So ein Theater ... im Mai

MONTAG, 1. MAI 2017

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Starke Konkurrenz im Mai für die regionalen Bühnen: Das Figurentheaterfestival schwärmt weit aus und erobert neben den traditionellen, sogar bislang unbekannte Spielstätten. Aber auch das Opernhaus-Ensemble setzt sich kollektiv in Bewegung – zur bebilderten Passion in Richtung Lorenzkirche. Mit dem Österreicher Ferdinand Schmalz (Gostner Hoftheater) und dem sich selbst so nennenden „Kulturellen Muslim“ aus USA Ayad Akthar (Fürther Theater) werden zudem international gefeierte Aufsteiger-Autoren erstmals im Städte-Grossraum entdeckt. Die überwältigende Gefühlsmacht der Koloratur-Dramatik, eine Spezialität der derzeitigen Staatstheater-Intendanz, schlägt sodann mit einer weiteren Rarität zu, die trotz ihres Titels in kein Supermarkt-Sortiment passt. Danach sind es nur noch knapp sieben Wochen bis Saison-Ende. Also, nix wie ran!

STAATSTHEATER NÜRNBERG

PREMIERE. Von der prägenden Maria Callas über Joan Sutherland, Edita Gruberová und Anna Netrebko bis zur ganz anders abgehobenen Cecilia Bartoli reicht die Galerie der Super-Sopranistinnen, die mit der extravaganten Belcanto-Titelrolle von Vincenzo Bellinis Oper NORMA ihren Ruhm mehrten. Im Nürnberger Ensemble ist Hrachuhi Bassénz die Frau für solche Sonderfälle in Serie (bislang bewältigte die brillant jede Menge Rossini und Donizetti), und sie hat die Partie schon drauf – zuletzt gesungen am Musiktheater im Revier und am Opernhaus in Tel Aviv. Die Nürnberger Bühnenproduktion ist eine Leihgabe aus Paris, wo sie der in Frankreich hoch angesehene Regisseur Stéphane Brauschweig (auch Bühnenbildner) vor zwei Jahren mit anderer Besetzung einstudierte. GMD Marcus Bosch dirigiert, was darauf hindeutet, dass er zur wachsenden Zahl der tonangebenden Musiker gehört, die das früher oft ausschließlich auf die Kehlkopfakrobatik von (laut Giuseppe Verdis launig respektvollem Urteil) „langen, langen Melodien“ gestützte Werk als Gesamtkomposition für unterschätzt halten. Die Handlung in ihrer sehr konventionellen „Tableau-Dramatik“ der zugeteilten Auftrittsnummern bedarf allerdings tatsächlich kräftig zupackender Regiekunst: Die mit Keuschheitsgelübde gebundene Priesterin Norma ist nämlich heimliche Geliebte mit zwei Kindern, wird vom Liebhaber betrogen, will aus Rache den eigenen Nachwuchs umbringen und opfert sich schließlich doch heldinnenhaft selbst. Da bleibt kein Auge trocken.
Premiere: 13. Mai , weitere Aufführungen 17., 21., 30. Mai, 1. Juni im Opernhaus.

