michael bartlewski

Im Gespräch: Michael Bartlewski von DIE FRAGE @ PULS

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 Michael Bartlewski hat in Weimar und Würzburg was mit Medien studiert, weil er nach dem Abi unbedingt aus München rauswollte, und kam dann wieder zurück. Gottlob, sonst wäre er nicht als Reporter beim BR gelandet, hätte nicht beim Zündfunk gearbeitet, dann bei der jungen Welle, die jetzt PULS heißt. Und: Es gäbe DIE FRAGE nicht – ein Zwitter aus Radio- und Fernsehsendung, der jeden Monat eine bestimmte Frage beleuchtet. Eine große Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt, die knifflig ist, und vor allem: bei der das Team selber vorher noch keinen Plan davon hat, wie die Antwort aussehen könnte. So recherchiert es sich unvoreingenommener. Das Ergebnis ist ein Sammelsurium aus Fakten, Menschen, Meinungen und Selbstversuchen. Einfaches Prinzip, geniales Konzept und am Ende immer spannend für die eigene Meinungsbildung.

Wer denkt sich DIE FRAGE aus?
Wir überlegen im Team (Kameramann, Reporter, also ich und noch ein/-e Autor/-in) jede neue Frage. Im Idealfall gibt’s natürlich auch gerade in der Gesellschaft eine Debatte darüber. Da geht’s oft hoch her. Wir diskutieren ewig, aber irgendwann gibt es immer den Moment, wo wir alle sagen: Das ist es! Das machen wir jetzt. Dann haben wir noch zwei, drei Wochen Vorlauf und los geht’s.
 
Hat sich deine persönliche Antwort im Vorfeld auf eine der Fragen nach der Sendung komplett geändert? Voll. Das ist eine der besten Sachen, denn ich hab natürlich auch meine Vorurteile, und die werden oft über den Haufen geworfen. Es lohnt sich einfach, mit den Leuten mal wirklich zu reden, sie kennenzulernen. Von einer Pornodarstellerin war ich fasziniert, wie komplett klar und kalkuliert sie ihre Situation sah. Und ich hab mal für eine Sendung ein paar Tage im Knast verbracht – es war so krass zu sehen, wie oft die Menschen da rückfällig werden, weil „draußen“ eben auch kein besseres Leben auf sie wartet. Sie haben zu meiner Überraschung sehr offen darüber gesprochen, aber vielleicht lag’s auch an den Zigaretten, die ich dabeihatte …

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Deine Sendung „Wie komme ich mit dem Tod klar?“ war sehr imposant. Hut ab! Was war die Motivation für diese Frage?
Ich hab mal ein Buch von einer australischen Palliativpflegerin gelesen, die niedergeschrieben hat, was Menschen kurz vor ihrem Tod am meisten bereuen. Dabei habe ich mich total ertappt gefühlt. Unter den Top 5 „Regrets of the Dying“ waren zum Beispiel: „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet“ oder „Ich wünschte mir, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden aufrechterhalten“. Man denkt ja immer, „Das bringe ich noch in Ordnung“, „Das wird sich ändern“, aber oft eben auch nicht, und das bereuen wir dann am Ende. Ich wollte deswegen herausfinden, wie es Menschen geht, die wissen, dass sie nicht mehr lange haben. Und über den Tod zu reden, ist doch eh mal gut, oder?

Welche Berührungspunkte hattest du selber schon mit dem Tod?
Glück gehabt, bis jetzt. Natürlich sind schon ältere Verwandte von mir gestorben, aber bis vor der Sendung hatte ich echt wenig Berührungspunkte, weil ich das Thema auch immer weggeschoben hab.

Du hast die krebskranke Luise während deiner Recherchezeit intensiv begleitet. Das ist jetzt ein Jahr her. Wie geht’s ihr?
Puh, es ist schlimm. Luise ist kurz danach gestorben. Mich fröstelt es, wenn ich das sage. Sie war die letzten Wochen auf einer Palliativstation und ich glaube, jeder hatte noch Hoffnung, aber der Krebs ist ein Arschloch. Luise hat selbst gesagt: „2015 schaut doch scheiße aus auf einem Grabstein.“ Aber es sollte nicht länger sein. Luise war so eine coole Person, ich habe wahnsinnig viel von ihr gelernt. Zum Beispiel, dass unsere Vorstellung von einem „guten Leben“ manchmal echt zu hoch gegriffen ist. Ein guter Tag kann sein, wenn man ein gutes Gespräch geführt oder eine tolle Serie gesehen hat; man muss dafür nicht Bungeejumpen oder was total Besonderes machen. Wir unterschätzen oft die Kleinigkeiten.

Machst du dir Gedanken über deinen eigenen Tod? Beerdigungssong?
Na toll, jetzt werde ich den Rest des Tages überlegen, welcher Song passen könnte. Hm, vielleicht was von Daniel Johnston? Bei Luises Beerdigung hat mir gefallen, dass es ein „Lebensfest“ war. Es hat eine Band gespielt, alle sollten sich bunt anziehen, es gab Luftballons, danach wurde im Park gegrillt. Es war zwar immer noch verdammt traurig und es wurde wahnsinnig viel geweint, aber irgendwie war man ihr so viel näher als bei einer klassischen Beerdigung.

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Dieser Artikel ist in der curt Ausgabe #85 erschienen // Gestorben wird immer
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