Claudias Kinoempfehlungen für Juli 2014
#Kino
Vielleicht liegt es in der Natur der Sache: Wenn das Wetter schön ist, haben wir Kapazitäten, uns mit anstrengenden Filmen auseinanderzusetzen. Ja?
MISTAKEN FOR STRANGERS
Ab 17.07. // Filmhaus
Man stellt es sich immer etwas glamouröser vor, als es ist. Der Bruder des Stars, klar, der kann auch was. Aber warum soll der Bruder des Bandleaders kein Dickhead sein, vielleicht eine Heavy-Metal-Nase aus Cincinnati? Matt Berninger von The National (rechts im Bild) hat genau so einen. Tom (links) ist Hobbyfilmer, Lieblingsthema: Der Barbar in der Identitätskrise. Könnte lustig sein, ist es aber nicht. Als Tom hört, dass er mit auf Tour darf, fährt er freihändig Auto - zwei Hände weg vom Lenker! Das bedeutet: Er ist vor Freude aus dem Häuschen. Blöd nur, dass sie ihm Aufgaben zuteilen, wo er doch Kameramann ist, der Künstler, der eine Doku über die Band dreht, kein Handtuchbereitleger. Schon in den ersten Szenen merkt man, wie bald die Jungs von ihm genervt sein werden. Des jungen Berningers Fragen sind so erstklassig wie seine Bildideen („Bück dich mal“). Der kleine, dicke Tom ist ein spielendes Kind, allerdings eines, das gerne viel Alkohol trinkt. Warum erst eine Karriere aufbauen, wenn man gleich feiern kann?
Eine Weile ist das lustig, dann nervt der Quatsch, den er macht und auch die engelsgleiche Geduld der anderen. Die Doku kippt, wird eine Psychoanalyse: Wie fühlt man sich als kleiner Bruder eines erfolgreichen Sängers? Dieser Horrorfilmer passt nicht in die Welt des Indie-Rock, er sieht die Welt natürlich aus seiner Perspektive - aus welcher auch sonst. So hin- und hergerissen wie man ist, kann dieser Film nur gut sein. Mistaken For Strangers ist Ambivalenz in Reinformat. Natürlich hochgradig manipuliert, denn er soll als Komödie funktionieren. Da ist seltsamer Seelenstrip drin und eine Menge Michael Moore, aber wenn der Zuschauer lacht, hat der Künstler Recht. Ich wüsste zu gern, was das Ganze sollte. Aber: Ein Film, der 1.000 Fragen aufwirft, ist ein guter Film. Geht es dem kleinen Bruder jetzt besser, wollte der große nur gut dastehen? Sicherlich hätte Tom Berninger aus eigener Kraft kein besseres Langfilmdebüt hinbekommen als diese Doku, die zum Teil während der Endlostour zum zehnjährigen Bandbestehen gefilmt wurde. Jetzt können wir noch drüber spekulieren, warum ihr Album, das sie im Anschluss aufnahmen, Trouble Will Find Me heißt.
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WIR SIND DIE NEUEN
Ab 17.07. // Admiral, Babylon, Cinecitta
Eine gute alte Freundin hat mich neulich gefragt, ob wir später nicht zusammenziehen wollen. Und ich finde die Idee nicht schlecht. Wie auch Ralf Westhoff, der zum Thema die Komödie Wir sind die Neuen drehte. Westhoff ist super, Shoppen war ein Meilenstein der Low-Budget-Filme und Der letzte schöne Herbsttag präzise Beziehungsbeobachtung. Jetzt also die Alten-WG mit Heiner Lauterbach & Co. Anne, Eddi und Johannes, dreimal Sechzigplus, ziehen aus finanziellen und anderen Gründen zusammen, wollen es haben wie früher, mit Rotwein in die Nacht diskutieren. Nur wohnen oben drei Studenten von heute. Die Karrierearschlöcher von morgen machen den sentimentalen Freunden das Leben zur Hölle. Und sind das Problem des Films. Sie sagen Sätze auf, bepöbeln auf klischeehaft unrealistische Weise ihre Nachbarn und wollen den Rosenkrieg, bis der Junge ganz schlimm Rücken hat und man sich annähert. Westhoff überlegte wohl, was er alles nicht sein will, wie bloß nicht zu kitschig werden. Das ist ja richtig, aber diese Vermeidungstaktik führt manchmal dazu, dass man nicht merkt, dass man irgendwas Essenzielles vergessen hat. Und das ist in diesem Fall die Schauspielerführung der jungen Garde. Schade.