PREMIERE. Eine bemerkenswerte Opernhaus-Inszenierung von Bachs vergleichsweise leichtgewichtiger „Johannespassion“ hatten wir vor langer Zeit schon in Nürnberg, die berühmteste Bühnenfassung der viel weiter ausladenden MATTHÄUSPASSION schuf Choreograph John Neumeier mit seinem Hamburger Ballett, zuletzt arrangierte aber auch Regie-Sonderfall Peter Sellars mit Simon Rattles Berliner Philharmonikern im Konzertsaal. Nun wird dieses Oratorien-Meisterwerk der Musica sacra in theatralischem Interpretationsgriff und geistlichem Rahmen von zwei Seiten her angegangen und auf den Punkt gebracht, was man schon am subtil gewählten Projekttitel MATTHÄUS.PASSION erkennen kann. Das sehr weltlich orientierte Opernhaus-Ensemble zieht mit dem Regisseur in die sakrale Lorenzkirche, wo andere Glaubensgrundlagen gelten, als am Richard-Wagner-Platz. Der aus Israel stammende David Mouchtar-Samorai, in seinen jüngeren Jahren eigentlich eine Schauspielgröße des deutschen Theaters, hat in Nürnberg jedoch neben den alttestamentarischen Klanggewittern „Moses und Pharao“ und „Samson und Dalila“ sogar schon Wagners „Meistersinger“ inszeniert. Im zentralen Gotteshaus der Stadt, wo die Internationale Orgelwoche (hier Kooperationspartner) gelegentlich übers puristische Konzertformat hinaus strebt, wird es schwerlich zu Oberammergauer oder gar Festwiesen-Bilderwelten kommen. Es soll eine Neuerzählung „aus speziell jüdischer Perspektive“ werden. Stilisierung ist allemal angesagt, den Bach´schen Erlöser gibt Jochen Kupfer, nachdem er grade erst den unerlösten Wozzeck von Alban Berg ablegte. Die Tenöre Martin Platz und Ilker Arkayürek und Sopranistin Michaela Maria Mayer sind die weiteren Solisten. Dirigent ist Guido-Johannes Rumstadt, der in Nürnberg nicht nur als vielseitiger Kapellmeister am Opernhaus-Pult und Professor für Orchester und Dirigieren an der Musik-Hochschule (dessen Junioren-Orchester hier die Philharmoniker ersetzt) tätig ist, sondern auch als künstlerischer Leiter des Hans-Sachs-Chors. Diesmal gilt das Hausrecht und er wird mit dem „Volk“ vom Lorenzer Bachchor die Leidensgeschichte Jesu begleiten. Laut offizieller Lesart ist die Aufführung übrigens nicht „von“ sondern „nach“ Johann Sebastian Bach – was vor allem bedeutet, dass das dreistündige Original in Fragmenten collagiert, also zur besseren Verträglichkeit im harten Gestühl auf 100 Minuten Spieldauer reduziert wird.
Premiere: 19. Mai,  weitere Aufführungen 20. Mai, 1. und 5. Juli in St. Lorenz.

RING-ZYKLUS. Vom 23. Mai bis 4. Juni ist der erste Zyklus von Wagners auf vier Abende verteiltem Musikdrama DER RING DES NIBELUNGEN angesetzt (23.5. „Rheingold“, 25.5. „Walküre“, 28.5. „Siegfried“, 4.6. „Götterdämmerung“). Vom 7. bis 18. Juni folgt der zweite Durchgang als letzte Gelegenheit. Kürzlich bei der Wiederaufnahme waren Antonio Yang (Alberich, Wotan), Rachael Tovey (Brünnhilde) und Vincent Wolfsteiner (Siegfried) überwältigend gut, ja schlichtweg weltklasse. Dirigent Marcus Bosch webt mit den Philharmonikern immer feiner werdende Fäden. --- Zuvor am 6. Mai, zur Nürnberger „Blauen Nacht“ vor der Geisterstunde, ist DER RING FÜR ALLE angesetzt. Gleiches Projekt in Konzert-Miniatur, laut spöttischem Hinweis „leicht gekürzt“. So dauert es statt 16 Stunden nur 60 Minuten. Highlight-Extrakt für alle, denen ein flotter Gruß von Wagners Leitmotiven vorerst genügt. Pultwechsel: Guido Johannes Rumstadt übernimmt das einmalig servierte Nibelüngelchen.

