OJM
© Florian Jaenicke

OJM – Orchester Jakobsplatz München

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Jüdische Kultur in München

Abseits der wohlbekannten Konzertsäle gibt es Perlen wie das Orchester Jakobsplatz München, kurz OJM, zu entdecken. Seit dessen Gründung in 2005 ist es ein fester Bestandteil der Münchner Kulturszene. curt hat mit Daniel Grossmann, nicht nur Gründer, sondern auch Dirigent und Künstlerischer Leiter des OJM, gesprochen.

Was hat Sie dazu bewegt, ein eigenes Orchester zu gründen?
Ich bin 1978 in München geboren. Meine Eltern sind ungarische Juden, die meine Schwestern und mich zwar nicht religiös erzogen, uns aber die jüdische Kultur als eine prägende Tradition unserer Familie vermittelt haben. Als Jugendlicher hat es mich gestört, dass jüdische Kultur in München, ja in ganz Deutschland kaum sichtbar war. Verändert hat sich das mit dem Neubau des Jüdischen Zentrums am Sankt-Jakobs-Platz. Plötzlich war das jüdische Leben mitten in der Stadt angekommen.
Als Musiker wollte ich mit meinen Mitteln dazu beitragen, diesen Ort mit lebendiger jüdischer Kultur zu füllen, die für jeden zugänglich ist. Dies war der Anlass, das Orchester Jakobsplatz München zu gründen.

Worauf liegt Ihr Augenmerk bei der Förderung des zeitgenössi-schen Austauschs zwischen jüdischer und deutscher Kultur?
Beim OJM spielen Musiker unterschiedlichster Religionen und Nationen. Jüdisch oder nicht-jüdisch ist kein Kriterium der Teilhabe. Zudem spielen wir nicht einfach „nur“ Konzerte. Es sind eher Projekte, die immer der inhaltlichen Idee folgen, Aspekte jüdischer Kultur im Hier und Heute sicht- und erlebbar zu machen.

Austausch ist uns enorm wichtig, vor allem zwischen und mit dem Publikum. Aber ein Austausch zwischen deutscher und jüdischer Kultur würde streng genommen eine Trennung dieser beiden Kulturen bedeuten. Wir begreifen jüdische Kultur als selbstverständlich zur deutschen Kultur gehörig.

Vor welchen Herausforderungen steht ein unabhängig geführtes Orchester?
Die Finanzierung eines Orchesters ist eine riesige Aufgabe, die uns inzwischen durch die Förderung des Freistaates Bayern, der Stadt München und privater Sponsoren erleichtert wird. Dennoch müssen viele Ideen aus finanziellen Gründen auf ihre Realisierung warten. Geld ist also immer ein Thema, genauso wie die Suche nach einem geeigneten Raum. Zudem muss ein Ensemble seine Existenz, besonders in einer Stadt wie München, in der es zahlreiche Orchester gibt, durch ein einzigartiges Profil rechtfertigen. Ich bin mir sicher, dass das OJM in diesem Punkt eine Stärke hat.

Was ist für Sie typisch München?
Wenn man vom Sankt-Jakobs-Platz auf die Synagoge aus einem bestimmten Winkel blickt, scheint sich das Kreuz der dahinterstehenden Klosterkirche St. Jakob auf dem Dach der Synagoge zu befinden. Auch wenn München oft als Dorf bezeichnet wird, sehe ich in der Vielfalt der Kulturen etwas Typisches für diese Stadt. Außerdem gibt es keine andere Stadt auf der Welt mit einem jüdischen Zentrum genau in der Mitte – also ist das typisch München!


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> Dieser Artikel ist in der curt Ausgabe #86 erschienen. Foto: Florian Jaenicke