So war: Sziget Festival 2015

FREITAG, 21. AUGUST 2015

#Festival, #Konzert, #Musik, #So war

Mit „Let me entertain you“ eröffnete dieses Jahr kein geringerer als Robbie Williams das alljährliche Musikfestival in Budapest. Ein besseres Motto ist für das einwöchige Spektakel auf der Insel wohl auch kaum zu finden.

Mit ca. 400.000 Besuchern in einer Woche und über 1.000 Einzelveranstaltungen auf über 60 Schauplätzen zählt das Festival auf der Donauinsel mitten in Budapest zu den größten seiner Art – und zu den schönsten. So wurde den Veranstaltern nach 2011 auch 2014 der Preis für das beste europäische Festival verliehen. Größter Pluspunkt dabei: die Insel selber mit den großen Baumbeständen und den weiten Wiesen. Überall ist man von sattem Grün umgeben, zudem steht den Besuchern ein Strandabschnitt zur Donau hin zur Verfügung.

Bands und Musik stehen zwar nach wie vor im Vordergrund des Festivals, doch die Vielzahl an sonstigen Vergnügungen und Freizeitmöglichkeiten legt deutlich an Bedeutung zu. Mich erinnert das Ganze immer mehr an einen großen Vergnügungspark für junge Erwachsene. Dabei reicht die Auswahl von Musik (fast) jeglicher Couleur – von Rock und Indie über Reggae, Ska und World Music bis Techno und EDM - über Open-Air-Kino, Tanz, nationalem und internationalem Theater, Tattooing- und Piercing-Shops, Sportmöglichkeiten wie Volleyballfelder, Tennisplätze, Menschenkicker und Bungeejumping bis hin zu Programmen für Kinder. Daneben gibt es noch die unzähligen Besucher, die in ihrem Festivalwahn mehr oder weniger Kreatives und Lustiges dazu beitragen.

Es wird auch viel Wert auf Kunst, Gestaltung und Dekoration gelegt, das fängt mit einem eigens eingerichteten Kunstcamp an und hört bei der bunten Beleuchtung der Wege und Zeltplätze mit selbst gebastelten Lampions und Lichterketten noch lange nicht auf. Überall, an jeder Ecke und mit jedem Blick gibt es etwas zu entdecken oder zu bestaunen. Das ist in dieser Intensität wohl nur noch mit dem Fusion Festival zu vergleichen. 

Klar ist, dass ein Festival mit mehreren hunderttausend Besuchern auch den Massen pläsieren muss, sprich: hier ist auch der Mainstream zuhause. Dem Zeitgeist geschuldet bedeutet dies heutzutage vor allem: EDM. Dem wird nicht nur in Form eines extra für diese Musikrichtung errichteten, mehrere 1.000 Leute fassenden Zeltes Rechnung getragen, sondern die szenetypischen Acts, wie in diesem Fall die Superstars Avicii und Martin Garrix, bestimmen zunehmend auch das Line-up auf den großen Hauptbühnen. Ob es nun attraktiv ist, einem DJ auf einer gigantischen Bühne beim Playback Abspielen zuzuschauen, sei jedem selbst überlassen. Das oft dazugehörige, übergroße Lichtspektakel kompensiert ja auch einiges.

Doch auch auf der sogenannten World Stage, früher noch ein Garant für wirklich Exotisches aus zum Beispiel der Mongolei oder Schwarzafrika, wird der Sound insgesamt gefälliger, so dass sich die diversen Bands aus aller (europäischen) Ländern mehr oder weniger einzig durch die Sprache noch etwas unterscheiden. Den Grundgroove fast aller aufgetretenen Bands bildet aber eine Art „globaler Folklorismus“  zwischen Reggae, Dancehall und Ska, Einflüsse anderer Musikrichtungen wie Fado, Chanson oder ursprünglicher Volksmusik sind leider oft nur mehr marginal zu erkennen.

Am Ende ist das natürlich auch immer Geschmackssache, über die sich bekanntlich nicht streiten lässt, und das Angebot ist zum Glück so groß, dass es auch dieses Jahr wieder jede Menge Spannendes zu erleben gab:
Der Eingangs schon erwähnte Robbie Williams zum Beispiel zeigte, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört, und reicherte seine an Hits eh nicht arme Show durch gelungene Coverversion an: Das bis zum Gitarrensoli angespielte „We will rock you“ von Queen ging geschmeidig in Joan Jetts „I love rock’n’roll“ über, und mit „Minnie the moocher“ unterstrich er seine nach wie vor bestehende Liebe zum Swing. Absoluter Höhepunkt war dann die Zugabe: „Bohemian rhapsody“ im Duett mit Freddy Mercury und Queen, die per original Aufnahmen in Bild und Ton zum Leben erweckt wurde, gefolgt von einem herzzerreißenden „Angels“ und Frank Sinatras „My way“ nur mit Pianobegleitung und Teleprompter – neckisch zum Publikum gedreht. Unglaublich, mit welcher Sympathie der Mann so ein Konzert rocken kann und 80.000 jubelnde Fans danken es ihm laut und lange.