PREMIERENFRISCH. Zungenbrecher und Pointen-Stolperfallen bestimmen die Ereignisse in der chaotischen PENSION SCHÖLLER. Das hundertjährige Lustspiel, in dem die mit Sprachfehlern und sonstigen, für Erheiterung brauchbaren Macken gesegneten Bewohner eines Bürger-Quartiers versehentlich für Irrenhaus-Insassen gehalten werden, emanzipiert sich grade an vielen Bühnen vom welkenden Image des blühenden Blödsinns. Auch in Nürnberg war die Regie in seriösen Händen, Bernadette Sonnenbichler (die inzwischen in Heidelberg an Hermann Hesses „Steppenwolf“ arbeitet) lenkte den stotternden Tumult in die geordnete Anarchie. Pius Maria Cüppers (der abenteuergierige Provinz-Onkel) und Philipp Weigand (sein ständig ins Konsonanten-Abseits rezitierender Neffe) an der Spitze des Ensembles. --- Die Uraufführung des ambitionierten Dramenwettbewerbs TALKING ABOUT BORDERS, der jedes Jahr in ein anderes Land von Osteuropa blickt und 2016 gezielt unter polnischen Autoren junge Talente suchte, brachte einem von der Jury erwählten Duo die Nürnberger Uraufführung LIFE IS LOADING. Mariusz Wiecek und Jerzy Wojcicki, schon seit Danziger Schulzeiten ein Autorengespann, aber auch einzeln als Lyriker oder Kabarettist tätig, kündigten die „verstörende Odyssee durch die Untiefen des Internet“ an, machten dann doch lieber Schnäppchen-Shopping auf der Sozialmedien-Meile. Der Weg des unlöschbaren Mark Zuckerbergs zur Kalorien-Blasphemie einer Schokoladen-Kommunion ist sehr bemüht, aber ein topfit einsteigendes Comedy-Quartett (Josephine Köhler, Bettina Langehein, Janco Lamprecht, Daniel Scholz) macht Spaß – „Schokovater, der du bist im Schokohimmel”, beten die kaloriengläubigen Konsumenten – doch die um drastische Einfälle nie verlegene Regisseurin Julia Prechsl trifft es genauer, wenn sie ersatzweise einen Eimer voll Popcorn unters Publikum werfen lässt. --- Abgehobener Traum vom großen Glück oder Kampf gegen Windmühlenflügel? Ballettdirektor Goyo Montero nimmt seine weiter wachsende Fangemeinde mit auf Erforschungsreise für die eigene Deutung der schon reihenweise von namhaften Komponisten, Literaten und Choreographen verarbeiteten Cervantes-Geschichte von DON QUIJOTE. Er lässt den Helden und seine Compagnie durch Jahrhunderte springen und hat mit der Auftragskomposition an Owen Belton (der schon bei „Cyrano“ und „Latent“ den Ton mitbestimmte) einen alles umfassenden Sound-Horizont bekommen, der den „Mann von La Mancha“ vor Musical-Abwegen bewahrt. --- Adeline Schebesch und Michael Hochstrasser sind das Paar, das sich nach zehnjähriger Trennung wiedersieht und in aufgeladenen Wortgefechten zur großen Abrechnung ansetzt. GIFT. EINE EHEGESCHICHTE von Lot Vekemans, die durch ihren „Judas“-Monolog großes Aufsehen erregte, ist ein drastisch tragischer Text, der aus gutem Grund zu den „herausforderndsten Dialogen des Gegenwartstheaters“ gezählt wird. Die beiden populären Nürnberger Schauspieler mit den 20 + 34 Dienstjahren am Richard-Wagner-Platz nehmen die Herausforderung, die in Berlin auch Dagmar Manzel und Ulrich Matthes suchten, offensichtlich gerne an.
Termine: „Don Quijote“ (12./15./18./20./26./31.5., dann wieder 2.6.) im Opernhaus. „Pension Schöller“ (4./10./20./21./25.5.) im Schauspielhaus. „Gift“ (10./20./30.5.) in den Kammerspielen. „Life is Loading“ (4./10./23.5.) in der BlueBox.
 
