Dem Egers sei Welt #38

MONTAG, 1. JUNI 2015

#Comedy, #Egersdörfer, #Kabarett, #Kolumne

Mein künstlerisches Oeuvre beinhaltet auch die Phase der schon einmal an dieser Stelle thematisierten und völlig zu Recht gehuldigten expressiven Panzerschlachtenwerke, die ihren Anfang Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts genommen hatten und etwa ein Jahrzehnt einen integralen Bestandteil meiner Bildkunst bildete.

PANZER UND ARSCHLÖCHER

Aber ich möchte mich an dieser Stelle gleich selbst korrigieren. Die Bezeichnung Bildkunst wird diesem Genre leider nur teilweise gerecht. Sehr wichtig war bei diesen Zeichnungen mit Blei- und Bunt- aber auch Filzstiften die den Zeichenvorgang gleichzeitig unterstützende akustische Untermalung. Das bedeutete, dass die Darstellung des Austritts des Projektils aus dem Geschütz, sein Flug durch die Luft und seine finale Detonation eine zeitgleiche Entsprechung in Geräuschen fand, die ich mit meinem Mund erzeugte. Ich sirrte den Lauf des Projektils in der Luft nach. Mit vollen Backen schrie ich eine Explosion heraus, malte und prasselte einen Brand. Schon trällerte ich Sirenen von der Feuerwehr und lieh meine fassungslose Stimme den Verwundeten. Ich war mit dem Mund schon oft viel weiter und zeichnete mit dem Stift fast atemlos und gehetzt hinterher.  

Kollege Erik schließlich erweiterte die Bildarbeit mit ihrer phonetischen Entsprechung zum kollektiven Happening. Auf dem endlosen Computerpapier, das uns Eriks Vater überlassen hatte, zeichneten wir die Umrisse von Gebirgen. Jeder Teilnehmer erhielt eine Anzahl von kleineren und größeren Panzern, die sich unterschiedlich schnell über das Papier bewegen konnten. Die Reichweite wurde je nach Panzergröße in einer gewissen Anzahl von Strichen angegeben. In den Gebirgen verringerte sich die Anzahl der Striche. Ziel des Spieles war es, möglichst alle Panzer des Mitspielers mit einem schnellen Bleistiftstrich zu durchkreuzen. Zu Hochzeiten schrien drei oder mehr Buben, die auf allen Vieren über eine endlose Papierfahne rutschten, die Befehle der Panzerkapitäne. Donnernd schnellten die Projektile durch die Luft. Bleistiftspitzen zerschnitten das Papier und integrierten den Fußboden in die kriegerische Auseinandersetzung. Zwischendrin zankten wir, weil einer zu lange Fortbewegungsstriche gezogen oder zu langsam mit dem Bleistift geschossen hatte.    

Schöne, glückliche Kinderzeit. Wie gern denkt man zurück und wie verwunderlich ist das auch. Offensichtlich hat mich der Panzer mit seiner Zerstörungskraft so grundlegend begeistert, dass ich Jahre meiner Existenz für seine mannigfaltige Illustration aufwand. Aber was war der Moment, der diese langanhaltende Faszination begründete?

Mein alter Freund Klaus half mir bei des Rätsels Lösung entscheidend weiter. Der gab neulich an, dass es bei dem Kinderkarussell auf der Kirchweih, also dem Fahrgeschäft für die ganz kleinen Kirchweihbesucher, wo man auf verschiedenen Fahrzeugen im gemächlichen Tempo etwa zwei Minuten im Kreis fährt, zu der Zeit, als wir Zielgruppe für derartige Vergnügungen gewesen sind, auch schon immer zwei Panzer gegeben hätte. Bei denen konnte man die Kanone hinauf und hinunter fahren und man konnte schießen. Man brauchte das Krachen gar nicht mit dem Mund machen. Der Klaus meint, dass meine kindliche Panzerfixierung daher kommt. Außer dem Panzer, haben wir uns anschließend noch erinnert, gab es noch ein Feuerwehrauto. Bei dem man die Sirene per Knopfdruck heulen lassen konnte. Es gab noch Motorräder, wo man auch hupen konnte. Es gab Autos, selbstverständlich auch mit Hupen. Und es gab Kinderfahrräder mit Kinderfahrradklingeln. Naturgemäß war der Run auf die Panzer immer am größten. Feuerwehr und Motorrad waren bestimmt auch sehr begehrt. Manchmal war viel los. Wenn man dazu noch langsam und ein bisschen dick gewesen ist, konnte es gut passieren, dass, noch bevor man geschaut hatte, alle begehrten Fahrzeuge besetzt waren.

