Dem Egers sei Welt #39

DIENSTAG, 30. JUNI 2015

#Comedy, #Egersdörfer, #Kabarett, #Kolumne

Ich habe Philipp in der fünften Klasse im Gymnasium Lauf rechts der Pegnitz kennengelernt. Wir wurden sehr schnell dicke Freunde. Manchmal fing ich einen Satz an und Philipp sprach ihn dann zu Ende. Manchmal sprachen wir auch gleichzeitig dasselbe. Insofern lässt es sich schwer sagen, wer von uns auf diese Idee gekommen ist. Es kann auch gut sein, dass einer von den beiden Olivers darauf kam, denn mit denen steckten wir beide auch unter einer Decke.

WANDMALEREI

Ausschlaggebend war jedenfalls, dass uns im Kunstunterricht vom sogenannten Action Painting erzählt wurde. Wir sahen Bilder, die mit Wucht und Mut gemalt worden waren. Da wurde nicht zimperlich mit Farbe umgegangen. De Kooning dürfte es ziemlich scheißegal gewesen sein, wenn er mal mit dem Pinsel daneben tropfte. Der tobte glatt weiter auf der Leinwand - ohne Gnade. Man hörte es förmlich knurren, fluchen und brüllen aus seinen Bildern. Das war mal etwas anderes, als ein Pferd blau zu malen. Ich verehre noch heute den spinnerten Wols, der sich mit ganzer Kraft ins malerische Abseits schmierte und kratzte. Die Mal- und Tropforgien von Jackson Pollock waren ein Gottesdienst. Die Herdplatte wurde auf drei gestellt. Das Wasser kochte und der Deckel wackelte schon hysterisch. Es musste schnell etwas passieren.
 
Eines Nachmittags stiefelten wir los und kauften uns im Baumarkt einige Flaschen Dispersionsfarbe und verschieden große Pinsel. Wir packten alles in Tüten und eilten mit einem gerüttelten Maß Irrsinn und Übermut zur Brücke West, die Lauf links und Lauf rechts über die Pegnitz verbindet. Am Gestade des leicht müffelnden Flüsschens packten wir aus, um die grauen Betonpfeiler mit frischer Farbe zu gestalten. Ich glaube, Oliver mischte sich Farben auf einer Tüte zusammen, bevor er ans Werk ging. Ich nahm das Zeug wie es aus der Flasche kam. Philipp malte auch gleich drauf los. Wir bemerkten schnell, wie groß diese Leinwand war und die Pinselstriche wurden größer. Um das große Grau zu besiegen, wurden wir immer tollkühner. Wir malten zusammen an einem schier grenzenlosen Bild und wünschten uns Leitern. Sprangen mit farbsatten Pinseln hinauf und zu allen Seiten. Wir mischten direkt auf der Wand und erfanden den „Farbrundlauf“. Mit tropfenden Pinseln rannten wir nacheinander laut schreiend am Beton entlang. Wir schütteten die Farbe direkt auf die Pfeiler und mischten mit den Tüten wie im Rausch auf dem Beton, der das alles geduldig mit sich machen ließ.
 
Über uns fuhren die rechtschaffenen Autofahrer, die nichts von unserer Raserei ahnten. Der Fluss zeigte sich unbeeindruckt. Ein paar Amseln schimpften dezent. Zwei Spaziergänger hielten kurz inne, setzten aber ihre Wanderung fort, als hätten sie ein Krokodil im Gewässer entdeckt, das sich nach längerem Betrachten dann doch als Wurzel eines Baumes herausgestellt hatte. Wir bemerkten gar nichts mehr und malten, bis wir erschöpft waren und uns die Farbe ausging. Aber mit dem letzten Rest der Farbe ließen wir es dann noch einmal ordentlich Krachen wie beim Schluss des Feuerwerks, das alljährlich mit einem großen Donnerschlag das Laufer Kunigundenfest beendet. Der eine Oliver hat die ganze Show mit seiner VHS-Kamera aufgenommen, und das Filmchen hört in dem Moment auf, als beim letzten Farbrundlauf die Kamera plötzlich nach links schwenkt, weil von da plötzlich ein Polizeiauto unter die Brück gefahren kam. Man hört noch, wie der Polizist dem Oliver das Weiterfilmen untersagt. Ender der Dokumentation.
 