LETZTER AUFRUF. Großer Publikumserfolg für das Gerichtsdrama mit den Schöffen im Parkett. Ferdinand von Schirachs spannendes, juristisch allerdings fragwürdiges Stück TERROR, nach der Premiere schnell von den Kammerspielen ins große Schauspielhaus umgezogen, wird nun auf Bewährung in den Ruhestand versetzt. Man kann jetzt nur noch an einem Abend per Hammelsprung-Abstimmung Gnade vor Recht ergehen lassen. Mehrheitlich gab es da bislang Freispruch für den nach eigenem Rechtsempfinden tötenden Angeklagten in Uniform (das ist inzwischen Frederik Bott), was Staatsanwältin Adeline Schebesch weiterhin kühl zur Kenntnis nimmt.
Termin: 16. Mai im Schauspielhaus.

DAUERLÄUFER & DELIKATESSEN. Das Hör/Schau-Spiel WINNETOU um Karl May und seine gefiederten Fantasie-Bruderschaften bleibt ein Favorit des Nürnberger Publikums. Thomas L. Dietz und Philipp Weigand sind weiter auf der Fährte zwischen Dresden-Radebeul und den ewigen Jagdgründen. --- Mit Zauberei in Wort und Tat bringt Pius Maria Cüppers das Solo EVENT von John Clency erneut in die Verlängerung. Eine kurzweilige, boshaft schillernde, herzlich komische Vorstellungsabsage, in der man mehr über die Rätsel der Bühnenkunst erfährt als in den meisten Großinszenierungen. --- Wenn die Frau um die Vierzig die Krise kriegt, steht Lebensberaterin Sibylle Berg als Hysterie abschöpfende Beichtmutter bereit. Die Nürnberger Inszenierung von UND DANN KAM MIRNA lässt statt der bedrohlichen Kinder eine Riesenpuppe gegen das aufgewühlte Damen-Quartett antreten. Die Bosheit blinkt, die Komik bekommt Gänsehaut. --- Ein Stück wird immer aktueller: Orwells Überwachungsklassiker 1984 in der Fortschreibung bis ins Jahr 2050 lässt den „großen Bruder“ seine Schatten über die Zukunft werfen. Regisseur Christoph Mehler, der das als Wort-Oper im breitwandigen Lichtspiel-Design inszenierte, probt derzeit an gleicher Stelle die Themen-Variante „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch für die Juni-Premiere. --- Im großen Schauspielhaus lockt die drastisch komische Rentner-Show EWIG JUNG mit der Simulation von faltenreich auf „uralt“ geschminkten Original-Schauspielern im vorletzten Ranschmeißer-Gefecht das gerne auch zur Evergreen-Dynamik von den Sitzen springende Publikum. Klarer Fall von: Ein bisschen Spaß muss sein. --- Dass man 60 Jahre alte Stücke ganz selbstverständlich „moderne Klassiker“ nennt, gibt immer ein wenig zu denken. Aber DIE KATZE AUF DEM HEISSEN BLECHDACH von Tennessee Williams, Südstaaten-Drama mit viel Lügenpotenzial in der unheilen Familienwelt, gehört zweifellos in diese Kategorie. Die Inszenierung von Georg Schmiedleitner wäre vor 15 Jahren wohl ätzender ausgefallen, jetzt ist sie locker auf die Offensiv-Künste der Schauspieler Josephine Köhler, Stefan Willi Wang und Michael Hochstrasser gebaut. --- Aus drei mächtigen, aber kaum noch spielbaren Shakespeare-Dramen eine vergleichsweise handliche RÖMISCHE TRILOGIE stauchen zu lassen, war eine denn doch allzu pragmatische Idee von Klaus Kusenberg. Der Schauspieldirektor ringt als Regisseur mit dem Digest-Destillat des routinierten Nachschöpfungsspezialisten John von Düffel aus der unfreiwilligen Trilogie „Coriolan“, „Julius Cäsar“, „Antonius und Cleopatra“. Mit dieser Produktion hat er nach „Hamlet“ und „König Lear“ aber immerhin mit einem Schlag nun fünf Weltliteratur-Dramen aus Stratfort-upon-Avon auf seiner persönlichen Liste – und der brave Abonnent auch. --- Die wahre Geschichte ist noch beklemmender, als es das Stück darüber zeigen kann. In DER PROZESS DES HANS LITTEN wird in skizzierten Szenen vorgeführt, wie der junge jüdische Anwalt den kurz vor der „Machtergreifung“ stehenden Adolf Hitler zur gerichtlichen Aussage über die Beteiligung an kriminellen Machenschaften zwingt und danach aus Rache ins KZ gesperrt wird. Die vergeblichen Versuche von Hans Littens verzweifelter Mutter, ihn mit allen Mitteln zu retten, sind das Zentrum der Aufführung. Besonders auch dadurch, dass diese Rolle von der Nürnberger Schauspielerin Patricia Litten gespielt wird, der Enkelin.
Termine: „Winnetou“ (16./24.5.), „Und dann kam Mirna“ ( 5./12./19.5.), 1984 (15./22.5.) jeweils in den Kammerspielen. „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (11./13./18./28.5.), „Römische Trilogie“ (5./9./12./26.5.), „Der Prozess des Hans Litten“ (19./23.5.), „Ewig jung“ (2./24.5.) jeweils im Schauspielhaus. „Event“ (3.5.) in der BlueBox.

