Dirigent Peter Tilling: "Grössenwahn war gestern"

DONNERSTAG, 5. JUNI 2014, HIRSCH



Peter Tilling kommt angerast, direkt vom Bahnhof, das Cello geschultert. Gleich muss er in den Hirsch, Feinheiten besprechen für PHIL & CHILL, wenn am 5. Juni im Hirsch das philharmonische Orchester auf die DJs Tommy und Ekki trifft, wenn klassische und elektronische Musik fusionieren.
Doch vorher wollen wir mal wissen: Was machen Sie eigentlich so, wenn sie nicht gerade Klassik und Elektro zusammenbringen, Herr Tilling?

Machen Sie doch mal eine typische Handbewegung.
[Er bewegt einladend die linke Hand] Jeder denkt, der Dirigent schlägt den Takt mit der Rechten. Aber die Arbeit des Dirigenten fängt da an, wo der Takt aufhört. Für die Einladung, zusammenzuarbeiten, brauche ich die Linke.

Sie halten also den Laden zusammen?
Man spricht dem Dirigenten eine Machtposition zu, aber man sollte sich hüten, sie anzuwenden. Eigentlich will man zusammen Spaß haben, gestalten. Ich stehe nicht vorne und entscheide, sondern nehme alle Meinungen auf, schaffe den Rahmen und mach nur Vorschläge. Das funktioniert ohne Worte, mit Blicken, Gesten, Gedankenübertragung. Und wenn das klappt, dann kommen wir in den Bereich, wo auch mal Magie entsteht.

Früher waren Dirigenten öfter größenwahnsinnig, oder?
Die Entwicklung weg davon ist schon gut so. Wenn ich „da oben“ bin, mach ich „da unten“ nichts mehr, gibt es für mich nicht. Ich habe zum Beispiel in Bayreuth Wagner dirigiert, bin also früh am Ziel angekommen, aber assistiere auch bei jemandem, den ich gut finde.  
Was sagen Sie dem, der meint, der Dirigent ist überflüssig, weil die Musiker wissen, was sie zu spielen haben?
Denjenigen würde ich einladen, sich neben mich zu stellen. Wenn eine Sängerin langsamer wird, muss ich mitmachen, aber im Kopf haben, dass wir trotzdem hin kommen, wo wir hin möchten. Und das Ganze mit 80 Leuten, die alle eine tolle Ausbildung und auch eine Meinung haben. Es wird nicht mal leichter, je länger man den Beruf ausübt. Denn wenn ich mit der Lupe drauf schaue, sehe ich mehr Details. Das macht die Arbeit schwieriger, je besser man sie kann. Schwer, wunderschön und immer ein Dialog! Ich kann nicht alleine.

Klingt, als wäre da eine Menge Psychologie dabei?
1.000 Prozent, man ist sich schon nahe. Sensibilität ist wichtig. Und den Leuten zu vertrauen, aber das lernt man erst mit der Zeit. Musiker schätzen es, wenn da jemand steht, der auch etwas zu sagen hat. Nur gefallen zu wollen, funktioniert nicht. Und am Abend hat man natürlich die Verantwortung, wenn was schiefgeht.

Sie sind sehr jung für einen Dirigenten …
Noch, ja. Obwohl ich gar nicht so früh angefangen habe. Ich habe Cello studiert und bin Pianist, weil ich das wichtig finde, wenn man anderen etwas erklären möchte. Ich spiele im Hirsch auch selbst zwei Stücke mit.

Schwitzen Sie denn bei dem Auftritt im Hirschen mehr als sonst?
Nein, das ist bei der Oper schlimmer. Da gibt es so viele Dinge zu beachten, szenische Abläufe, Sänger, eine andere  Akustik durchs Publikum. Auf „Phil & Chill“ freue ich mich nur wahnsinnig. Letztes Jahr war ich dort, fand die Idee toll, habe mich aber gefragt, warum Tschaikowsky und Brahms? Ich liebe beide, aber bei diesem Anlass, finde ich, muss man Musik von heute nehmen und zwar von Kitsch bis Techno, von Filmmusik bis schräg und modern – und so machen wir es.