Offensichtlich hatten die zwei braven Bürger nach ihrer kleinen Wanderung doch direkt beim Gesetzeshüter angerufen. Unsere Personalien wurden aufgenommen und wir waren sehr schnell wieder nüchtern. Meine Eltern schüttelten den Kopf und zweifelten ein bisschen an ihrem einzigen Sohn, und das wurde nicht besser, als ihnen bei einem Telefonat mit dem Rathaus mitgeteilt wurde, dass ein wohl notwendiges Dampfstrahlen der Brücke West etwa 20.000 Mark kosten würde.
 
Ein paar Tage später bekamen wir eine Vorladung zum Stadtbaumeister der Stadt Lauf. Kleinlaut und ein gutes Stück geschrumpft erschienen wir sehr pünktlich im Amtszimmer des Staatsdieners. Er erzählte uns ohne Umschweife, dass er den Tatort höchstpersönlich in Augenschein genommen hätte und bezeichnete unseren Frevel schlichtweg als Vandalismus. Wir sagten gar nichts. Zum Schluss stotterte ich heraus, dass wir alle im Kunstleistungskurs wären und sein Urteil verfrüht sei, weil wir in unserem Werk jäh unterbrochen worden wären und zum jetzigen Zeitpunkt eine letztendliche Beurteilung schlichtweg unmöglich sei. Das überraschte den hohen Herrn. Noch mehr aber überraschte er uns mit der Ansage, dass er sehr gerne erführe, wie wir beabsichtigten, die Malerei zu beenden. Ich meine mich zu erinnern, dass sich bei dieser Äußerung ein minimales Grinsen in seinem Gesicht abzeichnete. Es kann aber auch sein, dass ich das Grinsen eben erst zu der Geschichte dazu erfunden habe. Er gab uns eine Woche Zeit. Dann sollten wir ihm unsere Entwürfe präsentieren.
 
Wir zeichneten unsere fragmentarischen Brückengemälde brav mittels mit Buntstift ab und fügten eine malerische Ergänzung hinzu. Ein Oliver fotografierte den aktuellen Stand. Die Fotos machten neben den Zeichnungen ganz schön was her. Wir präsentierten vorab unser Konzept zur Kontrolle einer meiner Schwestern, die irgendwann einmal ein bisschen Kunstgeschichte studiert hatte, sozusagen die Person in der Familie, die den Ressort Kunst im weitesten Sinne vertrat. Unsere Absicht war es, dem Stadtbaumeister gegenüber einen kleinen Abriss über das Action-Painting angedeihen zu lassen und ihm darüber hinaus zu verdeutlichen, dass wir diese Kunstform unsererseits zu einem Kollektivhappening im öffentlichen Raum erweitert hatten. Meine Schwester kräuselte ein bisschen die Nase, schaute sich eine Zeit lang unsere Bilder und Fotos an und erklärte dann ohne Umschweife, dass wir hier mit Action-Painting nicht weiter kämen. Sodann schüttelte sie eine fulminante Bilderklärung aus dem Ärmel. Es ging bei unserem Werk alles in allem um die gesellschaftlich wichtige Frage der Energiegewinnung. Der Fluss wurde malerisch zitiert im Hinblick auf die Stadtgeschichte aber auch als natürliche Kraftquelle im eigentlichen Sinn. Daneben Sonne und Strom im Wettstreit um nichts weniger als unser aller Zukunft. Uns stand der Mund offen.
 