AUCH DAS NOCH. Die arg verjuxt ins tragische Finale steuernde Inszenierung von Gerhart Hauptmanns DIE RATTEN wurde bei der Premiere mit Beifall für Schauspieler (Julia Bartolome) und Buh für den Regisseur (Sascha Hawemann) bedacht. Wie die langfristige Abonnentenplanung so will, bleibt der mit Gags aufgedonnerte Berliner Hinterhof-Naturalismus bei vier Mai-Vorstellungen im Schauspielhaus ein Spielplan-Schwerpunkt: 3./14./17./31. Mai.
--- In den Kammerspielen kann Patrick Marbers harmlos unterhaltsame Fußballer-Soap DER ROTE LÖWE auch nur durch das hingebungsvolle Trio Frank Damerius, Marco Steeger und Frederik Bott in Klaus Kusenbergs milder Regie gefallen: 7./17. Mai. Und Bott gehört als junger Liebhaber der an Jungfrauen als Kosmetik-Rohstoff zapfenden „Blutgräfin“ Nicola Lembach zum Ensemble in erotischer Lauerstellung in SCHÖNHEIT aus der Feder der grade in vielen Spielplänen im Aufschwung befindlichen Hamburger Autorin Nino Haratischwili: 11./13./28. Mai.

STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nürnberg
staatstheater-nuernberg.de


GOSTNER HOFTHEATER

PREMIERENFRISCH. Mit der Dialogwucht von Werner Schwab und der Formulierungswut von Elfriede Jelinek werden die provokanten Dramen des jungen Grazers Ferdinand Schmalz oft verglichen. Sein bisher erfolgreichster Text, die Radikalkomödie HERZERLFRESSER, lässt die Grusel-Legende aus der Provinz auferstehen, nach der eine bestimmte Menge verzehrter Jungfrauenherzen dem metzelnden Gourmet den Zustand der Unsichtbarkeit verleiht. Das führte vor Jahrhunderten zu mystischen Mordfällen mit Leichen ohne Herz und hat nun bei der Eröffnung eines „auf Sumpf gebauten“ Einkaufszentrums blutiges Comeback. Um die Moral geht es den Honoratioren nicht so sehr, aber was passiert, wenn der Konsumrausch gestört wird? Am Gostner Hoftheater, wo man selbst vor Fünf-Personen-Stücken keine Angst mehr haben muss, wird der von Wien über Hamburg und Leipzig bis Berlin beachtete Autor erstmals in Franken gespielt. „Kalauergewitter“, meldete die Kritiken-Wetterkarte schon vorab, aber auch donnernde Erkenntnisse.
Termine: 3./4./5./6./10./11./12./13./17./18./19./20. Mai im Gostner Hoftheater.