Aber auf ein Fahrrad hätte sich unsereins niemals gesetzt. Klaus meint, dass sich auf diese Räder nur die Arschlochkinder gesetzt hätten. Alles spricht dafür, dass es so ist. Klaus sagt, dass diese besonderen Arschlochkinder auch noch auf einem quasi baugleichen Fahrrad zur Kirchweih gefahren sind. Bei der Auswahl an Fahrzeugen auf dem Kinderkarussell hätten diese Kinder ohne Not das Fahrrad ausgesucht. Mit voller Absicht hatten die sich das Fahrrad ausgesucht.

Vielleicht hatte der Besitzer des Kinderkarussells mit Berechnung die Fahrräder montiert. Vielleicht sind die Fahrräder die Lockfalle für die Arschlochkinder gewesen. Der wusste ganz genau: Auf die Räder setzen sich immer nur die Arschlöcher. Deswegen war der Kinderkarussellbesitzer auch immer so unwirsch, weil die Arschlöcher vielleicht über die Jahre immer mehr wurden. Deswegen roch der Kinderkarussellbesitzer immer nach billigem Weinbrand und Zigaretten, weil er begriff, dass immer neue Arschlöcher nachkommen. Jede Kirchweih, jeden Sommer, jedes Jahr kommen neue Arschlöcher, ohne Unterlass, solange sich dieser verdammte Planet weiter dreht.


UND WAS MACHT EGERS SONST NOCH IM JUNI, AUSSER GUT AUSSEHEN?
„Vom Ding her“ steht er am 5. Juni in Schwarzenbruck solo auf der Bühne. (06.06. Mannheim, 12.06. Schweinfurt). Mit Martin Puntigam und dem gemeinsamen Programm „Erlösung“ ist er am 19. Juni in der Münchener Lach- und Schießgesellschaft und am 20. Juni auf dem Kulturfest in Anwanden auf der Bühne. Die Reihe „Egersdörfer und Artverwandte“ im Festsaal des Künstlerhauses (KunstKulturQuartier) macht bereits Sommerpause. Dafür macht Matthias wieder Theater: zusammen mit der (Inklusions-)Theatergruppe Dreamteam steht er mit dem Stück „Star Wash - Im Schleudergang durch die Galaxis“ auf der Bühne.  Am 11. Juni im Saal im Erlangener E-Werk und am 13. Juni in der Arena im Cinecitta Nürnberg.
Noch mehr Infos auf www.egers.de und natürlich auch auf unserer Website.




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#Comedy, #Egersdörfer, #Kabarett, #Kolumne

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Was für ein nicht enden wollender Sommer das heuer gewesen ist. Bis in den Oktober hinein wurde ich immer dringlicher gemahnt: Genieße unbedingt den sonnigen Tag heute! Morgen kommt der Herbst, dann ist alles vorbei. Immer wieder habe ich mich in die Sonne gesetzt und habe die Sonne mit aller Kraft genossen bis zur Langeweile, bis zum vollständigen Überdruss. Das kommt daher, dass ich Befehle stets gewissenhaft und verlässlich ausführe. Da kann man sich einhundertprozentig auf mich verlassen. Meine Zuflüsterer taten immer so, als ob das Himmelgestirn im nächsten Moment unwiderbringlich explodieren würde und man sein Leben fürderhin in lammfellgefütterten Rollkragenpullovern, Thermohosen und grob gestrickten Fäustlingen verbringen müsste – in Zimmern, in denen die Heizung unentwegt auf drei gestellt ist. Aber es hat ja nicht aufgehört zu scheinen. Wenn ich an einem Tag genossen und genossen habe, hat der Leuchtkörper sein blödsinniges Leuchten am nächsten Tag keineswegs eingestellt. Die Dummköpfe aber haben es nicht unterlassen, weiterhin ihre Sonnengenussbefehle auf mich auszuschütten. Die Aufforderungen blieben keineswegs aus, sondern steigerten sich zur Unerträglichkeit. Wenn einer endlich einmal sein dummes Maul gehalten hat, dass ich mich unbedingt bestrahlen lassen muss, hat ein anderer damit angefangen, mich aufdringlich aufzufordern, mein Glück unter dem drögen Kauern unter dem aufdringlichen Glanz des leuchtenden Planeten zu finden. Noch Anfang November saß ich voller Wut auf der Straße und habe Kaffee getrunken und gehofft, dass mir die Sonne ein Loch in die Stirn schmort, dass den Schwachköpfen ihr blödsinniges Gerede leidtut und sie mich um Verzeihung bitten müssen. Die Sonne hat immer weitergeschienen wie ein Maschinengewehr, dem die Patronen nicht ausgehen.  >>
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