Die Tags darauf an gleicher Stelle als Headliner auf der Main Stage auftretenden Florence & The Machine konnten mich weniger überzeugen, obwohl Frontfrau Welch wie ein Derwisch die Bühne rauf und runter läuft und im Vorfeld vor dem Spiegel wohl insgeheim die „ganz großen“ Posen geübt hatte. Irgendwie erinnerte mich das in seiner Harmlosigkeit an Fleetwood Mac.
Dafür zeigten Alt-J  - wiederum einen Tag später auch an gleicher Stelle - dass es auch anders geht: ihre elektronisch geprägten Pop-Kunstwerke setzten sie mit einem fast schon rein akustisch anmutenden Setup gekonnt um und brillierten eindrucksvoll mit ihrem dreistimmigen diffizilen Gesang.

Spannend auch immer das riesige A38 Zelt, das locker den Nürnberger Hauptmarkt überspannen könnte und mindestens 15.000-20.000 Menschen Platz bietet. Dank flugzeugpropellergroßer Ventilatoren lässt es sich auch bei größerer Hitze hier noch aushalten, bei Regen – der in Budapest um diese Jahreszeit aber eher selten vorkommt – ist es the-place-to-be.

Hier konnte man zum Beispiel die wieder einmal großartigen Beaksteaks sehen. Was für eine Liveband! Nie ein Konzert gleich, immer Abwechslung, sowohl in den Songstrukturen wie auch im kompletten Bühnengeschehen. Hier wird eben nicht einfach 0815 runtergespielt, und der Spaß der Jungs an der Sache ist jedes Mal deutlich spürbar. Da verzeiht man Sänger Arnim Teutoburg-Weiß auch locker, dass er vor lauter Aufregung die ersten zwei Strophen von „Hello Joe“ zur Band versetzt singt. Doch die Aufregung ist verständlich, denn die Kulisse des sehr gut gefüllten Zeltes und die merklich beste Stimmung im Publikum spürt sicher auch die Band, wie sie selbst auch nicht Müde wird zu betonen, und es dann wieder einmal schafft, Zehntausende kollektiv springen und hüpfen zu lassen.

Erstaunlich rockig gaben sich auch SBTRKT, die trotz großem Elektronik-Park mit Gitarren und Percussion auffuhren und einmal mehr bewiesen, welch gute Musiker sich oft hinter den eher elektronisch-digital produzierten Tracks verstecken.

Einer meiner absolute, aber völlig unerwarteten Höhepunkte: Passenger. Ich muss zugeben, dass mir der Name rein gar nichts gesagt hat und ich mich eher aus organisatorischen Gründen im A38 Zelt eingefunden habe. Die Tatsache, dass ich gefühlt der einzige anwesende Mann unter 20.000 Mädels und Frauen war, gefiel mir natürlich erst mal. Aber wirklich bemerkenswert war diese Fleisch gewordene Inkarnation des modernen Hippster-Barden (natürlich mit Vollbart). Allein für seinen passenden Vergleich zwischen dem zeitgleich auf der Main Stage hörbar bumbernden Avicii als Darth Vader auf seinem Todesstern, und dem einsamen kleinen, zerbrechlichen Barden-Bürschchen und seine treuen Rebellen im A38 Zelt, musste man den Briten einfach lieb haben. Wirklich stark dann auch unter anderem die Coverversionen von Simon & Garfunkels „Sounds of silence“  oder Bruce Springsteens „Dancing in the dark“, jeweils eigen und frisch interpretiert. Gäneshautfeeling – man möge mir den Begriff verzeihen, aber es war so - als das komplette Zelt minutenlang stimmgewaltig weiter singt, sowohl zur Zugabe hin, als auch nach dem Ende des Konzerts..

Auch hier war die Dankbarkeit und fast schon Demut des Künstlers ob eines besonderen Konzertes zu spüren, wie so oft auf diesem Festival, bei dem oft deutlich wird, dass die speziell gute Sziget-Stimmung des Publikums auch bei den Auftretenden ankommt und umgekehrt. Selbst kleine Bühnen sind meist gut besucht und Bands werden abgefeiert, als gäbe es kein morgen.

Viel könnte man noch schreiben, über Konzerte von LaBrassBanda, Che Sudaka, Milky Chance, Kings Of Leon, Major Lazor, Ellie Goulding, Foals, Kasabian, The Subways, Kraftklub, William Fitzsimmons, Babylon Circus, Gogol Bordello, Gentleman, Kadebostany, Cro, The Gaslight Anthem, Limp Bizkit, Tyler The Creator usw. und noch dutzender unbekannter ungarischer Bands jeglichen Genres, oder auch über fette DJ-Sets von Marcel Dettmann, Ellen Allien, Damian Lazarus, Dixon und vielen anderen. Doch wie schon erwähnt, hier ist eigentlich das Festival der Star. Wer das ultimative Festival-Erlebnis sucht und sieben Tage lang will, ist hier bestens aufgehoben, denn wer sich hier langweilt, wird wohl nie Spaß im Leben finden …

Zum Schluss noch lobend erwähnt werden sollte die beeindruckende Organisation und Logistik. Dafür, dass hier hunderttausend Menschen gleichzeitig herum wuseln, läuft eigentlich alles sehr rund. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind verstärkt im Einsatz, die sanitäre Situation in den Dixies und Containertoiletten ist auch nach sieben Tagen noch erträglich (geil wird das nie!), und selbst das Nadelöhr Eingang – eine ehemalige einspurige Eisenbahnbrücke ist der einzige Zugang auf die Insel – wird zumindest so bewältigt, dass sich selbst bei großem Andrang keine wirklichen Staus bilden. Dass man bei so vielen Menschen an neuralgischen Stellen immer wieder warten muss, liegt in der Natur der Sache …

www.szigestfest.de

[fs]




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#Festival, #Konzert, #Musik, #So war

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