GOSTNER HOFTHEATER
Austr. 70, Nürnberg
gostner.de


HUBERTUSSAAL

PREMIERE. Das Mädchen Pollecke hat Patchwork-Probleme: Der getrennt lebende Papa ist ein liebenswerter Gauner und als lebenskünstelnder Freizeitpoet das heimliche Vorbild, und ihr Klassenlehrer verliebt sich ausgerechnet in die Mama, was natürlich erst mal sehr peinlich ist. Oma und Opa stehen für Streicheleinheiten bereit. Dabei hat die Kleine einen klaren Harmonie-Wunsch, der auch der Titel des Stückes ist: WIR ALLE FÜR IMMER ZUSAMMEN. Guus Kuijer, preisgekrönter Jugendbuch-Autor aus Amsterdam, schrieb schon mehr Bände über seine Alltagsheldin, die den Begriff „Familie“ für sich definieren muss. Gerühmt wird die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor, aber auch das Aufblitzen kühner Gedanken in Kuijers Dialogen. Marco Steeger, der Schauspieler vom Staatstheater, führt Regie bei dieser Koproduktion, in der die Gostner Stammspieler Johanna Steinhauser, Lisa Sophie Kusz und Robert Oschatz das Rollensortiment aufteilen.

HUBERTUSSAAL
Dianastr. 28, Nürnberg
gostner.de


STADTTHEATER FÜRTH

PREMIERE. Nach einem Stück von Fassbinder in Fürth und einem über Fassbinder (von Falk Richter) in der Tafelhalle stellt Regisseur Barish Karademir nun am Stadttheater einen Aufsteiger-Autor des amerikanischen Gegenwartstheaters vor: GEÄCHTET lautet der deutsche Titel dieser 2013 in Chicago uraufgeführten, erst 2016 bei einer Kritiker-Umfrage in Deutschland als „bestes ausländisches Stück“ gekürten Tragikomödie. Ayad Akthar, in den USA geborener Autor mit Ahnen-Reihe in Pakistan, nennt sich selbst einen „kulturellen Muslim“ und lässt die Debatte um Migration, Religion und Terrorismus durch seine heiter beginnende Familienstory schwirren, die den erfolgreichen, liberalen und auf Abstand zum Islam gegangenen Anwalt in Manhattan positioniert. Das hat Komik, wenn die demonstrative Distanz zur eigenen Tradition und deren aggressive Gegenromantisierung durch einen Neffen auch noch zusammentreffen mit der christlichen Künstlerin, die schwärmerisch ihre neue künstlerische Inspirationsquelle ausgerechnet hier entdeckt. Und es hat Tragik, wenn das scheinbar sichere Selbstbildnis der aufgeklärten Zivilisation zu wackeln beginnt. Assimilation oder Identität? Wenn es doch so einfach wäre, seufzt der inzwischen mit dem Pulitzerpreis belohnte Romancier und Dramatiker, der auch Schauspieler ist, und schreibt fleißig weiter gegen schnelle Vorurteile an.
Premiere: 18. Mai, weitere Vorstellungen 19./20./30./31. Mai und 1./2. Juni im Stadttheater Fürth.

