Dem Egers sei Welt #30

MONTAG, 1. SEPTEMBER 2014

#Comedy, #Egersdörfer, #Kolumne

Du musst mal sieben Jahre nicht rauchen. Lass mal sieben Jahre das Rauchen sein, und dann lass Dir eine anbieten. Steck Dir die Filterzigarette in den Mund und bitte um Feuer. Halte die Hand schützend um Feuer und Zigarettenspitze. Zieh die Flamme in den trockenen Tabak. Lausche dem leisen Knistern.

RAUCHENRAUCHENNICHTRAUCHEN

Vorsichtig ziehe ich den Rauch in den Mund und blase ihn, noch selbst ganz überrascht, durch ein kleines Loch zwischen den Lippen wieder in die Luft. Dann sauge ich wieder an der Zigarette und lasse den Rauch tief in meinen Hals. Mein Innerstes fülle ich auf mit tanzendem, weißen Rauch. Der Rauch dreht und kugelt sich in mir. Der Nebeltanz erfasst mein Hirn. Das Inwendige in meinem Kopf beginnt sich zu verlustieren. Ich verliere den äußeren Halt auf der Welt. Meine Füße wackeln, als hätte man der Marionette die Fäden abgeschnitten. Ich hopse, um das Stürzen zu vermeiden, auf der drehenden Erdkugel im Nikotinrausch. Und jetzt inhaliere ich das letzte Stück. Bis runter an den Filter sauge ich den Zauberdampf aus dem brennenden Tabak.

Und gleich danach lasse ich mir noch eine Fluppe geben. Zünde sie vorne an. Glutauge. Sauge Rauch wie ein Verdurstender. Das Feuer küsst den Tabak. Von der leidenschaftlichen Liaison bleibt eine Spitze Asche übrig. Mit Rauch in den Backen stupse ich die Erinnerung aus Asche in die Luft. Fest stehe ich am Boden und schmecke die Tabakessenz in Mund und Hals. In der Kathedrale meines Leibes tanzt der helle Nebel wie im leuchtenden Konzertsaal. Das Publikum applaudiert, und dann ziehen die Schwaden schon wieder hinaus, um nach einem Augenblick wiederzukehren. Die Erde steht still. Ich lasse Rauch aus reiner Freude durch meine Nasenlöcher rauschen.

Dann stehe ich am Fenster und rauche in den Hinterhof hinaus und sehe, wie sich die Kastanienblätter im Wind wiegen und horche, wie eine Amsel ohne Unterlass den alten Kater auspfeift und begreife die Welt. Trete vor Wirtschaften und lass‘ mir Zigaretten anzünden von langbeinigen Fotomodellen. Der Rauch unserer Tschicks umarmt sich und weht davon. Und mein A und O des Tages sind zwei Zigaretten, mit denen ich die Tage morgens anzünde und in der Nacht, nach tiefer Inhalation, im Aschenbecher ausdrücke.

Dazwischen rauche ich Zigaretten des Wartens und der Ungeduld, der Freude und Wut, der Belohnung und des Frusts, um Stechmücken zu vertreiben und um den Zeigefinger gelb zu färben. Ich messe die Zeit mit meinen gerauchten Zigaretten. Rauche und trinke dazu schwarzen Kaffee wie in hundert Filmen, wie ein stilles Gebet.

Dann stecke ich mir die Letzte an und ziehe noch einmal kräftig und mache sie aus und zerdrücke die Glut. Ziehe mir die Wanderschuhe an und renne den Berg hinauf und renne den Berg hinunter und ein Stück hinauf. Schlafe in den Bergen und laufe hinauf und hinunter. Laufe ein paar Tage kreuz und quer hinauf und hinunter. Und vergesse die Zigaretten wie zerstreute Eltern ihre kleine Tochter mit der braunhaarigen Puppe an der Autobahnraststätte. Das Gelb der Finger verschwindet wie Schnee. Es ist auch ein Genuss, nicht Tabak, Zigarettenpapierchen und Feuer ständig suchen zu müssen, bevor man das Haus verlässt. Plötzlich stehe ich da ohne Tschick im Maul, als wäre ich vom Himmel gefallen. Jetzt kann ich hundert Jahre alt werden, denke ich mir und atme, als wäre die Luft der geilste Tabak. Die Amsel schimpft. Der Wind weht durch die Kastanie.

Und dann zieht’s mich wieder in die Berge. Auf dem Weg dorthin treffe ich die kleine Tochter. Sie ist groß geworden. Sie ist ein bisschen eingeschnappt wegen der Geschichte an der Raststätte. Sieben Jahre hat sie dort gelebt, Bockwürste gewärmt, Schokoriegel und Zeitschriften in die Regale sortiert, auf einer müffelnden Decke in der Küche geschlafen. Sieben Jahre lang mit Essendunst in der Nase eingeschlafen. Wir rennen los, die Berge hinauf und hinunter. Auf dem Gipfel hole ich eine Holzkiste hervor. Wir rauchen Zigarren und der dicke Rauch zieht direkt zum Mond, und meine Gedanken ziehen nach und meine Hoffnung. Rauche eine Wochenzigarre unter der Kastanie. Rauche zwei, rauche Zigaretten. Rauche wie ein glücklicher Schlot einer Fabrik, die Lebensfreude produziert.


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Uns Egers macht‘s wie die Lehrer – Ferien bis Mitte September.
Am 17.09. meldet er sich mit einem Auftritt beim 3satfestival zurück, bevor er im Oktober mit einem neuen Programm (zusammen mit Martin Puntigam) und alter, geballter Präsenz wieder auf die Bühnen der Welt zurückkehrt.
Und dazwischen werden Spuren für den „Frankentatort“ gesichert.

 




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#Comedy, #Egersdörfer, #Kolumne

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