Claudias Kinoempfehlungen für September 2014
#Kino
Erst dachte ich, Mensch, gleich zwei Filme des Monats, das ist ja schön. Und dann habe ich gemerkt, das stimmt nicht. Die sind alle richtig gut.
LÜGEN UND ANDERE WAHRHEITEN
Ab 11.09. // Cinecitta
Film ist nicht irgendein Quatsch, der kann schon was. Und wenn man öfter als zweimal im Jahr ins Kino geht, interessiert man sich auch mal für den Regisseur. Einige meiner Favoriten liefern in diesem Monat ein neues Werk ab, dazu gehört Vanessa Jopp, die mit Engel & Joe oder Komm näher großes kleines Kino veranstaltete.
Auch ihr neuer Film ist erstklassig, hat nur einen beschissenen Titel. Ehrlich, was erwartet Ihr bei einem Filmnamen mit „und“? Liebe und andere Kleinigkeiten, Meine Mutter, ihr Hund und mein Liebhaber - das ist Schluffiunterhaltung, nichts, das länger als 30 Sekunden nachwirkt. Trifft aber genau nicht auf Lügen und andere Wahrheiten zu. Der erzählt von den Lügen, vom Verheimlichen und vom nicht Vertrauen. Das ist nämlich ganz schön traurig, findet Coco (Meret Becker). Wenn jeder vor sich hinlebt und keinem mehr was drüber erzählt. Und bevor Coco Carlos (Thomas Heinze) heiratet, möchte sie gerne wissen, wie viel er ihr erzählt. Die wunderbare Jeanette Hain, die gerade in Die innere Zone zu sehen war, ist Cocos Freundin, Künstlerin. Von ihrer Affäre mit Yogalehrer Andi (Florian David Fitz) weiß Coco nichts. Und dann gibt es noch Cocos Assistentin, Zahnarzthelferin Vera (Alina Levshin), die lange Zeit undurchschaubar bleibt. Überhaupt weiß man nie genau, wer welches Spiel spielt in diesem Tarnen und Täuschen. Aber genau das zeichnet Vanessa Jopp aus, sie teilt die Leute nicht in zwei Schachteln ein, sie schaut hin, und dabei geht es nicht darum, sympathisch zu sein, was wir ja so gerne wären. Sind wir denn nett, oder sind wir nicht viel mehr verlogene Arschlöcher, die sich durchschlängeln, hoffen, dass keiner nachfragt, oder sich ausschweigen? Den Film finde ich hammergut und Jopp holt das Beste aus den Leuten heraus. Heinze habe ich noch nie so gesehen und Florian David Fitz hat hier ein ähnliches Erwachen wie Tom Cruise in Magnolia. Jaja, die können auch anders, wenn sie mal dürfen und wollen. Zum Schluss kommt ein bisschen viel zusammen. Aber traurig ist man trotzdem, wenn man aus dem Kino geht, und das bleibt.
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MAPS TO THE STARS
Ab 11.09. // Casablanca
Eigentlich war ich sicher, dass das der Film des Monats ist - und er ist auch großartig. Doch irgendwie ist Lügen und andere Wahrheiten noch einen Tick besser. Gemeinsam ist den beiden Filmen, dass sie einen traurig zurücklassen und ich nicht mal genau weiß, warum. David Cronenberg ist ein besonderer Regisseur, der hier ganz geradlinig ein Familiengeflecht in Hollywood entblättert.
Der Vater Therapeut (John Cusack), seine gebeutelte Patientin (Juliane Moore) und seine Kinder: zwei Jugendliche, deren Leben nicht funktioniert und ein Geheimnis, dem keiner auf der Spur ist. Dennoch fährt Cronenberg mit der Kamera wie ein Spürhund auf dem Waldweg entlang, findet große Narben, sichtbare oder unsichtbare, sieht Dekadenz und Arroganz. Sie leiden und teilen aus. Und wenn es ihnen wieder gut geht, sind sie noch widerlicher. Man blickt hinein in dieses Hollywood, so richtig. Die große Entdeckung ist Evan Bird, der beängstigend gut eine Art Justin Bieber spielt.