GASTSPIEL. In der internationalen Tanztheater-Reihe, die im Gastspiel-Teil des Fürther Theaters dauerhaft den größten überregionalen Erfolg bringt (inzwischen füllen die anreisenden Ensemble jeweils fünf Abende lang das Haus), ist wieder eine Entdeckung zu machen. Erstmals kommt die französische COMPAGNIE HERVE KOUBI, die sich einerseits auf Fantasien des Orients beruft (Choreograph Hervé Koubi hat seine algerischen Wurzeln erst spät entdeckt), andererseits aber alle Erfahrungen mit HipHop, Akrobatik und Ballett verarbeitet. Eine 2010 erschienene Novelle DIE SCHULD DES TAGES AN DIE NACHT gibt das Gerüst für das Tanz-Stück, das schon auf Tour durch die USA gefeiert wurde.
Termine: 3./4./5./6./7. Mai im Stadttheater Fürth.

STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth
stadttheater.fuerth.de


THEATER ERLANGEN

Gastspiel. Zwei Tanzwelten suchen die Begegnung und öffnen schon im gewählten Titel viele Deutungsmöglichkeiten. MISTRAL ist nicht nur ein sanft beginnender und bald unangenehm stürmischer Wind des Mittelmeerraums, sondern auch eine Farbnuance. Beides steckt in dieser besonderen Performance. Eine gereifte Repräsentantin des deutschen, vom Ballett emanzipierten Tanztheaters im Windschatten von Pina Bausch, zu deren Ensemble der ersten Jahre sie gehörte, auf erneut eigenen Wegen: Susanne Linke (72) trifft auf Koffi Koko (geschätzte 67), der die Überlieferung westafrikanischer Rituale weitergetragen hat – als bekennender Voodoopriester in Afrika und moderner Tänzer in Paris. Ein Dialog in Körpersprache, von exportierten Traditionen und ihren Gegen-Perspektiven erzählend.
Termin: 5. Mai im Markgrafentheater.

PREMIERENFRISCH. Berliner Luft zum Ablassen als Komödien-Sauerstoff für fränkische Provinzen: Marius von Mayenburgs feixende Zeitgeist-Satire STÜCK PLASTIK, die mit ihrer Klischee-Jonglage unter Beteiligung verrückter Künstler, neurotischer Jugendlicher und abgeklärter Haushaltshilfen direkt von der Prenzlberg-Szene abgehorcht und für den Schaubühnen-Kudamm ausgebreitet ist, hat nach der Eroberung des Gostenhofer Spielplans nun auch in Erlangen mit einer eigenen Interpretation überrascht. Macht Spaß, hat keine Folgen. --- Wenn es mit der Steuererklärung auf dem Bierdeckel schon nichts geworden ist, dann eben ein Regiekonzept auf dem Untersetzerformat: Eike Hannemann hat in Erlangen Shakespeares ROMEO UND JULIA vom Verona-Balkon zum Münchner Oktoberfest umgelenkt. Nun spielt das Drama also zu „Gastarbeiter“-Zeiten in den 1960er-Jahren als bayerisch-italienisches Duell zwischen Maßkrug und Pizza. Warum? Warum nicht!  Die Bierbänke reichen von der Bühne bis tief ins Parkett, wo mancher Einheimischer mitten in den ewigen Dichterworten sicher gerne auch abschweifend an die nächste Bergkirchweih denkt.
Termine: „Stück Plastik“ am 7./8. Mai, „Romeo und Julia“ am 11./12. und 30./31. Mai im Markgrafentheater.

DAUERLÄUFER. Klarer Fall von Klein-„Kult“. Mit Goethes DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER (der Romeo Mario Neumann ist auch der tragische Briefwechsel-Held, der Shakespeare-Spektakel-Regisseur Eike Hannemann hat auch das Goethe-Solo betreut) bleibt die langlebigste Produktion des Hauses weiter im Angebot. Nicht nur, aber ganz besonders für junges Publikum, das die literarische Qualität eines in jeder Hinsicht handgeschöpften Liebesbriefs erst gegen die Dominanz der getippten Kürzelwelt entdecken muss.
Termine:  9./10. Mai im Theater in der Garage.

THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de


 




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