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MONSIEUR CLAUDE UND SEINE TÖCHTER
Ab 24.07. // Metropolis, Babylon
Jaja, die Franzosen. Haben etwas Oberwasser, seit zwei Regisseure einen Erfolg mit zwei ziemlich besten Freunden fabrizierten. Deshalb glauben die Benzemas, dass sie jetzt lustig sind. Und sie haben recht. Auffällig an Monsieur Claude und seine Töchter ist, dass er seine Witze raushaut, als gäbe es die restlichen 85 Minuten nicht. Der Spaß besteht aus den vier Töchtern, die sich quer durch die WM-Gruppen verlieben. So vereint der Regisseur alle verfeindeten Splittergruppen in puncto Rasse und Religion unter dem Dach der Familie Verneuil. Claude und Marie sind, oder wären, eher konservativ, aber die Liebe landet ja bekanntlich, wo sie will. Tatsächlich sind einige Akteure ganz in Ordnung, allesamt hübsch, manche sogar lustig. Jede Schublade wird aufgemacht und ausgeleert - die verlorene Vorhaut vom Hund gefressen, jeder beschimpft jeden. Und beim vierten Prinzesschen eskaliert es dann. Die kommt nämlich mit einem Schwarzen und dessen Vater ist noch ein größerer Rassist als der eigene. Da der Film in Frankreich so viele Besucher hatte, schicken sie ihn jetzt zu uns.
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LAST NIGHT OF MONTHY PYTHON
Am 20.07. // Cinecitta
Manche Worte spricht man aus und hat das Gefühl, sie sind so alt wie die Akropolis. Beispiel: siehe Überschrift! Stimmt aber gar nicht, alle fünf der Truppe sind zusammen nur gute 350 Jahre alt, auch wenn man sich sicher ist, dass es sie schon immer gibt. John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin sind auf - kleiner - Tour. Wie man in 43 Sekunden alle Tickets für eine Show verkaufen kann, ist mir ein Rätsel, aber saucool. Wir hier in Entenhausen müssen uns mit einer Liveübertragung von Last Night of Monty Python aus der O2-Arena in London zufriedengeben. Machen wir. Bei letzten Chancen zeigen wir uns kompromissbereit. Buchstabiere das Wort „Komiker“, finde den Weg ins Cine und guck, ob dort Weibsvolk ist. Aufpassen, dass die nicht die Karten ausverkaufen, bevor Du Deine hast.
Monty Python Live (mostly) official trailer from Picturehouse on Vimeo.
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DIE INNERE ZONE
Ab 31.07. // Casablanca
Natürlich nahm sie den Auftrag an. Ein seltsames Gasgemisch stieg aus dem Tunnel in der Schweiz und es gab Anzeichen von Paranoia bei den Wissenschaftlern, die dort arbeiten. Sie wollte das Rätsel lösen. Sirenengleich zieht uns Jeanette Hain in den Film von Fosco Dubini. Man wähnt sich jenseits von Afrika und in der Zukunft zugleich. Die innere Zone ist gruselig schöner Science Fiction, der im Jahr 2026 spielt. Alles ist traumwandlerisch ruhig fotografiert. Worum es geht, mag irgendwie eine ganze Zeit trotz vieler Erklärungen ein Geheimnis bleiben. Es gab ein kleines Fukushima, das man gerne unter Ausschluss der Öffentlichkeit gewusst hätte. Der Regisseur fasst es an.
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[cn, curt]
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