Kann man kreativer sein, wenn man das eigene Genre mal verlässt?
Ja, aber ein guter DJ macht ganz ähnliche Dinge wie ein guter zeitgenössischer Komponist. Tommy, einer der DJs, kennt sich mit klassischer Musik aus, weiß, wie man überleitet. Johannes Motschmann, den wir aufführen, setzt sich im Gegenzug - hörbar - mit Techno und Rock auseinander. Aber es gibt an dem Tag im Hirsch wirklich Klassik, wir sind offen, mischen klassische und elektronische Musik unserer Zeit, ohne das Niveau abzugeben. Vor allem biedern wir uns nicht an, weil wir in einer Disco sind. Ich mag elektronische Musik, aber in Zeiten, wo Orchester geschlossen werden, will man die Klassik verteidigen.

Sie reisen viel, zusätzlich zu Ihrem festen Engagement als Kapellmeister am Nürnberger Staatstheater, kommen gerade von der Biennale in München. Kennen Sie mehr als die Hotelzimmer?
Viel mehr sehe ich bei den Auftritten nicht, ich reise aber privat viel, damit ich die Städte kennenlerne, in denen ich war.

Gibt es auch profane Interessen in Ihrem Leben, Fußball vielleicht?
Fußball gar nicht.

Aber dass WM ist wissen Sie?
Ja, ja. Wenn es so groß wird, interessiert es mich schon, aber ich war noch nie im Stadion. Ich geh schwimmen und für gutes Essen und Kochen bin ich zu haben. Außerdem sitze ich gerne alleine in einer Kirche und schau mir dort ein Bild an und mag kurze Museumsbesuche.

Wie – kurz?
Als Jugendlicher konnte ich auch acht Stunden im Museum sein, das mag ich heute nicht mehr. Dafür sehe ich mir gerne kurz mal eine Stunde einen Saal konzentriert an.

Sagen Sie, da der Größenwahn nicht mehr lockt: wieso wollten Sie Dirigent werden?
Mit 13 fing ich an Partituren zu lesen, mit 16 spielte ich in einem kleinen Kammerorchester in der Pfalz, wo ich aufgewachsen bin. Dann hieß es, stell dich mal hin und mach. Das wollte ich, meine Ansicht reinbringen, aber ohne Wunsch, den Macker zu markieren. Ich will immer noch Leute zusammenbringen.

Was tragen Sie eigentlich am 5. Juni im Hirsch?
Leger, schwarz – kein Hawaiihemd ...     


Interview: Claudia Nitsche
Fotos: www.torstenhoenig.de


PHIL & CHILL: Staatsphilharmonie meets DJs
Wenn bei P&C im Juni einmal mehr die Staatsphilharmonie Nürnberg in den Hirsch zieht, werden ungewohnte Klänge zu hören sein: Klassik und Elektronik fließen ineinander, coole Beats für Kammerensembles und Schlaginstrumente (davon gleich mehrere!), die sich den Raum des Nürnberger Clubs erobern. Dirigent Peter Tilling hat ein Programm entwickelt, das auf spannende Weise das Orchester mit den DJs zusammenbringt. Die DJs sind übrigens Tommy Yamaha und Ekki Eletrico von der Wildstyle, für die der Club viele Jahren quasi Wohnzimmer war und die somit das schlüssige Bindeglied bei diesem spannenden (Aufeinander-) Treffen sind.

PHIL & CHILL. Am Donnerstag, 5. Juni, 21 Uhr, Hirsch, Nbg.

curt verlost 2x 2 Tickets. Teilnahme per Email an Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam Bots geschützt, du musst Javascript aktivieren, damit du sie sehen kannst , Stichwort "Phil & Chill".
Gewinner werden am 05.06. vormittags per Email benachrichtigt.




Twitter Facebook Google



20240401_Staatstheater
20240401_Pfuetze
20240401_Stadttheater_Fürth
20240401_Idyllerei
20240401_Wabe_1
20240401_ION
20240401_Neues_Museum_RICHTER
20240411_NbgPop_360
20240401_Comic_Salon_2
20240401_Theater_Erlangen
20240201_VAG_D-Ticket
20240201_mfk_PotzBlitz
20230703_lighttone
2024041_Berg-IT
20240401_D-bue_600