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curt war da:
Mogwai + Sacred Paws im Backstage

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Bei Mogwai hat man hinsichtlich Vorprogramm in den vergangenen Jahren Etliches an Überraschungen erlebt: Elektronik-Experimental-Frickler, die mit ihrer Klangkunst so gar nichts mit dem klassischen Postrock zu tun haben wollten, beim letzten oder vorletzen Mal einen schwergewichtigen, durchtätowierten Schotten, den man rein optisch im Death-Metal-Lager verortet hätte, der sich jedoch völlig unerwartet als versierter Könner in Sachen Flamenco-Akustik-Gitarre erwies, auf der aktuellen Tour nun das Duo Sacred Paws als Anheizer, ortsansässig in Glasgow, unter Vertrag beim Label Rock Action, damit hatte es sich auch schon in puncto Gemeinsamkeiten mit dem Hauptact des Abends.

Sympathische Ausstrahlung hatten sie, die beiden Mädels, am energetischen, vom Bewegungsdrang getriebenen Bühnengebaren gab es auch nichts zu beanstanden, ihr Instrumentarium beherrschten sie durchaus passabel, und doch mochte der Funke auf Teile des Publikums nicht überspringen mit dem flotten Indie-/Afrobeat-Groove und dem austauschbaren „Oh-Ooooh-Oooooooh“-Hurra-Singsang der beiden jungen Musikerinnen, die sich von Stück eins bis gefühlt Stück zwölf im 40-minütigen Vortrag nicht groß mit Spannungs-befeuernden Variationen aufhielten und so das Warm-Up in auf Dauer ermüdendem Gleichklang verebben ließen. Über die Ramones wurde vor Unzeiten gefeixt, Joey und Co würden permanent die beiden gleichen Songs spielen, den schnellen, harten und den langsameren, poppigeren Punk-Hauer, bei Sacred Paws teilte sich dieser Umstand in die Songs mit und ohne Bassistin, Nuancen der Variation waren immer dann auszumachen, wenn die Ladies E.R. und R.A. sporadisch von einer dritten, nicht näher benannten Mitmusikerin im rhythmischen Anschlag verstärkt wurden. Nett allein reicht oft nicht, Vampire Weekend für Arme, mehr bleibt da nicht als Fazit anzumerken, diese Referenz ist selbstredend auch keine Auszeichnung, waren doch die New Yorker selbst schon Talking Heads für Arme …

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Scotland First: Mit Nachdruck unterstrichen Stuart Braithwaite, Dominic Aitchison und die Ihren am Freitagabend im ausverkauften Backstage-Saal, warum Mogwai nach wie vor ohne Abstriche zur Speerspitze wie Weltklasse des Gitarren-dominierten Postrock zu zählen sind. Die Instrumental-Institution aus Glasgow glänzte mit einer fein gewählten Setlist aus aktuellen Titeln vom jüngst veröffentlichten Album „Every Country’s Sun“ und bewährten Live-Klassikern aus der mittlerweile jahrzehntelangen Bandhistorie wie „Rano Pano“, „I’m Jim Morrison, I’m Dead“, „Auto Rock“ oder dem stimmungsvollen, von Ohren-schmeichelnden Keyboard-Klängen bereicherten Opener „Friend Of The Night“.

Zentrales Kernstück jedes Konzerts der Schotten ist und bleibt „Mogwai Fear Satan“, die ellenlange Krönungsmesse des Postrock vom 1997er-Debüt-Album und Band-Klassiker „Mogwai Young Team“, die in einem gut 15-minütigen tonalen Mikrokosmos alles enthält, was das Genre großartig, erhaben, emotional ergreifend macht: das exzellente, hochspannende Laut-Leise-Spiel, die zurückgenommenen, meditativen, nahezu kontemplativen Elemente, das sprichwörtliche Auftürmen der Gitarrenwände wie das brachiale und unvermittelte Lärm-Explodieren als entladendes Atonal-Gewitter.

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Daneben glänzte die Band mit weiteren Gustostücken der intensiveren, hart rockenden Gangart wie „Old Poisons“ vom aktuellen oder dem finalen Feedback-/Vehemenz-Lärm-Vollrausch „We’re No Here“ vom feinen 2006er-Werk „Mr Beast“, einer treibenden, im Vergleich zur Studio-Fassung direkter zupackenden Version der von Stuart Braithwaite gesungenen Shoegazer-/Indie-Rock-Single „Party In The Dark“ und faszinierendem, wunderschönem, dunklem Düster-Ambient in „Don’t Believe The Five“.
Cat Myers vom schottischen Indie-/Noise-Rock-Duo Honeyblood ersetzte im Rahmen der Tour Mogwai-Drummer Martin Bulloch, der etatmäßige Trommler erlitt vor einigen Jahren einen Herzinfarkt, vermutlich mag er sich dem Stress des Tourlebens nicht mehr aussetzen, mit ihrem wuchtigen, kompromisslosen Anschlag war die junge Frau maßgeblich wie eindrücklich an der intensiven Wucht des konzertanten Vortrags beteiligt.

Man hat schon verspieltere, weitaus filigranere, zu Teilen auch latent belanglosere Mogwai-Konzerte gesehen. Soviel Druck, Klang-Explosion, beglückende Postrock-Seligkeit war lange nicht mehr wie beim jüngsten München-Auftritt der Schotten.


Nachbericht und Fotos: Gerhard Emmer > Kulturforum Blog

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