Genau so haben wir dann dem Stadtbaumeister die Bilder mit der Geschichte präsentiert. Dem stand auch der Mund offen, und er gestand, dass er diese Aspekte wohl übersehen und mit so etwas nicht im Mindesten gerechnet hätte. Einige Zeit später gab es eine Stadtratssitzung, zu der wir geladen wurden. Auf der Tagesordnung stand auch die Bemalung der Brücke West. Philipp und ich gingen ins Rathaus. Hinten an der Wand im Sitzungssaal mit dem großen Tisch und den Stadträten hingen unsere Bilder und Zeichnungen. Es wurde einiges verhandelt. Dann war der Punkt „Brücke West“ dran. Der Stadtbaumeister erklärte kurz die Umstände einer unerlaubten Brückenbemalung, um dann mit Zeigestock über unsere Darstellungen zu deuten und über die gesellschaftlich wichtige Diskussion der Energiefrage zu sprechen. Um ein Haar hätte ich lauft aufgelacht, wenn mir in dem Moment mein alter Freund Philipp nicht ziemlich stark in den Oberschenkel gezwickt hätte. Zum Schluss sprach der christsoziale Bürgermeister noch mahnende Worte und übergab die Vollendung des Kunstwerks in die Hände und Aufsicht des Kunstlehrers des Gymnasiums Lauf. Für einen Schwarzen finde ich das nach wie vor ziemlich cool.



UND WAS MACHT EGERS SONST NOCH IM SOMMER, AUSSER GUT AUSSEHEN?
Sommerpause! Als kurze Pause von der Sommerpause moderiert er durch den Abend bei den Stars im Luitpolthain, während er sonst den Sommer lang schlapp in der Ecke sitzt, mosert und pfopfert und wohl seiner Frau die Kunst näher bringt. Genaueres unter www.egers.de.




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Was für ein nicht enden wollender Sommer das heuer gewesen ist. Bis in den Oktober hinein wurde ich immer dringlicher gemahnt: Genieße unbedingt den sonnigen Tag heute! Morgen kommt der Herbst, dann ist alles vorbei. Immer wieder habe ich mich in die Sonne gesetzt und habe die Sonne mit aller Kraft genossen bis zur Langeweile, bis zum vollständigen Überdruss. Das kommt daher, dass ich Befehle stets gewissenhaft und verlässlich ausführe. Da kann man sich einhundertprozentig auf mich verlassen. Meine Zuflüsterer taten immer so, als ob das Himmelgestirn im nächsten Moment unwiderbringlich explodieren würde und man sein Leben fürderhin in lammfellgefütterten Rollkragenpullovern, Thermohosen und grob gestrickten Fäustlingen verbringen müsste – in Zimmern, in denen die Heizung unentwegt auf drei gestellt ist. Aber es hat ja nicht aufgehört zu scheinen. Wenn ich an einem Tag genossen und genossen habe, hat der Leuchtkörper sein blödsinniges Leuchten am nächsten Tag keineswegs eingestellt. Die Dummköpfe aber haben es nicht unterlassen, weiterhin ihre Sonnengenussbefehle auf mich auszuschütten. Die Aufforderungen blieben keineswegs aus, sondern steigerten sich zur Unerträglichkeit. Wenn einer endlich einmal sein dummes Maul gehalten hat, dass ich mich unbedingt bestrahlen lassen muss, hat ein anderer damit angefangen, mich aufdringlich aufzufordern, mein Glück unter dem drögen Kauern unter dem aufdringlichen Glanz des leuchtenden Planeten zu finden. Noch Anfang November saß ich voller Wut auf der Straße und habe Kaffee getrunken und gehofft, dass mir die Sonne ein Loch in die Stirn schmort, dass den Schwachköpfen ihr blödsinniges Gerede leidtut und sie mich um Verzeihung bitten müssen. Die Sonne hat immer weitergeschienen wie ein Maschinengewehr, dem die Patronen nicht ausgehen.  >>
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