten immer so, als ob das Himmelgestirn im nächsten Moment unwiderbringlich explodieren würde und man sein Leben fürderhin in lammfellgefütterten Rollkragenpullovern, Thermohosen und grob gestrickten Fäustlingen verbringen müsste – in Zimmern, in denen die Heizung unentwegt auf drei gestellt ist. Aber es hat ja nicht aufgehört zu scheinen. Wenn ich an einem Tag genossen und genossen habe, hat der Leuchtkörper sein blödsinniges Leuchten am nächsten Tag keineswegs eingestellt. Die Dummköpfe aber haben es nicht unterlassen, weiterhin ihre Sonnengenussbefehle auf mich auszuschütten. Die Aufforderungen blieben keineswegs aus, sondern steigerten sich zur Unerträglichkeit. Wenn einer endlich einmal sein dummes Maul gehalten hat, dass ich mich unbedingt bestrahlen lassen muss, hat ein anderer damit angefangen, mich aufdringlich aufzufordern, mein Glück unter dem drögen Kauern unter dem aufdringlichen Glanz des leuchtenden Planeten zu finden. Noch Anfang November saß ich voller Wut auf der Straße und habe Kaffee getrunken und gehofft, dass mir die Sonne ein Loch in die Stirn schmort, dass den Schwachköpfen ihr blödsinniges Gerede leidtut und sie mich um Verzeihung bitten müssen. Die Sonne hat immer weitergeschienen wie ein Maschinengewehr, dem die Patronen nicht ausgehen.  >>
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