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MR. MAY UND DAS FLÜSTERN DER EWIGKEIT
Ab 11.09. // Casablanca
Ein ernster Mann mit einem seltsamen Beruf und einem Leben, das danach schreit, aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden. Mr. May verschenkt Würde, beruflich. Er organisiert Beerdigungen für Menschen, die keiner vermisst, bastelt aus vier Gegenständen, die er in der Wohnung des Toten findet, eine Rede. Doch diese Stelle als Beamter der Stadtverwaltung könnte man auch einsparen. Bis dahin will es Mr. May schaffen, mal einen Gast auf einer Beerdigung zu haben. Ich sag es mal so: Das ist ein sehr ruhiger Film, Sprache ist nicht das Wichtigste, und die Bewegungen sind auch sehr langsam. Also müde sollte man nicht sein, wenn man ins Kino geht.
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A MOST WANTED MAN
Ab 11.09. // Casablanca, Cinecitta
Manche Dinge versteht man nicht: Warum starten so viele Filme am 11.09. und warum fangen sie alle mit M an? Der Most Wanted Man dropt tolle Namen: Willem Dafoe, Rachel McAdams und Philip Seymour Hoffman in seiner letzten Rolle. Sie bewegen sich in einem Agentennetz in Deutschland (!). Leider beeindruckt Regisseur Anton Corbijn nicht mit tollen Bildern, wie er sie in Control präsentierte. Der holländische Fotograf macht es zwar leicht, die Übersicht zu behalten, was die Menschen angeht. Aber visuell aufregend ist die Geschichte um die konkurrierenden Geheimdienste und einen undurchschaubaren Tschetschenen überhaupt nicht.
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DIE BIENE MAJA
Ab 11.09. // Cinecitta, Cinestar
Claudia, was soll die Die Biene Maja im curt? Es fängt damit an, dass Filme über Freundschaft immer groß gehandelt werden. Und das hier ist einer. Es geht weiter mit Jan Delay, der mit der Sprechrolle von Willi seine absolute Bestimmung gefunden hat. Die Biene Maja selbst ist mit einem sehr niedlichen Prustelachen und Kulleraugen ausgestattet, ist aber auch ein kleiner Punk. Gegen jede Gleichschaltung haut sie im Bienenstock auf den Putz und fragt Sachen wie „Warum kann ich nicht machen, was ich will?“ Außerdem ist es lange her, dass ich das letzte Mal jemanden gesehen habe, der so viel Spaß am Leben und so viel Bock auf Menschen hat, wie die Maja. Und schließlich möchte ich allen, die aus ihrer aktiven Biene-Maja-Zeit ein Hornissen-Trauma haben, mitteilen, dass sie es mit dem Film überwinden werden. Das war‘s. Okay, ich wollte mal wieder Flips „Hühüpf“ hören - auch wenn der Grashüpfer in der bearbeiteten Form eher aussieht wie Kermit.
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KING OF PIGS
Ab 25.09. // Komm Kino
Manche Filme hauen einen um. Was für düstere Zeichnungen! King Of Pigs ist ein südkoreanisches Animationsdrama, das so präzise gezeichnet ist, dass ich am Anfang Angst hatte, dass die Tote am Tisch zwinkern könnte. Kann sie nicht, schon klar. Die Bilder sind brutal, aber die Story über eine Schulzeit, in der es darum geht, ob man zu den Hunden (Anführer) oder zu den Schweinen (Opfer) gehört, ist härter. Gewalt auf dem Bubenklo, Väter, die Glück versprechen und nicht wiederkommen, und Katzen, die dich auslachen - das passiert und schockiert hier und heißt übersetzt Sozialkritik.
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LIKE FATHER LIKE SON
Ab 25.09. // Filmhaus
Frage: Ist dein sechsjähriger Sohn noch dein Sohn, wenn du erfährst, dass er bei der Geburt vertauscht wurde? Hättest du lieber den anderen? Ich dachte, die Antwort sei einfach. Sieht man Like Father Like Son wird das Wertesystem auf den Kopf gestellt. Der japanische Regisseur erzählt Momente. In den Gesichtern der Eltern stehen die Gedanken laut und deutlich, Hirokazu Koreeda steuert den Zuschauer, und zwar in unerwartete Richtungen, in die man gar nicht denken wollte. Manipulativ und sehr erstaunlich.
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[cn, curt]
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